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Verschiedene: Die Gartenlaube (1881)


die Elephanten förmliche Straßenbauer, auf deren Spur es dem Afrikareisenden Brehm allein möglich wurde, tief in den „dunklen Welttheil“ einzudringen.

Früher sah man oft phantastische Bilder und las grausenerregende Erzählungen, auf welchen und in welchen Elephanten in tödtlichem Kampfe mit Löwen, Tigern und Leoparden dargestellt wurden. Nach übereinstimmenden Berichten der Reisenden sind alle die Erzählungen von den Kämpfen der Elephanten mit wilden Thieren in das Reich der Fabel zu verweisen. Raubthiere greifen nie Elephanten an, und diese gehen wiederum jedem, selbst dem kleinsten Geschöpfe aus dem Wege. Ihr ärgster Feind ist die Fliege. Daraus erklärt sich auch die Freundschaft, welche die afrikanischen „Fihls“ mit dem Kuhreiher zu schließen pflegen. Oft sitzt ein Dutzend dieser weißen kleinen Vögel auf dem Rücken des schwarzen Kolosses, geschäftig die Falten seiner Haut untersuchend, um dort nach verschiedenen Kerbthieren Jagd zu machen.

Ruht die Heerde am schattigen Platze des Waldes, so bieten vor Allem die spielend munter umherlaufenden Jungen ein anmuthiges Bild der fröhlichen Unschuld. Charakteristisch ist es, daß die Liebe der Mutter zu ihrem Kinde bei diesen sonst doch so gutmüthigen Thieren nicht besonders groß ist, während alle weiblichen Elephanten sich der Jungen mit gleicher Zärtlichkeit annehmen und ohne Rücksicht auf ihre Abstammung allen das Euter bieten.

Ueber das Alter, welches der Elephant in der Wildniß zu erreichen pflegt, lauten die Ansichten verschieden. In der Regel wächst er zwanzig bis vierundzwanzig Jahre, ist aber schon mit sechszehn Jahren fortpflanzungsfähig. Man behauptet zwar, daß einige Elephanten in der Gefangenschaft über hundert Jahre gelebt haben, wiewohl die Erfahrungen, welche die englische Regierung mit ihren gezähmten Thieren gemacht hat, dagegen zu sprechen scheinen; denn von allen diesen Elephanten, über welche genaue Listen geführt wurden, lebte nach zwanzig Jahren nur ein einziger. Dennoch wird es im Allgemeinen angenommen, daß wilde Elephanten das beneidenswerthe Alter von anderthalb Jahrhundert erreichen können. Freilich ist dabei ihre Vermehrung eine äußerst langsame, da das Weibchen zwanzig bis einundzwanzig Monate trägt und gewöhnlich nur ein Junges wirft. Immer enger wird auch das Gebiet, auf dem der Elephant ungestört weiden kann, seine Zucht bringt wenig Nutzen, da zum Ackerbau Pferde und Rinder stets passender sind, während seine glänzenden Stoßzähne, welche das Elfenbein liefern, die beutelustigen Jäger zur Vertilgung der Art anspornen. So hat, wie für den nordischen Auerochsen, auch für den Elephanten die Stunde seines Unterganges geschlagen.

Wohl liefern noch die Jagd und die Zähmung der Elephanten Stoff genug zu unterhaltender und belehrender Erzählung, aber wir schließen hiermit, denn es lag nicht in unserer Absicht, die Qualen des besiegten und durch die Knechtschaft erniedrigten Thieres zu schildern, sondern vor den Augen der Leser ein, wenn auch unvollkommenes Bild seines Treibens in der ungebundenen

Freiheit zu entrollen.




Blätter und Blüthen.


Luther’s Einzug in Worms. (Zur Abbildung auf S. 12 und 13.) Große Augenblicke im Leben der Völker und der Einzelnen können, wenn sie für den Griffel des Künstlers faßbar sind, nicht oft genug dem Volke in Bildern vor Augen gestellt werden. Der Blick des denkenden Künstlers muß es nur verstehen, den rechten Augenblick zu finden. Für die vorliegende Illustration ist derselbe sehr glücklich gefunden worden.

Martin Luther’s Schicksal stand an einer Wende, als er in den ersten Tagen des April 1521 „das Rollwäglein“ bestieg, welches der Magistrat von Wittenberg ihm zur Reise gen Worms gegeben hatte. In jenen Tagen war es noch sein Schicksal, sein Wagniß und die Folgen schienen ihn allein zu treffen. Als aber die Reformation vollendet war, stand mit des einzelnen Mannes Schicksal das der deutschen Nation vor Worms an einer Wende. Denn hätte Luther nicht den Muth gehabt, vor dem Reichstag zu erscheinen, hätte er der Warnung seines besorgten Kurfürsten nachgegeben, so würde damals der Strom der Reformation vielleicht im Sande verlaufen sein. In diesem Augenblick war es von Bedeutung, daß die große Sache durch den großartigsten Mannesmuth im Auge der Nation die höchste Weihe erhielt.

Als die Ladung an Luther nach Worms ergangen war und der Kurfürst ihn fragte, ob er derselben wirklich folgen wolle, sprach er: „Versehet Euch zu mir Alles, nur nicht, daß ich fliehen oder widerrufen werde.“

So begann denn die Fahrt, zu welcher Herzog Johann das Reisegeld hergegeben. Da Luther im Bann war und des kaiserlichen Schutzgeleits bedurfte, so ritt vor dem Wagen ein kaiserlicher Herold. Als Begleiter gesellten sich ihm seine auch später treu gebliebenen Kampfgenossen Justus Jonas, Nikolaus Amsdorf, Peter Suaven und Hieronymus Schurf. Als sie nach Naumburg kamen, überreichte ein Priester Luthern das Bildniß von Savonarola sammt einer Mahnung zur Standhaftigkeit. Desto häufiger wurden die Bitten seiner Freunde, dem Worte des Kaisers nicht zu trauen, sondern an Huß zu denken, dessen Schicksal in Worms seiner harre.

Da sprach er. „Wenn sie gleich ein Feuer anmachten zwischen Wittenberg und Worms bis an den Himmel hinan, will ich doch im Namen des Herrn erscheinen und dem Behemoth in sein Maul zwischen die großen Zähne treten und Christum bekennen.“ – Neue Anfechtungen erwarteten ihn in Weimar, wo ihn Spalatin’s Warnung traf. Luther’s Antwort lautete: „Wir kommen, obgleich der Satan mich mit mehr als einer Krankheit zu hindern gesucht, denn den ganzen Weg bis hierher bin ich unpaß gewesen, und auch jetzt noch auf eine mir unbekannte Weise.“ Trotz alles Unwohlseins predigte er in Weimar und auch in Erfurt, wo die Universität ihn feierlich eingeholt hatte.

Weiterhin fand Luther überall das kaiserliche Verbot seiner Bücher vor, sodaß selbst der kaiserliche Herold den Sinn der Vorladung Luther’s durchschaute und ihn fragte. „Herr Doctor, wollet Ihr weiter ziehen?“ Er blieb bei seinem Entschluß, ließ sich weder von Sickingen auf die Ebernburg verlocken noch schließlich in Oppenheim von den Boten zurückscheuchen, welche seine Freunde von Worms aus ihm mit ihren warnenden Bitten entgegengesandt hatten. Ihnen entgegnete er das weltbekannte: „Und wenn so viele Teufel in Worms wären, als Ziegel auf den Dächern, ich wollte doch hinein.“

So kam er vor Worms an. Vor dem Thore war er noch frei, konnte dem ihm drohenden Schicksal noch ausweichen. Auch mochte ihm dort Spalatin’s Mahnung vor Augen treten; denn noch kurz vor seinem Tode gedachte er jenes Moments und sagte dazu: „Ich war unerschrocken und fürchtete mich nicht.“

Und so zog er denn durch das Thor in die Stadt, in welcher des Kaisers und des Papstes vereinte Gewalt dem armen Mönch gegenüber stand; das ist die Größe des Augenblicks: der wunderbare Muth des einfachen Mannes auf dem Wittenberger Rollwägelein rettete die Ehre der großen Bewegung und bestimmte durch den Triumph der Ueberzeugung vor Kaiser und Reich, durch das unvergängliche und unvergleichliche: „Hier stehe ich, ich kann nicht anders – Gott helfe mir! Amen“, die nächsten Wege und den ferneren Gang des Schicksals der deutschen Nation.

Luther selbst erzählt: „Ich fuhr in einem offenen Wägelein, in einer Kutte in Worms ein, da kamen alle Leute auf die Gassen und wollten den Mönch Doctor Martin sehen, und fuhr also in Herzog Friedrich’s Herberg, und war auch Herzog Friedrich dabei bange gewesen, daß ich gen Worms kam.“ Das war Luther’s Wormsfahrt.




Eine amerikanische Strandheldin. Auf den sogenannten Lime-Rocks im Hafen von Newport im Staate Rhode-Island, diesem Ostende der Amerikaner, steht einer der vielen kleinen Leuchtthürme dieses klippenreichen Hafens, er leuchtet auch bei Tag durch seine weißgetünchten Wände weit hinaus. Der Wächter dieses Thurmes starb vor einigen Jahren, und die Wittwe und die Tochter behielten den Wächterdienst. Diese Tochter nun, Ida Lewis, ist durch ihren Muth, durch ihre Thatkraft ein Liebling des amerikanischen Volkes geworden. Das zarte Mädchen hat schon mehr als ein Dutzend Leben gerettet. Wenn der Schaum der Wellen bis zur Lampe emporsprühte, und der Sturm beinahe den Felsen, auf welchem der Leuchtturm steht, erschütterte, band sie doch unverzagt ihr Lebensrettungsboot los, um umgeschlagenen Booten zu Hülfe zu eilen und die Insassen zu retten, was ihr bis jetzt auch immer gelang. Als sie vor einigen Jahren zwei Seesoldaten, deren Boot umgeschlagen war, rettete, hatte der Enthusiasmus seinen Höhepunkt erreicht, und außer Danksagungen erhielt sie auch bei öffentlicher Ansprache und Uebergabe von der Stadt ein reizend ausgestattetes Lebensrettungsboot zum Geschenk nebst verschiedenen Medaillen der Vereinigten Staaten, in demselben Sommer wurde sie von beinahe 10,000 Menschen besucht.

Es interessirte mich, diese Heldin kennen zu lernen, und ich fuhr hin. An der Felsentreppe, an welcher wir unser Boot anlegten, empfing uns ein riesiger Neufundländer mit mächtigem Bellen, was unsern Besuch ankündigte. Gleich an der offen stehenden Thür des Hauses empfing uns Ida Lewis, eine einfache sympathische Erscheinung mit von Wind und Wetter gebranntem Gesichte in sehr netter, bescheidener Kleidung.

Sie führte uns in dem ganz geräumigen, fast peinlich sauberen Hause herum, zeigte uns ohne jedwede Eitelkeit alle ihre Medaillen und Erinnerungszeichen und auf meine Fragen, diese Lebensrettungen betreffend, antwortete sie ganz natürlich und als ob es sich um etwas ganz Alltägliches handle. Sie führte uns auch zur Lampe mit den riesigen Linsen und erklärte uns den Dienst, welcher ihr allein oblag, da die Mutter schon ältlich und schwächlich geworden war. – Auf die Frage, ob ihr denn nie bangte, wenn sie sich so in die tobenden Elemente stürze, antwortete sie:

„Wenn kein Sturm ist, denke ich immer, ich könnte es nie wieder wagen, wenn es aber um mich braust und tobt und ich gar Hülferufe höre, da hält mich nichts mehr, der Drang zu helfen ist stärker, als ich selbst, und wenn ich selbst wüßte, daß ich zu Grunde gehen würde, ich müßte doch hinaus, meine Pflicht zu thun.“

Auf die Frage, ob sie sich nicht sehr einsam auf ihrem Felsen fühle,

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1881). Leipzig: Ernst Keil, 1881, Seite 19. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1881)_019.jpg&oldid=- (Version vom 9.12.2019)