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Verschiedene: Die Gartenlaube (1880)

Das Reifen der Früchte beim Scheine der Polarsonne und des elektrischen Lichtes. Im Anschluß an unsere frühere ausführliche Mittheilung über „Pflanzenzucht bei elektrischem Licht“ (1880, S. 266) wollen wir nicht unterlassen, mitzutheilen, daß Herr C. W. Siemens in London in einer Frühjahrssitzung der dortigen Royal Society reife Erdbeeren vorgelegt hat, die durch Unterstützung der Sonne mit elektrischem Lichte so früh zur Reife gebracht worden waren. Der berühmte Industrielle zeigte den Anwesenden zwei Töpfe mit zu gleicher Zeit und unter gleichen Bedingungen eingesetzten Erdbeerpflanzen vor, von denen die eine nur dem Tageslichte, die andere außerdem, während der Nacht, dem elektrischen Lichte ausgesetzt worden war, und von denen die erste völlig grüne Beeren, die zweite völlig reife und schmackhafte Früchte trug. Herr Siemens schließt daraus, daß elektrisches Licht auch geeignet ist, den Zucker und aromatischen Stoff zu bilden, von denen das Reifen der Früchte abhängt. So interessant die Thatsache ist, so wenig zuverlässig ist der daraus gezogene Schluß. Man weiß nämlich aus sehr interessanten neuerdings veröffentlichten Versuchen des Professor Schübeler in Christiania, daß in den Nordpolarländern, z. B. in Norwegen, gezogene und im Sommer beinahe immerwährendem Sonnenschein ausgesetzte Früchte zwar außerordentlich aromatisch werden, aber völlig sauer bleiben. Manche dort gezogene Gemüse, die in anderen Ländern ganz milde schmecken, werden dort so aromatisch, daß man sie gar nicht genießen kann. Schübeler schließt daraus, und im Hinblick auf die Süßigkeit der Südfrüchte wohl mit Recht, daß das Licht Aroma und die Wärme Zucker erzeuge. Das schnellere Reifen der mit dem elektrischen Lichte gezogenen Erdbeeren erklärt sich aber einfach daraus, daß die Vegetationszeit verdoppelt wurde, was ungescheut geschehen darf, da Pflanzen eben keiner Nachtruhe bedürfen. Letztere Thatsache war von Schübeler schon früher dadurch augenfällig bewiesen worden, daß er eine neuholländische echte Akazie (Acacia lophanta), die ihre Blätter in unseren Gewächshäusern wie in ihrer Heimath allabendlich zum sogenannten „Schlafe“ schließt, nach den Lofoden und nach einem Orte Westfinnmarkens brachte, woselbst sie während zweier Monate, so lange die Sonne ununterbrochen über dem Horizonte blieb, ihre Blätter nicht schloß. Aehnlich den Erdbeeren des Herrn Siemens wachsen und reifen beim anhaltenden Scheine der Polarsonne alle in Scandinavien aushaltenden Beeren und Getreide-Arten innerhalb zwei bis drei Monat.




Oesterreichischer Touristenclub. Wenn wir vor einiger Zeit (in „Blätter und Blüthen“ von Nr. 43, Jahrg. 1879 an dieser Stelle das Wirken der alpinen Vereine besprachen, und hierbei namentlich den deutschen und österreichischen Alpenverein als den größten und bedeutsamsten besonders hervorhoben, so möchten wir heute noch eines Vereines gedenken, welcher sich sowohl vermöge der Zahl seiner Mitglieder (über 250), wie wegen seines thatkräftigen Wirkens vollen Anspruch auf Beachtung und Gleichberechtigung mit allen anderen großen Alpenvereinen erworben hat. Es ist dies der im Jahre 1869 gegründete, unter dem Protectorate des Erzherzogs Karl Ludwig stehende „Oesterreichische Touristenclub“ in Wien.

Daß auch er seine Aufgabe nicht blos in sportmäßig betriebener Berggymnastik, sondern in der touristischen und wissenschaftlichen Erschließung und Durchforschung der Alpen, in der Hebung und Förderung des Fremdenverkehrs sucht, daß somit seine Ziele in letzter Reibe volkswirthschaftliche und culturelle sind, dürfte nachfolgende Uebersicht seiner Thätigkeit und seiner Leistungen erweisen.

Seinem Namen entsprechend, hat er sich, unterstützt von vorläufig acht Sectionen vorzugsweise das Gebiet der österreichischen Alpen zu seinem Operationsfelde auserkoren und hierin nach jeder Richtung bereits höchst Bedeutendes geleistet. Den Schwerpunkt seines Wirkens verlegt auch er namentlich auf die Bauthätigkeit: den Bau von Schutz- und Unterkunftshäusern, Anlegung, Verbesserung und Markirung von Gebirgssteigen, die Errichtung von Wegweiserzeichen und Aussichtswarten etc. So hat er bereits zehn Schutzhäuser, darunter zwei vollkommen eingerichtete, mustergültige Alpenhospize (auf dem Schneeberge und der Raxalpe) erbaut, zwei meteorologische Beobachtungsstationen (auf dem Schneeberge in Niederösterreich und dem Hochobir in Kärnthen) errichtet, zahlreiche Wege, Wegmarkirungen etc. durchgeführt und hierfür im Ganzen den sehr ansehnlichen Betrag von 46,000 Gulden verausgabt.

Aber neben dieser praktischen Thätigkeit werden auch die theoretischen Aufgaben nicht vernachlässigt. Zeugniß hierfür legt das seit zehn Jahren erscheinende, an Gediegenheit der Aufsätze und Reichhaltigkeit der Beilagen sich alljährlich vervollkommnende „Jahrbuch des Oesterreichischen Touristenclub“ ab, außerdem verschiedene andere Publicationen, Monographien von Gebirgsgruppen, Reiseführer etc.

Eine besondere Specialität dieses Clubs bildet die Anfertigung und Herausgabe von Panoramen der vorzüglichsten Aussichtspunkte Nieder-Oesterreichs und anderer Hochgipfel der Ostalpen. Solcher Panoramen sind bereits vierzehn in zum Theil musterhafter Ausführung publicirt worden, und alljährlich vermehrt sich die Zahl derselben.

Nicht minder eifrig wird das gesellige Element im Club, durch Veranstaltung von Wanderversammlungen, Clubpartieen, Festen und Vergnügungsabenden, Wochenversammlungen mit Vorträgen und Ausstellung von Panoramen und Landschaftsbildern gepflegt und dadurch das Interesse und treue Zusammenhalten der Clubmitglieder beständig rege erhalten. Der österreichische Touristenclub darf sich das Verdienst zuschreiben, durch seine rastlose Thätigkeit im Baufache, seine Bemühungen für Regelung des Führerwesens, durch die Pflege einer rührigen Propaganda für den Alpencultus, durch interessante Schilderungen von Bergtouren mittelst Schrift und Wort, durch Ausstellungen, Versammlungen, Partieen, durch Anlegung einer reichhaltigen Bibliothek alpiner Werke und Karten etc. wesentlich zur Weckung und Belebung des Interesses für die Alpinistik unter den Residenzbewohnern beigetragen und das Touristenwesen in Wien geradezu popularisirt zu haben.

Zu erwähnen wäre noch, daß sich der österreichische Touristenclub an den zwei internationalen Ausstellungen in Paris betheiligte und daß er hierfür einmal durch Zuerkennung eines Ehrendiploms, das andere Mal durch Prämiirung mit der silbernen Medaille erster Classe ausgezeichnet wurde. Als Präsident des Clubs fungirt nunmehr durch länger als zehn Jahre der Hof- und Gerichtsadvocat Dr. Leopold Schiestl, dem der Schriftführer Ernst Wolfrum thätig zur Seite steht. Als Redacteur des „Jahrbuches“ sowie der „Alpinen Chronik“ macht sich der Vicepräsident Edmund Graf verdient, während für das gesellige Element der Dr. med. Emerich Klotzberg als Oberarrangeur trefflich sorgt.

So hat sich der österreichische Touristenclub durch richtiges Erfassen seiner Aufgaben und durch unablässige gemeinnützige Thätigkeit neben allen anderen großen Alpenvereinen, mit denen er auch im besten Einvernehmen und Schriftenaustausch steht, eine allseitig geachtete Stellung errungen und verdiente es daher wohl, daß wir hier ein kurzes Bild seiner Thätigkeit entrollten.




Bildungsschulen schwäbischer Bauernmädchen. Wie segensreich in Württemberg die von der Regierung gegründete „Centralstelle für das Wohl der arbeitenden Classen“ wirkt, ist wohl allgemein bekannt, aber noch unbekannt ist das neue Verdienst, das sie sich um die Errichtung von Fortbildungs- oder Haushaltungsschulen für Bauerntöchter seit länger als einem Jahre erworben hat.

Wer auf dem Lande gelebt, weiß, wie wenig hier durch eine von Knaben und Mädchen gleich sehr überfüllte Schule im Unterricht geleistet werden kann, besonders schlecht steht es aber da, wo der Handarbeitsunterricht noch nicht eingeführt ist, um die Mädchen. Sie bleiben in jeder Beziehung zurück, und wenn sie endlich in der Wirthschaft, im Feld und Stall den Eltern helfen sollen, kommen sie im glücklichsten Fall bis auf den Standpunkt, den ihre Mütter eingenommen, aber weiter nie. Vermögendere Bauern geben wohl oft ihr Töchterchen ein oder zwei Jahr in eine Stadtpension – aber das Wenige, was sie bei der mangelhaften Vorbildung dort profitiren, ist gewöhnlich mehr geeignet, sie bei der Rückkehr in ihr Dorf mit den alten Verhältnissen unzufrieden, als für dieselben tauglicher zu machen. Aehnliches geschieht mit den ärmeren Bauernmädchen, welche in der Stadt einen Dienst finden. Kehren sie auf’s Land zurück, so bringen sie nur eine schädliche Halbbildung und Gewohnheiten mit, welche meist dem allgemeinen Dorfleben keineswegs förderlich sind. Tüchtige Mägde wie tüchtige Hausfrauen sind gleicher Weise an ihnen verdorben.

Allen diesen Uebelständen wird durch die erwähnten, speciell für Bauernmädchen und ihre künftige Berufserfüllung auf dem Lande bestimmten Schulen begegnet und dadurch dem Fortschritt eine Gasse auch unter der Dorfbevölkerung gebrochen.

Solcher Schulen bestehen in Württemberg bereits vier. Wir geben ein gemeinsames Bild von allen, wenn wir hier die in Stubersheim bei Ulm zu schildern versuchen; sie steht unter der Oberleitung des Oberamtmanns von Geislinger und wurde als erste derselben auf Anregung des Regierungsraths Schillerholm gegründet. Ein älteres Staatsgebäude, das der Regierung zur Verfügung stand, wurde zur Aufnahme der Bauernmädchen eingerichtet. Ueber diese führt die Aufsicht eine Hausmutter, welche, in dem Gebäude wohnend, die Wirthschaft leitet, und eine Arbeitslehrerin. Jede Schülerin zahlt auf sechs Monate ein Lehrgeld von sechsundzwanzig Mark und ein tägliches Kostgeld von achtzig Pfennig. Der Cursus beschränkt sich auf die Wintermonate, wo die Mädchen, die ganz in der Anstalt wohnen, ja am leichtesten zu Hause entbehrt werden können. Die im Dorfe ansässigen Zöglinge behalten die Wohnung im Elternhause. Unter Aufsicht der Hausmutter werden nun alle Mädchen der Schule gleichmäßig zu allen Hausarbeiten, wie Kehren, Waschen, Putzen, Kochen, Backen etc. angeleitet, von der Handarbeitslehrerin in allen nötigen Handarbeiten: Stricken, Nähen, Flicken etc., durch den Schullehrer des Ortes im Singen, in Religion, im deutschen Aufsatze und im Briefschreiben, Rechnen und Buchführung, wie sie für die Hauswirthschaft nöthig, unterrichtet. Der nächstwohnende Arzt ertheilt Gesundheitslehre und Naturlehre, soweit beide der Fassungskraft der Mädchen angemessen erscheinen. So erhalten sie einen Einblick in Nutzen und Nothwendigkeit vom Gebrauche des Wassers und der frischen Luft; sie lernen den wahren Werth der Nahrungsmittel kennen und werden über die wichtigsten Naturerscheinungen aufgeklärt. Es giebt offenbar keinen bessern Weg, um dem auf dem Lande noch immer herrschenden Aberglauben und solchen Vorurtheilen zu begegnen, deren hauptsächlichste Trägerinnen ja die in Unwissenheit erhaltenen Frauen sind.

Der Aufwand für diese Anstalt beträgt jährlich etwa 1500 Mark. Reicht das Pensionsgeld dazu nicht aus, so schießen die benachbarten landwirthschaftlichen Bezirksvereine zu und schließlich die königliche Centralstelle, der ein jährlicher Rechenschaftsbericht vorgelegt werden muß. An Kostspieligkeit können also diese trefflichen Schulen nicht zu Grunde gehen.

Möchte dieses segensreiche Vorbild aus dem still und bescheiden, aber um so lehrreicher in der Volksbildung vorwärts strebenden Schwaben überall im deutschen Vaterlande Nachahmung finden!

L. O.




Kleiner Briefkasten.

E. H. in Malaga. Das Verfahren, alkoholreiche Getränke zum Gefrieren zu bringen wurde ja in dem betreffenden Artikel (1878, Nr. 5) bereits angedeutet. Die gewöhnlichen Eismaschinen reichen nicht dazu aus, und die Fabrikation dürfte kaum lucrativ sein.

M. R. in Schönberg. Das Schielen ist heilbar. Wenden Sie sich an einen tüchtigen Augenarzt!

R. B. in Glauchau. Wenn Sie Antwort auf eine Frage haben wollen, so vermeiden Sie die unausstehliche Unsitte, Ihren Namen völlig unleserlich zu schreiben!

Frz. Largstn. Abgelehnt! Verfügen Sie gütigst!


Verantwortlicher Redacteur Dr. Ernst Ziel in Leipzig. – Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1880). Leipzig: Ernst Keil, 1880, Seite 528. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1880)_528.jpg&oldid=- (Version vom 16.4.2023)