Seite:Die Gartenlaube (1880) 855.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1880)

Gegen alles Erwarten zeigen jene schwarzen, krauswolligen Naturkinder eine räthselhafte Abneigung gegen glänzende Perlen. Ja, man sieht sich in Venedig gezwungen, für Afrika den natürlichen Glanz, den alles Glas nach dem Erkalten zeigt, durch Mattschliff zu entfernen. Das ist zweifellos ein vornehmer Zug in ihrem Geschmack. Das Glänzende hat stets etwas Grelles; es gefällt wohl, aber es wirkt auf die Dauer nie behaglich.

Wie schon angedeutet, ist der Lohn dieser Perlenarbeiter und Arbeiterinnen ein kärglicher; nur die geschicktesten erfreuen sich auskömmlichen Verdienstes. Die meisten Frauen bringen es für den Tag kaum auf einen halben Papierfranken, und die kirchlichen Fastengesetze sind ihnen gegenüber leider völlig überflüssig; sie fasten eben vom Aschermittwoch ab bis wieder zum Aschermittwoch. Selbst die Polenta, jenes frugale italienische Nationalgericht, ist für sie nur ein Sonntagsmahl; in der Woche hat ihnen der Himmel den Tisch nur mit Feldrüben gedeckt, wie man sie in den Gassen Venedigs auf offenem Herd zu ganzen Bergen kochen und an Ort und Stelle verzehren sieht.

Und doch bereiten diese Leutchen der Welt so vieles Vergnügen! – Aber ein altdeutsches Volkswort sagt schon:

„Dem Einen die Mühe,
Dem Andern die Brühe!“

Th. Gampe.




Altdeutsche Weihnachtsbräuche.

Wenn mit dem für unser Auge immer kürzer werdenden Sonnenbogen die Zeit der von Wolken und Nebeln schwer verhangenen Tage und der langen Nächte herannaht, beginnt zuerst fern, darauf näher und näher durch das winterliche Düster lichter Glanz wie eine frohe Verheißung zu uns herüber zu leuchten, bis er endlich in strahlender Helle als Weihnachtsfest Haus und Herz erfüllt. Doch der Glanz des Festes spiegelt sich nicht allein in den frohen Augen der Kleinen, uns Allen weckt er die eigene Jugend, und im Schimmer der Kerzen taucht wie ein Bild aus fernen Welten das Heim von damals, das treue Antlitz der Eltern, die Erinnerung an Dies und Das, Kleines und Großes auf.

Bei dieser Erinnerung an unsere eigene Jugend wollen wir heute aber nicht stehen bleiben, sondern weiter zurückgehen, in graue Vergangenheit – zur Jugendzeit unseres ganzen Volkes, das, als ihm die alten Götter noch lebendig waren, um die nämliche Zeit das Julfest, das Fest der Sonnenwende, das heiligste des Jahres, feierte.

In dem Bilde, das wir von unserem Weihnachtsfeste in uns tragen, ist Licht und Glanz das vor Allem Charakteristische; ganz dasselbe ist beim Julfeste unserer Vorfahren der Fall; wenn auch statt des milden Kerzenscheines im traulichen Hause die helle Lohe mächtiger Opferfeuer zwischen den Eichenwipfeln des heiligen Haines emporschlägt, Licht ist auch hier der Gedanke, der Alles erfüllt.

Das Gefühl, daß von der Licht- und Wärmequelle, welche unser Erdball umkreist, alles Sein und Werden abhängt, durchdringt ahnungsvoll Glauben und Sagen aller Völker, läßt sie das Licht mit allem Guten und Schönen, das Dunkel mit allem Uebel verbinden. Ja, die ursprünglichen Laute, welche heute in unserem Munde den Zeitraum zwischen Sonnenuntergang und Sonnenaufgang bezeichnen und im Namen unseres Festes selbst wiederkehren: Nacht – sie drückten einst, als unsere Vorfahren noch im fernen Asien saßen, nur „das Verderbliche“ aus, und dieser Begriff verband sich allmählich mit demjenigen der dunklen Zeit, wo das Raubthier die Höhle verläßt und böse Mächte frei werden. Wie aber mußte erst der Germane aufathmen, wie mußte er dem Lichte entgegenjauchzen, wenn jene ewig lange eisige Winternacht, die fast während der Hälfte des Jahres über seinen unwirthlichen Wäldern lagerte und alles Lebendige in Banden schlug, mit den zwölf langen Nächten an der Grenze ihrer Herrschaft angelangt war, wenn die Winterriesen mit den froststarrenden Kinnbärten, unter deren Tritten das Land stöhnte, den Rückzug antraten, die Götter des Lichtes und der Fruchtbarkeit sich zur Rückkehr wandten und in der Ferne jene wärmere Zeit näher rückte, wo endlich auch der heimgekehrte Donar zum ersten Mal wieder seinen Keil donnernd in ihre Wälder schmettern würde!

In den zwölf heiligen Nächten fühlte sich der nach Licht und Wärme sich sehnende Germane seinen segenspendenden, erlösenden Göttern näher, als zu irgend einer andern Zeit des Jahres. Deshalb beging man das Fest der Wintersonnenwende auf das Feierlichste, und den Göttern wurden umfangreiche Opfer dargebracht. Es begann bei den alten Skandinaviern, und vermuthlich auch Germanen, mit der Höggunott, der Hieb-, Schlacht- und Opfernacht am 21. oder 22. December und dauerte drei Nächte, während im Lande der dreiwöchentliche Julfriede herrschte, in dem „all Fehd’ ein Ende hatte“ und sogar den Gefangenen die Ketten abgenommen wurden.

Es ist ein Bild voll düsterer Großartigkeit, das, von der Lohe riesiger Opferfeuer überleuchtet, in den schauervollen heiligen Hainen unsern Augen sich zeigt. Zwar deuten einige Ueberlieferungen auf die Existenz einzelner Tempel in Germanien hin – eigentliche echt nationale Localität des Gottesdienstes war aber der heilige Hain – wie das auch ganz im Gefühl des Germanen liegen mußte, der, in der ungebundenen Freiheit seiner Wälder lebend, hier auch seine Götter anrufen wollte. Und ehrwürdiger konnte kein Tempel sein, als ein solcher Hain von hundert-, ja tausendjährigen Baumriesen, welche ehrfurchtgebietend, sagenumwoben den Opferplatz in feierlichem Kreise umstanden. Geschmückt waren dieselben vor Allem mit den bleichen Schädeln geopferter Rosse, die im flackernden Scheine hohläugig und gespenstisch von Aesten und Stämmen niederschauen; neben ihnen hingen Trophäen, alte Steinwaffen, welchen einst der Urahn mühsam und bedächtig Gestalt verlieh, die dann manches buntbemalte Schildgeflecht zerschmetterten, und nun, im heiligen Hain aufgehängt, an die Großthaten des Stammes erinnern – ebenso erbeutetes römisches Rüstzeug, das auf die wilden Schlachten im Westen und auf das blutige Ringen mit den festgeschlossenen, erzgepanzerten Colonnen des mächtigen südlichen Volkes deutet.

Auch Zauberrunen mögen wohl eingeschnitten gewesen sein „auf die Rinde und auf den Baumast, wo gen Osten hin die Zweige wachsen.“ Zwischen den Stämmen erhoben sich hier und da auf massigen Trägern riesenhafte Hünensteine, jene gewaltigen Felsblöcke, von denen wir heute noch nicht klar wissen, wie sie bei den Hülfsmitteln jener frühen Zeiten dort hinauf gehoben wurden; daneben einzelne säulenartig aufgerichtete Riesensteine, in weitem, oft doppeltem und dreifachem Kreise umzogen von den Ringsteinen.

Von Götterbildern oder bildlichen Zeichen ist uns, namentlich aus früher Zeit, nichts Bestimmtes überliefert worden, doch werden wohl den Göttern geweihte Thiergestalten, wie der Wolf des Wuotan, der Eber des Freyr, das Schwert des Tyr, vielleicht auch das Schiff oder der Pflug der Göttin, welche Tacitus Isis nennt und deren germanischer Name verschollen ist, in schwerfälligen Nachbildungen den heiligen Hain geschmückt haben – Nachbildungen, welche später, von den Geschlechtern als Insignien gewählt, zur Grundlage unserer Wappenbilder wurden. Waffen, Schmuck und dergleichen von Erz und Edelmetall, mit denen die künstlerische Darstellung unserer Tage die germanischen Krieger ausstattet, gehören erst einer späteren Zeit an, welcher ein längerer Verkehr mit den Römern vorausging.

Unter den Opferthieren stand in erster Linie das Pferd – das Thier, welches bei einer großen Zahl von Völkern, namentlich auch den Indogermanen, eine heilige Verehrung genoß – ist es doch nicht nur das edelste Thier der Schöpfung, sondern auch dasjenige, dessen Leben und Entwickelung mit dem Leben und der Geschichte der Menschen in engster Wechselbeziehung steht. Das Opfer fand in der Weise statt, daß das dampfende Blut in einer Grube aufgefangen wurde, worauf man damit Geräthe, Waffen und die Theilnehmer selbst bespritzte; auch erklangen über dem fließenden Blute uralte Formeln der Weissagung. Der Kopf des Pferdes wurde dann, wie schon gesagt, an den Bäumen des heiligen Haines aufgehangen. Nächst dem Pferde waren es alle übrigen Thiere des menschlichen Haushaltes bis zum Hahn hinunter, welche als Opfer dienten, ebenso die Jagdbeute, und wer Solches nicht opferte, gab Getreide, Früchte, auch Geräthe, wie man denn auf ausgegrabenen umfangreichen Opferstätten ein massenhaftes, zum Theil

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1880). Leipzig: Ernst Keil, 1880, Seite 855. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1880)_855.jpg&oldid=- (Version vom 30.12.2021)