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Verschiedene: Die Gartenlaube (1880)



Zum Gedenktage von Sedan.
2. September 1870. – 2. September 1880.

Zu Sedan auf der Aue
Wie war das Gras so roth!
Da lag im Abendthaue
Manch Deutscher bleich und todt.

5
Die tapfre Brust durchschossen,

Die Lippe starr und stumm –
Wer da sein Blut vergossen
Der wußte wohl warum.

Für’s höchste Gut in Wehre

10
Das ganze Deutschland stand,

Für unsers Volkes Ehre,
Für’s heil’ge Vaterland,
Für’s Liebste, das die Erde
Uns hegt in weitem Rund,

15
Für’s theure Weib am Herde,

Für zarten Kindermund!

Zu Sedan auf der Aue,
Da brannte wild die Schlacht,
Und Wilhelm Rex, der graue,

20
Er führte Deutschlands Macht;

Er führte, blutberonnen,
Die Wackern all’ in’s Feld –
Da wichen die Colonnen
Vor dir, o Preußenheld.

25
Und das in vor’gen Tagen

Mit Donner und mit Blitz
Europas Kraft geschlagen,
Das Heer von Austerlitz –
Nun trag es schwere Fessel

30
Auf Sedans rothem Gras:

Gefangen lag’s im Kessel
Im grünen Thal der Maas.

Zu Sedan auf der Aue
Zerbarst des Corsen Thron –

35
Da scholl’s durch Deutschlands[WS 1] Gaue

In lautem Jubelton:
Daß groß wir wieder worden
Und einig stark zugleich,
Stark von der Ostsee Borden

40
Bis in der Alpen Reich.


Geeinigt nun im Kampfe,
Mein Volk, vergiß es nie,
Daß dir im Schlachtendampfe
All’ Glanz und Ruhm gedieh!

45
Wohl lag im Abendthaue

Manch Deutscher bleich und todt –
Zu Sedan auf der Aue,
Da war das Gras so roth.

Ernst Ziel.




Am Meer.
Aus den Papieren eines Arztes von C. Lionheart.
(Fortsetzung)

„Bist Du mir noch gut, Johannes?“ fragte Ina schmeichelnd, wie ein verzogenes Kind, das sich seiner Macht bewußt ist.

„Gewiß,“ sagte ich ernst. „Daß ich Dein Freund, Dein treuer hülfbereiter Freund immer bleiben werde, habe ich dies nicht durch die Eile bewiesen, mit der ich Deinem Rufe folgte?“

„O ja,“ sagte sie gedehnt. Dann schwiegen wir Beide eine Weile. „Du bist mir doch böse,“ schmollte sie plötzlich; „ich sehe es Deinem bärbeißigen Gesicht an, wenn Du auch noch so energisch den Kopf schüttelst. Wärst Du sonst so frostig und reservirt gegen Deine kleine Ina gewesen?“

„Sei doch vernünftig!“ sagte ich etwas ungeduldig. Der kindliche Unverstand der Frau von siebenundzwanzig Jahren fing an mich zu verdrießen. „Die Verhältnisse sind ja ganz verändert – wir müssen ihnen Rechnung tragen.“

„O, dann hast Du mich nie wahrhaft geliebt,“ brauste sie auf und trat hart auf das Parquet.

„Sollte ich etwa mein halbes Leben hindurch Trauer anlegen, weil eine gewisse junge Dame den reichen, adeligen Grundbesitzer dem jungen Arzt vorzog?“ fragte ich ruhig.

„O, ich war so arm,“ entschuldigte sie sich, „und Tante drang so sehr in mich, daß ich – – Rochus war in mich verliebt und –“

„Gieb Dir keine unnöthige Mühe!“ unterbrach ich sie gleichmüthig (ich wunderte mich selbst, daß ich dieser verführerischen Sirene gegenüber Herr der Situation blieb). „Es ist für uns Beide vielleicht das Beste gewesen, daß es so kam. Du vornehme Treibhausblume paßt nur auf die sonnigen Lebenshöhen, mein Weib aber müßte auch in den Tiefen des Lebens, in den Abgründen der Noth und des Elends, zu denen mein Beruf mich oft genug hinabzusteigen zwingt, standhaft neben mir Schritt halten.“

„Und doch,“ lispelte sie, „doch, Hans, wollte ich Dich eben fragen, ob ich Dir nichts mehr sein kann, ob Du mich mit Dir nehmen willst?“

„Baronin!" rief ich empört.

Einen Augenblick starrte sie mich groß und erschrocken an.

„Hans, bitte, bitte, nimm mich mit Dir!“ – sie sagte es unruhig und angstvoll. Spielend hatte sie alle Hindernisse wegzuräumen geglaubt: der dumme, immer dienstbereite Hans, meinte sie, müsse hochbeglückt das Taschentuch aufnehmen, das ihrer überlegenen Laune heute gefiel ihm huldvoll zuzuwerfen. Aber der Hans von heute that merkwürdiger Weise nichts von alledem. Die kleine schlaue Person mochte ihm das vom Gesicht lesen und auch vielleicht noch etwas mehr, daß er nämlich anfing sich zu schämen, dieser Frau früher die besten Gefühle seiner Brust geweiht zu haben. Ina Bassowitz war ohne Zweifel eines jener Geschöpfe, die blitzartig erfassen und mit feinem Verstande den Andern schnell durchschauen. Nachdem sie entdeckt hatte, daß die Maschen des

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Deuschlands
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1880). Leipzig: Ernst Keil, 1880, Seite 561. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1880)_561.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)