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Verschiedene: Die Gartenlaube (1880)


bestrebt und bereits seit einigen Jahren auf ihrer ersten Niederlassung in der Provinz Deli auf Sumatra thätig ist.

Eine planmäßige Colonisation, wie die genannte Gesellschaft sie beabsichtigt, ist gewiß ein rühmliches und wirthschaftlich wichtiges Unternehmen, und wollte Gott, daß in unserem Vaterlande sich ebenfalls Leute finden möchten, welche dem Beispiele des Herrn Brau de Saint Pol-Lias nacheiferten; denn eine Betheiligung von Deutschen an dem französischen Unternehmen, wie sie der genannte Herr allerdings wünscht, möchte sich doch wohl aus naheliegenden Gründen verbieten.

Wir gedenken schließlich noch eines auf dem Congresse gemachten Vorschlages bezüglich der Einrichtung von Conseils d'emigration in allen Ländern.

Wo wäre ein solcher Auswanderungsrath wohl mehr am Platze, als gerade in Deutschland, dessen starke Auswanderung sich bisher in bedauernswerther Weise zersplittert und völlig derjenigen Leitung entbehrt hat, welche nöthig ist, um sowohl die Wohlfahrt der Auswandernden, wie die wirthschaftlichen Interessen der Heimath in der Weise zu wahren, daß die Arbeit unserer ausgewanderten Landsleute so viel wie möglich dem Vaterlande dienstbar gemacht wird! Leider haben wir in Deutschland bisher vergeblich auf die Ausführung jenes hochwichtigen Vorschlages des Pariser Congresses gewartet.

Wir sehen hier davon ab, die Thätigkeit der ausländischen handelsgeographischen Vereine, sowie die des im vorigen Jahre stattgehabten internationalen handelsgeographischen Congresses zu Brüssel des Näheren zu besprechen; dieser Aufsatz soll sich wesentlich mit der uns zunächst angehenden Wirksamkeit der deutschen Gesellschaft für Handelsgeographie beschäftigen, von deren Begründung die „Gartenlaube“ seiner Zeit ihren Lesern einen kurzen Bericht erstattet hat (vergl. 1879, Nr. 15 unter „Blätter und Blüthen“).

Es bestand schon vor Jahren eine Gesellschaft für Handelsgeographie in Stettin, aber sie widmete sich vornehmlich der Pflege localer Interessen. Wohl sind Männer, wie der rühmlichst bekannte Kartograph Dr. Henry Lange, der kürzlich verstorbene Altmeister der Geographie Professor Wappäus, Dr. E. Friedel, Begründer des märkischen Provinzialmuseums, der Afrikareisende Dr. O. Kersten, Franz Maurer und Andere schon vor vielen Jahren der Frage näher getreten, wie der Ueberschuß unserer Volkskraft, die deutsche Auswanderung, zu Nutz und Frommen des Vaterlandes verwerthet werden könne, aber ihre Bemühungen, den Strom der deutschen Auswanderung in richtige Bahnen zu lenken, blieben erfolglos, ja es wurde ihnen sogar eine hartnäckige und gehässige Opposition bereitet. Erst im letzten Jahrzehnt, nachdem der Milliardenrausch vorüber und der Alp der wirthschaftlichen Krisis immer schwerer auf Handel und Wandel zu lasten begann, wurden die Stimmen lauter und lauter, welche tadelnd beklagten, daß die Regierung des deutschen Reiches der Förderung deutscher Interessen auf dem Gebiete des Welthandels und der Auswanderung zu wenig Aufmerksamkeit zuwende. Als nun gar in den Ländern lateinischer Zunge handelsgeographische Vereine in’s Leben gerufen wurden und in dem Pariser Congresse einen Ausdruck ihrer großen wirthschaftlichen Bedeutung fanden, da konnte es auch in Deutschland nicht schwer halten, eine ähnliche, auf dem Princip der Selbsthülfe beruhende Vereinigung anzubahnen und die Ideen zu verwirklichen, welche die ebengenannten Männer seit vielen Jahren angeregt hatten.

Nach langen Vorberathungen, die schon vor dem Pariser Congresse begannen, erfolgte im November 1878 in Berlin die Gründung eines Vereins, für den zunächst die Bezeichnung „Centralverein für Handelsgeographie, Auswanderung und Colonialpolitik“ in Aussicht genommen wurde, der sich aber thatsächlich, nachdem man, um Mißdeutungen vorzubeugen, von diesem Namen Abstand genommen, als „Centralverein für Handelsgeographie und Förderung deutscher Interessen im Auslande“ constituirte. Zum ersten Vorsitzenden desselben wurde Dr. Jannasch, Mitglied des kaiserlichen statistischen Bureaus, zum zweiten Vorsitzenden Dr. Henry Lange und zum Schriftführer Dr. O. Kersten gewählt. Den Statuten zufolge erkennt es der Verein als seine Aufgabe, einen regen Verkehr zwischen den im Auslande lebenden Deutschen und dem Mutterlande anzubahnen und zu unterhalten, sowie über die Natur- und die gesellschaftlichen Verhältnisse der Länder, wo Deutsche angesiedelt sind, Aufklärung zu gewinnen und zu verbreiten. Auf Grund der genommenen Kenntnisse des Auslandes ist er bestrebt, die Auswanderung nach den Ländern zu fördern, welche der Ansiedelung Deutscher günstig sind und in welchen das deutsche Volksbewußtsein sich lebendig zu erhalten vermag. Der Verein hofft durch Errichtung von Handels- und Schifffahrtsstationen die Begründung deutscher Colonien bewirken zu können. Er erkennt in der Förderung der Handelsgeographie eine seiner hauptsächlichsten Aufgaben und unterhält zu diesem Zwecke mit deutschen und ausländischen handelsgeographischen Vereinen einen freundschaftlichen Verkehr.

Zur Erleichterung der Geschäftsführung errichtet der Verein ein ständiges Bureau, welchem, unter Leitung und Mitwirkung des Vorstandes, die Aufgabe zufällt, über deutsche Ansiedelungen im Auslande Auskunft zu ertheilen, über dieselben fortlaufende Berichte zu veröffentlichen, Auswanderern und im Auslande befindlichen Deutschen wirksamen Rechtsschutz zu verschaffen, Auswanderungslustige mit den Schwierigkeiten und Gefahren, welche ihrer harren, bekannt zu machen, Verbindungen für wissenschaftliche, wie Handelszwecke anzubahnen und zu unterhalten, eine Bibliothek anzulegen und zu verwalten, Vorträge zu veranstalten, das Studium der Colonialpolitik anderer Staaten zu veranlassen, insbesondere aber in jeder Weise die Bestrebungen des Vereins zu bethätigen.[1]

Wir brauchen die Wichtigkeit dieser Bestrebungen nicht noch einmal hervorzuheben, die hier mitgetheilten Sätze aus den Statuten sprechen sie deutlich genug aus, und die Erfolge, welche der Verein in der kurze Zeit seines Bestehens errungen, haben ihm bereits einen ehrenvollen Platz unter den geographischen Vereinen Deutschlands gesichert. Aus der Mitgliederliste ersehen wir die Namen sehr hervorragender Männer und Corporationen, die zum Theil mit sehr hohen Beiträgen betheiligt sind und ebenso dem Gelehrten-, dem Militär- und dem Beamtenstande, wie dem Stande der Kaufleute und der Fabrikanten angehören. Nicht allein über ganz Deutschland vertheilen sich die Vereinsmitglieder, deren Gesammtzahl bereits auf circa 1500 gewachsen ist, sondern es giebt deren in den entferntesten Theilen der Erde. In Brasilien bestehen z. B. schon acht Zweigvereine, nämlich in Porto Alegre, Rio Grande, São João de Montenegro, Santa Cruz, Pelotas, Joinville, Santa Leopoldina und Mont-Alverne; in Sidney wurde während der gegenwärtigen Weltausstellung daselbst ebenfalls ein solcher in's Leben gerufen, und manche andere sind in der Gründung begriffen.

Im Leipziger Zweigverein war es, wo ein Mitglied, Herr Dr. E. Jung, welcher mit den australischen Verhältnissen vertraut ist, als der Erste energisch auf die Wichtigkeit der Beschickung der Weltausstellungen von Sidney und Melbourne seitens der deutschen Industrie hinwies, und der Verein beschloß, durch ein von genanntem Herrn zu verfassendes Flugblatt die industriellen Kreise Deutschlands, sowie die Handelskammern für das Project zu interessiren. Der Berliner Centralverein, sowie die Reichstagsabgeordneten Stephani und Witte traten in richtiger Würdigung der Wichtigkeit dieser Angelegenheit energisch für dieselbe ein, und so erfolgte denn seitens der Reichsregierung die Bewilligung von 200,000 Mark für die officielle Beschickung der Ausstellung in Sidney. Ueber 700 deutsche Aussteller betheiligten sich an derselben, und trotz der Kürze der Zeit, welche ihnen bis zur Absendung ihrer Producte verblieben war, haben sie doch so Vorzügliches geleistet, daß der zum Reichscommissar für die australische Weltausstellung ernannte Geheime Rath Reuleaux, dessen hartes Urtheil über Deutschlands Industrie-Erzeugnisse auf der Weltausstellung von Philadelphia noch nicht vergessen ist, melden konnte: „Die Scharte von Philadelphia ist ausgewetzt.“

Auch den politischen und Handelsverhältnissen auf den Samoa- oder Schifferinseln schenkte der Centralverein ein reges Interesse, wozu er besonders durch die Berichte veranlaßt wurde, welche ihm seine Mitglieder Capitain zur See Freiherr von Schleinitz, Capitain-Lieutenant Darmer und Andere, sowie auch der Zweigverein Sidney über jene ferne Inselgruppe zugehen ließen. Auf Grund dieser Berichte, welche sich in den Vereinsschriften veröffentlicht finden, glaubte er die patriotische Pflicht zu haben, für Erhaltung der Godeffroy'schen Plantagenunternehmungen auf den

  1. Wir weisen die Aufmerksamkeit unserer Leser auf vorstehenden Passus ganz besonders hin. Möchten sie, im Fall der Eine oder der Andere einmal über Auswanderungs-Angelegenheiten Auskunft zu haben wünscht, das genannte Bureau direct, statt auf dem Wege unserer Vermittlung interpelliren! Uns und ihnen wird damit Zeit gespart werden.
    D. Red.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1880). Leipzig: Ernst Keil, 1880, Seite 587. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1880)_587.jpg&oldid=- (Version vom 14.9.2022)