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Verschiedene: Die Gartenlaube (1880)


knusprig gebräunten Söhnen wurde vom Erdenbeherrscher die höchste Gunst beschieden.“ Hiermit endete Pa Idja seine Erklärung über den Unterschied der menschlichen Hautfarbe; ich habe dieselbe so wiedergeben, wie er sie mir erzählte. Sein Glaube daran war unerschütterlich.

Da meine botanische Ausbeute hier ziemlich reichlich war, trug ich meinem Wirthe auf, mir einen mit der Umgegend vertrauten Mann zu verschaffen, welcher mich neben meinen Bedienten auf meinen Excursionen begleiten sollte. Als ich den folgenden Morgen aus der Thür meines Wohnhauses trat, kauerte vor der Verandatreppe ein ältlicher Javane, welcher sich als der von mir gewünschte Führer präsentirte. Sariman war sein Name, und durch einen großen Strauß prächtiger Blumen suchte er sich eine günstige Einführung zu verschaffen. Wir wurden bald handelseins. Verschiedene Tage waren wir schon zusammen durch Feld und Wald gestreift und stets war mein Begleiter dabei voll munterer Laune gewesen, bis ich endlich eine Abnahme seiner Redseligkeit und einen traurigen Zug in seinem biederen Gesicht bemerkte.

„Sariman, was fehlt Dir? Beichte schnell; denn dein melancholisches Gesicht wird mir langweilig.“

Vergeblich bemühte sich Sariman, höchst fidel aus den Augen zu sehen; die tiefe Schwermuth schimmerte durch, und erst nach vieler Mühe gelang es mir, ihn zur Erzählung einer Geschichte zu bewegen, die hoffentlich den Lesern der „Gartenlaube“ so viel Spaß machen wird, wie sie mir selber zur Zeit bereitet hat, wenn auch für mich die Folgen keine angenehmen waren.

„Hier unten in dem Dorfe,“ so begann Sariman, „wohnte mein bester Freund mit Namen Wirodrono; er hielt mit seiner Frau zusammen einen kleinen Kaufladen, in welchem gebackene Pisang, Reis, Fisch und andere Nahrungsmittel verkauft wurden. Wir kamen alle Abende zu einander, um Lieder zu singen oder über das Wachsthum der Reisfelder zu sprechen; nie hatten wir Streit und unseren Frauen war diese Freundschaft angenehm. Vor vierzehn Tagen starb Wirodrono; ich hüllte den Todten in ein reines Kleid, trug die Leiche mit nach dem Begräbnißplatz und fertigte selbst das Bambusgitter über seinen Ruheplatz an; auch genug Reis mit Fisch sowie kupfernes Geld habe ich ihm für die Reise mitgegeben; kurzum ich erfüllte meine Freundschaftspflicht. Was geschah aber jetzt! O, es ist nicht zu glauben, und ich hätte es nie von Wirodrono gedacht. Schon früher habe ich Euch erzählt, Herr, daß ich 500 Schritte vom Dorf entfernt, links wo der kühle Bach zuerst sein Wasser an unsere Reisfelder abgiebt und wo die drei großen Waringibäume stehen, einen kleinen Garten habe, welcher mir die großen süßen Kartoffeln, Bohnen, Zwiebeln etc. liefert, deren Wohlgeschmack Ihr ja auch stets gepriesen habt. Vor einigen Tagen gehe ich in den Garten, um die reifen Früchte zu pflücken. Was sehe ich aber da? Alles durcheinander gewühlt und zerstampft, die besten Kartoffeln zerbissen und aus dem Grunde geholt! Ich warf mich zur Erde, raufte meine Haare und zürnte mit mir, weil ich vielleicht etwas gethan hatte, wofür dies eine Strafe sei. Aber nichts Böses war ich mir bewußt. Da fallen meine Augen auf die Spuren eines Thieres, und mit leichter Mühe entdecke ich, daß ein wildes Schwein der Zerstörer meines Gartens war. Noch denselben Abend stellte ich mich auf die Lauer, um das boshafte Thier mit meiner Lanze zu tödten; lange brauchte ich nicht zu warten – da hörte ich ein schweres Grunzen und den Bach herauf direct nach meiner Anpflanzung kam ein großer wilder Eber. Schon fasse ich die Lanze fest zum tödtlichen Stoß, da lähmte ein plötzlicher Schreck meine Glieder; denn in dem Eber, dem verruchten Schänder meines Eigenthums, erkannte ich meinen alten Freund Wirodrono. Ja, Herr, es war mein verstorbener Freund Wirodrono in Gestalt eines wilden Schweines.“

„Bist Du denn vollkommen verrückt, oder hat die Opiumpfeife Deine Sinne so umnebelt, daß Du ein Schwein für einen Menschen ansiehst?“ So fragte ich laut und lachend. Aber die kummervolle Miene meines Sariman bewies mir, daß der unter den Javanen noch allgemein verbreitete Glaube der Seelenwanderung an ihm einen gehorsamen Jünger hatte. Es sind dies noch Ueberbleibsel der früheren Brahminen-Herrschaft, und unter der achtzehn Millionen zählenden Bevölkerung Javas sollen nur sehr wenige sein, welche nicht an den Einfluß böser Geister glauben und trotz ihres mohammedanischen Glaubens nicht fest von dem Bestehen einer Seelenwanderung überzeugt sind.

Alle Versuche meinerseits, um Sariman von dieser absurden Vorstellung abzubringen, blieben erfolglos, und einigermaßen gekränkt durch meine Ungläubigkeit, berief er sich auf das Zeugniß meines Wirthes und noch mehrerer Dorfbewohner, welche gestern Abend gleichzeitig mit ihm nach dem Garten gegangen seien und einstimmig in dem Eber den alten Wirodrono erkannt hätten.

„Sariman,“ sagte ich endlich, „ich kannte Deinen alten Freund nicht, aber aus Deinen Erzählungen kann ich mir sehr gut eine Vorstellung von ihm machen. Laß uns heute Abend nach Deiner Anpflanzung gehen – da werden wir ja sehen.“

In meiner Wohnung befragte ich sofort den Wirth Pa Idja über das Gehörte, aber auch dieser Biedermann bestätigte mir mit der aufrichtigsten Miene, daß der alte Wirodrono in Gestalt eines wilden Schweines wieder in seine Heimath gekommen sei. Vor allen Dingen berief er sich auf drei Kennzeichen: die volle Brust mit grauen Haaren, die Ohren und namentlich die Augen. Die Augen – die Ähnlichkeit sei gar nicht zu leugnen und das ganze Dorf könne seine Worte bestätigen. Die angeführten Beweise, hauptsächlich was die Augen betrifft, konnten einen Schein von Annehmbarkeit haben; ich kann mir’s wenigstens denken, daß so einem alten grauen Javaner, besonders wenn ihm der Opiumgenuß nicht fremd ist, der Vergleich seiner Sehorgane mit einem schiefgeschlitzten Schweinsauge nicht allzu seltsam erscheinen mag; auch die Brust voll grauer Haare und die Ohren will ich noch passiren lassen, aber der Leib mit den vier Pfoten? Nein, das war doch zu arg.

Der Abend kam, und in Begleitung Sariman’s machte ich mich auf den Weg. Um den alten Wirodrono in Schweinsgestalt nicht zu verscheuchen, nahm ich verdeckte Aufstellung hinter einem dicken Waringibaume und erwartete den Aufgang des Mondes, die gewöhnliche Zeit, um welche das wilde Schwein kommen sollte. Sariman kauerte auf inländische Manier an dem Eingange seines Gartens, neben sich einige gebackene Pisange, durch welche er den ungebetenen Gast von der Zerstörung des Gemüses abzuhalten gedachte. Mein Standplatz war so gewählt, daß ich den Aufgang des Mondes nicht sehen konnte. Als er jedoch erschien, breitete er die volle Macht seines Zaubers über die tiefe Stille der wunderbar schönen, bisher in Dunkel gehüllten Landschaft. Nun gab auch Sariman bald das Zeichen, daß der erwartete Gast sich pünktlich einstelle. Gespannt schaute ich hinter meinem Baume hervor, und wirklich – das prächtigste Wildschwein, welches je ein Jägerauge erschaute, präsentirte sich meinen Blicken, ein echter alter Bursche mit grauer Brust und blinkenden Hauern. Von der Anwesenheit des Garteneigenthümers schien er nicht die geringste Notiz zu nehmen. Behaglich grunzend durchwühlte er mit dem breiten Rüssel die wohlgepflegten Anpflanzungen; von den gebackenen Pisangen, welche ihm Freund Sariman zuwarf, wollte er durchaus nichts wissen; links, und rechts flogen Erdklumpen in die Höhe und krachten Bohnenstangen; mit dem größten Appetit zermalmte er die süßen Kartoffeln und hatte für alle von Sariman in den flehendsten Worten an ihn gerichteten Ermahnungen ein taubes Ohr. Endlich verließ diesen aber die Geduld; laut scheltend über die Zerstörung seines Eigenthums, nahm er einige Steine und warf dieselben dem alten Freunde gegen den borstigen Leib, wodurch das Thier sich in der That bestimmt fühlte, den Schauplatz zu verlassen. Ich bemerkte gerade noch, wie es, vergnügt mit dem zierlich geringelten Schwänzlein wedelnd, sich durch die Umzäunung drängte und, den Bach durchstampfend, am Buschrande verschwand. Mein ihm nachgerufenes „Auf Wiedersehen!“ war vollständig ernstlich gemeint.

Während des Nachhausegehens nach dem Zusammentreffen mit Wirodrono-Wildschwein nahm ich mir denn auch fest vor, den ferneren Zerstörungen Einhalt zu gebieten. Wildschweinsbraten habe ich von jeher gern gegessen, und den Genuß der gepriesenen jungen Bohnen und Kartoffeln wollte ich auch nicht entbehren. Sariman verschwieg ich wohlweislich meine Absicht und sandte ihn nur gegen vier Uhr Nachmittags mit einem Briefe nach der drei Stunden entfernten Poststation. Gegen meinen Wirth hatte ich nebenbei geäußert, daß ich diesen Abend ohne Diener auf die Hirschjagd gehen wolle.

Wie den Abend zuvor, stand ich auch dann wieder hinter dem Waringibaume, um die Ankunft des Ebers zu erwarten; nur hatte ich heute mein Gewehr bei mir. Langes Warten war nicht

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1880). Leipzig: Ernst Keil, 1880, Seite 739. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1880)_739.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)