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Verschiedene: Die Gartenlaube (1880)


Ein Familienvater übernimmt mit der Villeggiatur ein wahres Martyrium; er selbst hat von der Sommerfrische nur Plagen und Kosten.


Hütteldorf.


In aller Gottesfrühe muß er aufstehen, um bei Zeiten in sein Amt, sein Bureau, sein Geschäft, sein Atelier, seine Werkstatt zu gelangen; den Tag über ist er in seinem Berufe thätig, um Abends wieder heimzureisen. Zu den bereits erwähnten Auslagen kommt für ihn speciell noch die Bestreitung der anstrengenden täglich zweimaligen Fahrt, und dann die besondere Auslage für seine Verköstigung in der Stadt. Aber er trägt gern all die Lasten, im Vollbewußtsein seines Martyriums, weil – trotz alledem und alledem die Landluft ein Segen für Weib und Kind ist.


Purkersdorf.


Wo also ist Wien zu finden, wenn es im Sommer ausgeflogen ist? Ja, wo? Das ist leicht gefragt, und auch leicht beantwortet, wenn man sich mit der Antwort: In der Umgebung Wiens, begnügt. Die Zahl der bekanntesten und populärsten Ortschaften in der Umgebung Wiens, die mit Vorliebe von dem Wiener zu Sommerfrischen gewählt werden, beträgt wohl an hundert, allein man greift schwerlich zu hoch, wenn man noch weitere hundert Ortschaften annimmt, die ebenfalls den Wienern Sommerasyle bieten, die jedoch, weil sie etwas abseits von der großen Verkehrsstraße liegen, weniger bekannt und weniger frequentirt sind, als die hundert ersterwähnten Ansiedelungen. Es giebt reizend gelegene Dörfchen kaum eine Stunde von Wien entfernt, die höchstens fünf bis zehn Sommerparteien beherbergen. –


Mödling-Klause.


Meister J. J. Kirchner, einer der geschicktesten, jedenfalls der fruchtbarste unter den deutschen Landschaftszeichnern – hat er doch seiner großen Jugend schon vor mehreren Jahren das Fest seines tausendsten Holzstockes gefeiert – hat sich nun kürzlich, mit seinem Skizzenbüchlein bewehrt, aufgemacht, um eine Reihe der beliebtesten Sommerfrischen der Wiener für die „Gartenlaube“ aufzunehmen. Uns sei es gestattet, zu diesen Bildern kurze Commentare zu liefern.


Baden.


Wir beginnen mit Hütteldorf. Hütteldorf gilt, und mit Recht, für einen der fashionablesten Sommersitze. Es hat eine prächtige Lage und ist gerade eine Meile von Wien entfernt, daher mit der Westbahn, auf welcher es von Wien aus die zweite Station ist, in kaum einer Viertelstunde zu erreichen. Stündlich kommt und geht ein Localzug, und Omnibusse, die allerdings eine gute Stunde brauchen, um die Meile zurückzulegen, verkehren in Zwischenräumen von je einer halben Stunde. Hütteldorf hat, wie fast alle Sommerfrischen, ein gutes Kaltbad, zu welchem das Wienflüßchen das Wasser liefert; es weist eine Fülle von reizvollen Gärten und zierlichen Villen auf; es bildet ein Centrum, von welchem aus in aller Bequemlichkeit die schönsten und lohnendsten Ausflüge gemacht werden können, und es hat – last not least – ein weit berühmtes Brauhaus, wo gar köstlicher Stoff geschänkt wird. An schönen Sonntagnachmittagen pilgern denn auch immer Tausende von Wienern hierher, um sich an der herrlichen Gottesgabe, die hier frisch vom Zapfen läuft, zu erlaben; wenn dann spät Abends die letzten Züge heimwärts gehen, pflegt es ein gewaltiges Gedränge zu geben, und es wird bei dieser Gelegenheit so mancher schwere Haarbeutel verfrachtet, ohne daß dafür eine Ueberfracht bezahlt würde.


Kalksburg.


Die höchstgelegene Villa auf der Abbildung, mit dem schlanken Thürmchen, das weit hineinlugt in das Land, ist die sogenannte „Villa Dietz“. Ihr Erbauer, der

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1880). Leipzig: Ernst Keil, 1880, Seite 493. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1880)_493.jpg&oldid=- (Version vom 20.8.2021)