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Verschiedene: Die Gartenlaube (1880)


Aber diesmal weckte ihr Gruß nicht eine in Reif und Nebel schlummernde Erde; sie war längst erwacht aus ihrem Winterschlafe. Ueber dem sonnendurchleuchteten Walde lag wie ein zarter, durchsichtiger Schleier das erste Grün, das aus den Knospen hervorbrach; auf Wiesen und Feldern drängte und keimte es empor aus jeder Scholle, und über Erde und Himmel war ein förmliches Meer von goldig strahlendem Lichte ausgegossen. Ueberall wehte Frühlingsluft und Frühlingsathem; überall jubelten die Stimmen des neu erstandenen Lebens.

Auch für die Beiden, die dort oben auf der sonnigen Höhe standen, war es Frühling geworden. Sie hatten lange auf ihn harren müssen, nun aber kam er ihnen auch in seiner ganzen Pracht. Die Worte der Liebe, die hier ausgesprochen worden, mochten wohl stürmischer und leidenschaftlicher gewesen sein, als jene, die Hedwig vor drei Jahren von anderen Lippen gehört hatte, und tiefernst waren sie auch gewesen – das sprach aus Oswald's Zügen, als er sich zu seiner Braut niederbeugte, aus der Thräne, die noch an Hedwig's Wimpern hing. Ihre dunkelblauen Augen waren so tief, so seelenvoll geworden, seitdem sie die Thränen kennen gelernt hatten.

„So lange habe ich harren müssen,“ sagte Oswald, und es klang wie ein Vorwurf mitten durch die leidenschaftliche Zärtlichkeit seiner Worte. „So endlos lange! Weit über ein Jahr hinaus hast Du Dich mir entzogen, und nicht einmal schreiben durfte ich Dir. Bisweilen glaubte ich, ganz vergessen zu sein.“

Hedwig lächelte, noch durch Thränen. „Nein, Oswald, das hast Du nicht geglaubt. Du wußtest ja, daß ich ebenso schwer unter dem nothwendigen Schweigen gelitten habe wie Du, aber ich war dieses Schweigen dem Andenken Edmund's und dem Schmerze seiner Mutter schuldig. Du hast sie ja gesehen bei der Ankunft, und ihr Anblick wird Dir erklärt haben, weshalb ich nicht den Muth hatte, glücklich zu sein, so lange ich an ihrer Seite war.“

„Sie ist allerdings furchtbar verändert. Der Aufenthalt im Süden hat also gar keine Besserung gebracht?“

„Nur einen Aufschub. Ich fürchte, sie kam nur, um hier zu sterben.“

„Ich wußte es, daß sie den Schlag nicht überwinden würde,“ sagte Oswald. „Weiß ich doch, was Edmund mir war – wie viel mehr der Mutter!“

Hedwig schüttelte leise das Haupt. „Den Schmerz lernt man tragen, und er mildert sich mit der Zeit, aber was an diesem Leben nagt, das ist etwas so Ruheloses, so qualvoll Verzehrendes, daß ich bisweilen versucht bin, es für eine – Schuld zu halten.“

Oswald schwieg, aber die finstere Wolke auf seiner Stirn gab die Antwort, die er schuldig blieb.

„Du hattest mir bei unserer Abreise das Versprechen abgenommen, nicht mit Fragen und Bitten in die damals schon todtkranke Frau zu dringen,“ fuhr das junge Mädchen fort. „Ich habe es gehalten und mit keinem Worte das berührt, was doch so schwer auf mir lag. Es ist mir so Vieles dunkel und räthselvoll in Dem, was dem Tode Edmund's voranging und was ihm folgte. Ich ahne nur das Eine – daß er den Tod gesucht hat. Warum? Das ist mir ein Geheimniß geblieben, bis zu dieser Stunde. Aber zwischen uns darf sich das nicht auch drängen, Oswald! Du mußt mir antworten, wenn ich Dich jetzt bitte, mir die Wahrheit zu sagen. Auf Deiner Stirn dulde ich diese finsteren Wolken nicht.“

Hier konnte sie bitten, mit der ganzen Innigkeit und der ganzen Macht der Liebe, und hier war sie auch ihres Sieges gewiß. Oswald zog sie fester in seine Arme.

„Nein, meine Hedwig! Zwischen uns darf nichts liegen; da muß Alles klar und offen sein. Aber nicht jetzt und nicht hier kann ich Dir dieses unselige Gewebe von Schuld und Verhängnis enthüllen. Meiner Braut kann ich es noch nicht sagen. Wenn Du erst mein Weib bist, sollst Du erfahren, was Edmund in den Tod getrieben hat, und was die Mutter jetzt unaufhaltsam ihm nachzieht. Der dunkle Schatten gehört nicht in das Glück dieser Stunde, von der ich oft geträumt, von dem Augenblicke an geträumt, in dem sich dieses Antlitz zum ersten Male mir entschleierte, da Du mitten im Schneesturme plötzlich vor mir standest wie ein lebendig gewordener Frühlingstag mit all seinen Verheißungen von Leben und Glück. Damals durfte ich ja nicht hoffen, daß sie sich je erfüllen würden.“

Hedwig blickte zu ihm auf. Sie hatte das alte, neckische Lächeln doch noch nicht verlernt; es spielte jetzt wieder um ihre Lippen mit seinem ganzen bezaubernden Reize, als sie erwiderte:

„Weshalb denn nicht? Es war ja ein Frühlingssturm, in dem wir uns zum ersten Male begegneten, und hier, an dieser Stelle, habe ich es Dir zugerufen, als Du so düster von dem Leben und der Vergangenheit sprachest: 'Es wird doch endlich Frühling.'“

Wie eine Antwort tönte der leise, grüßende Ruf der Schwalben nieder, die um die Höhe flatterten, wie damals im Nebelgeriesel. Aber heute tauchten sie ihre Schwingen in vollen Sonnenschein. Sie hoben sich hoch und immer höher, bis sie verschwanden in dem unabsehbar tiefen Blau des Frühlingshimmels. Die kleinen geflügelten Boten, die der Erde nach langen Winterträumen die Verheißung von neuem Licht und Leben bringen, sie hatten diesmal nach langem Sehnen und Ringen einen Lebensfrühling gebracht.




Blätter und Blüthen.

„Noblesse oblige“– „Adel verpflichtet“. (Siehe Abbildung, Seite 557.) Unser Künstler stellt uns ein Stückchen Thierfabel dar, die uns ebenso ein Beispiel von der so oft beobachteten und bewährten Freundschaft der Thiere, wie auch einen Act der Großmuth des Starken gegenüber dem Schwachen, des Großen gegen den Kleinen vor Augen stellt. Das stolze Roß schaut ruhig zu, wie der Haushahn ihm die Körner seines Lieblingsmahles wegpickt, und der Hahn, der uns in etwas jugendlichem Alter zu stehen scheint, behauptet seinen Posten mit der Würde, die ihm als absolutem Hofherrn angeboren ist. Ein Kampf zwischen beiden ist nicht zu befürchten, da Jeder von ihnen dazu sich selbst viel zu hoch achtet. Die Thierfabeln sind zur Belehrung der Menschen gedichtet und gemalt; es wäre schön, wenn die Menschen von so klugen Thieren manchmal etwas lernen möchten.




Reclame. Eine seit einiger Zeit in allen Zeitungen auftauchende Annonce lautet: „Pyrogramm. Die interessanteste Erfindung der Neuzeit. Die wunderbaren Glimmbilder. Diese neueste epochemachende, in den meisten Ländern bereits geschützte Erfindung übertrifft alle in der Neuzeit bekannt gewordenen Unterhaltungsspiele und ist die interessanteste Zerstreuung für Jung und Alt.“ Der ganze „Zauber“ besteht darin, daß auf einem rosenfarbigen Octavblatt mit chromsaurem Ammoniak oder einem andern chromsauren Salze die Umrisse eines Thieres oder sonst einer Figur aufgedruckt sind, denen ein mit einer Lunte eingebrannter Funken folgt, bis das ganze Bild aus der Fläche herausgesengt ist. Die „epochemachende“ Seite dieser Erfindung vermögen wir nicht einzusehen; man wird des Spiels im Gegentheil überdrüssig, ehe man noch das letzte der zehn Blätter, welche das Paket enthält, verbraucht hat. Viel hübscher ist das bereits vergessene „Graswachsenlassen“, welches ebenfalls aus verglimmendem mit chromsaurem Ammoniak getränktem Fließpapier besteht, das sich dabei in zarte grüne Fäden wie frisches Gras zertheilt.




Ein Deutscher, welcher sich „Anton Assadaly“ nannte und im Jahre 1868 in der Armee der Vereinigten Staaten und zwar im 7. Cavallerieregiment diente, blieb in der Schlacht bei Big Horn, in welcher die Hälfte des Regiments mit dessen Obersten von den Indianern niedergemetzelt wurde, ebenfalls auf dem Feld der Ehre. Er hinterließ eine Baarschaft von 250 Dollar (über 1000 Reichsmark), für welche von dem schwedisch-norwegischen Viceconsul, Herrn H. Sahlgaard in St. Paul (St. Minnesota), die wahrscheinlich in Deutschland wohnenden Erben gesucht werden. Möchten diese, falls sie sich finden, die Vermittelung der eben angegebenen St. Paul-Adresse in Anspruch nehmen!



Kleiner Briefkasten.

G. St. in Schweinfurt. Sie haben bei gewitterhafter Luft von den Baumwipfeln einer im Maine liegenden Insel braunschwarze Rauchsäulen aufsteigen sehen und fragen, ob das wohl Elmsfeuer gewesen sein könnten. Wir glauben dies nicht; denn Elmsfeuer sind am Tage entweder völlig unsichtbar oder schwach leuchtend, wenn der Wolkenschatten stark genug ist; wahrscheinlich handelte es sich um Insectenschwärme, die aus der Ferne leicht das Aussehen eines bräunlichen Rauchwölkchens annehmen.

H. H. in Wellington, New-Seeland. Da die Ameise auch Emse heißt, so schreibt man ebenso richtig „emsig“ wie „ämsig“, welch letzteres Wort erst als eine Zusammenziehung von „ameisig“ erklärt werden müßte.

F. S. Fr. O. Ungeeignet.

Ernst K. in Riga. Natürlich der General.

Johanna in Prag. Schwindel.

Ein Abonnent der „Gartenlaube“. Es ist wiederholt und deutlich an dieser Stelle ausgesprochen worden, daß anonyme Einsendungen keine Beachtung finden, da die Redaction stets wissen muß, mit wem sie es zu thun hat. Darauf muß aber noch weit entschiedener gedrungen werden, wenn es sich um „das Annehmen eines Kindes“ handelt. Wie sollen wir Ihnen das Schicksal eines Kindes anvertrauen, wenn Sie uns nicht einmal Ihren Namen anvertrauen wollen?



Verantwortlicher Redacteur Dr. Ernst Ziel in Leipzig. – Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1880). Leipzig: Ernst Keil, 1880, Seite 560. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1880)_560.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)