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Verschiedene: Die Gartenlaube (1881)

Zeit in Anspruch nahm, so behalfen sich zunächst die Hieronymianer, froh, aus der thatenlosen Einsamkeit des Wallersees erlöst zu sein, mit dem Wohnhause des damaligen kurfürstlichen Kammerdieners Delling. Der Saal dieses Hauses war zur Capelle hergerichtet, und die übrigen Zimmer reichten für drei Patres und einen Laienbruder gerade hin. Aus so kleinlichen Anfängen ist das nachmals so bedeutende Franziskanerkloster am Lehel erwachsen.

Im Jahre 1853, mehr als hundert Jahre nach Vollendung der früher im Rococostil gehaltenen Kirche, wurde dieselbe innen und außen einer völligen Umgestaltung unterworfen und namentlich die Façade mit den zwei Thürmen geschmückt, welche sie heute noch aufweist. Die Gestalt des Klosters dagegen war im Wesentlichen die noch heute erhaltene, da nur der nördliche, rechts vom Kirchenportale befindliche Flügel ursprünglich einstöckig war.

Die Klosterpfarrkirche St. Anna und das Franziskaner-Kloster in München.
Originalzeichnung von W. Grögler.

Die Hieronymianer bemühten sich besonders, Kranken die Tröstungen der Religion zu bringen. Um ihrem Gottesdienst einen neuen Reiz zu leihen, führten sie die St. Anna-Bruderschaft, welche sich durch die Kunst des Gesanges auszeichnete, bei sich ein, wozu sie schon am Wallersee einen vergeblichen Versuch gemacht hatten. So floß den Hieronymianern die Zeit in ihrer stillen Abgeschlossenheit hin, bis auch für sie der Tag der Auflösung gekommen war: Die französische Revolution, dieser Sturmwind des Geistes einer neuen Zeit, zerstörte mit so vielen anderen überlebten Culturfactoren auch die Klöster. Der Reichsdeputationsabschluß von 1803 beschloß, die durch Verlust des linken Rheinufers betroffenen Fürsten durch Kirchengut zu entschädigen, und so kam auch an die Hieronymianer die Reihe.

Wenn jedoch der Geist, der die große culturgeschichtliche Wendung des neunzehnten Jahrhunderts hervorrief, gegen die Hochburgen der mittelalterlichen Finsterniß einen rücksichtslosen Kampf eröffnete, so erfolgte dieser dennoch mit einer gewissen Humanität, und es durften sich daher auch die Hieronymianer bis Weihnachten 1807 im Kloster zu St. Anna ungestört aufhalten. Am genannten Datum war ihre Zahl freilich schon auf drei zusammengeschmolzen, und auch diese Drei mußten das Feld räumen, da 236 Mann Militär sofort ihren Einzug in die Klosterräume halten sollten. So wurde das Kloster St. Anna zur Caserne, die Klosterkirche aber harrte einer neuen Bestimmung. Sie wurde zunächst Pfarrkirche und erhielt sich diesen Charakter bis zum Jahre 1827, zu welcher Zeit in das Klostergebäude wiederum Ordensbrüder einzogen – und das kam folgendermaßen:

Das „Bräustübl.“
Originalzeichnung von W. Grögler.

Unter den Mitgliedern der 1802 aufgelösten altbaierischen Franziskanerprovinz, die sich nicht entschließen konnten, das Kleid des heiligen Franziskus auszuziehen, wenn sie gleich darauf verzichten mußten, den Orden durch Aufnahme und Heranbildung neuer Mitglieder fortzupflanzen, befand sich auch der Provinzial der aufgelösten Ordensprovinz, Johann Nepomuk Glöttner. Dieser richtete 1826 eine Bittschrift an König Ludwig den Ersten von Baiern, welche die Erhaltung des Ordens insofern anstrebte, als sie um Erlaubniß zur Aufnahme von Novizen bat, da die seelsorgerische Verpflichtung an den Orten, wo sie noch geduldet wären, für die geringe Zahl der Brüder zu schwer sei. Dieses Gesuch fand höchsten Ortes ein geneigtes Ohr, und durch königliches Decret wurde ein Theil des damaligen Hieronymiten-Klostergebäudes am Lehel zur Errichtung eines Franziskanerklosters bestimmt, wie auch die theilweise Räumung des Gebäudes von Militär, sowie die Herstellung von geeigneten Localitäten zur Aufnahme von zwölf Vätern, sechs Laienbrüdern u. s. w. angeordnet wurde. Ferner wurde decretirt, daß die Pfarrkirche St. Anna am Lehel dem Kloster zum gottesdienstlichen Gebrauche überlassen werden sollte. So siedelten die Franziskaner von Ingolstadt nach München über.

Seit ungefähr dreißig Jahren ist mit dem Kloster eine Brauerei verbunden, welche das altbekannte Franziskanerbier liefert. Im Kloster selbst wurde ein kleiner Raum, das sogenannte „Bräustübl“,

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1881). Leipzig: Ernst Keil, 1881, Seite 32. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1881)_032.jpg&oldid=- (Version vom 14.9.2022)