Seite:Die Gartenlaube (1881) 066.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1881)

befassen. Die Druckanlagen, die Specialberichte und Uebersichten sende ich zurück. gez. von Puttkamer.“

In Folge dieses Bescheides sind die Petenten am 2. Juni vorigen Jahres in Glogau zu einer Conferenz, auf der ein Verein zur Forderung der Jugendsparcassen begründet wurde, zusammengetreten.

Die Zersplitterung der auf dieses Ziel hinarbeitenden Kräfte, die Versuche auf eigene Hand, welche hier und dort gemacht werden, sind indessen für die Sache selbst nichts weniger als förderlich. Auch scheint der neue Verein zwischen eigentlichen Schulsparcassen und Kindersparcassen, die unter der Leitung von Geistlichen begründet werden, keinen Unterschied zu machen. So erfahren wir, daß in einigen schlesischen Schulsparcassen zwei Grundsätze eingeführt worden sind, deren Zweckmäßigkeit stark bezweifelt werden muß. Die Einlagen werden grundsätzlich den Schülern erst beim Austritte aus der Schule ausgezahlt, und das ersparte Geld wird von den Lehrern entweder in der Sparkasse „oder anderweitig“ verzinslich angelegt. Gegen den ersten Grundsatz sprach sich schon früher A. de Malarce in folgender Weise aus: „Die Einlagen müssen immer rückzahlbar sein – das ist eins der Grundprincipien der Sparcasse. Ferner ist es wichtig, daß der Schüler, der einige Sous, von denen er freien Gebrauch machen konnte, erübrigt hat, nicht eine Art von Confiscirung fürchten muß, sondern im Gegentheil durch den Gedanken, einst die Früchte seiner Entsagung zu einer nützlichen Ausgabe, zur Hülfe für seine Familie zu ernten, ermuthigt wird. Hierin liegt ein sittlicher Gedanke, welcher auch den richtigen Begriff für ein sparsames Leben giebt, nämlich: sich heute einen kleinen Genuß zu versagen, um vielleicht morgen eine nothwendige Ausgabe bestreiten zu können.“

Nicht „in der Sparcasse oder anderweitig“, sondern einzig und allein in der Sparcasse müssen ferner die gesparten Gelder der Zöglinge angelegt werden, da der Schüler in den Mechanismus der Sparcasse eingeweiht werden und schon in der frühesten Jugend den Weg zu derselben kennen lernen soll.

Die Anwendung fehlerhafter Methoden hat schon einmal den Untergang zahlreicher Schulsparcassen verursacht. Dringend ist es daher zu wünschen, daß, wenn die Regierung die Sache in ihre Hand nicht nehmen will, was leider nach dem Erlaß des preußischen Unterrichtsministers zu erwarten ist, Privatvereine, mit anerkannten fachmännischen Kräften an ihrer Spitze, die Lehrer mit Rath und That unterstützen, auch durch Bewilligung von Prämien ihren Eifer anspornen.

Der Umstand, daß Deutschland spart, verhältnißmäßig mehr spart als andere Staaten, kann uns nicht abhalten, das vortreffliche Mittel zur Erhaltung und Kräftigung dieses Triebes, die Erziehung zur Sparsamkeit, auf das Wärmste zu empfehlen. Andere Völker haben, dem Beispiele Englands folgend, der Sparsamkeit die weitverbreitete Institution der Post dienstbar gemacht. Italien, Schweiz, Holland haben bereits Postsparkassen eingeführt; Frankreich und Oesterreich warten nur noch auf das Votum ihrer Parlamente, um mit einem Schlage Tausende von Sparcassen an den Postschaltern ihrer Städte und Dörfer zu eröffnen. Der Verstaatlichungszug, welcher durch die deutsche Wirthschaftspolitik geht, hat leider diese wohlthätige Einrichtung dem liberalen Bürgerthume theilweise entfremdet und die frühere Begeisterung für die Postsparkassen abgekühlt. Da tritt an jeden gutgesinnten Bürger desto gebieterischer die Pflicht heran, wenigstens die Schulsparcassen allgemein einzuführen und durch sie den Sparsinn der künftigen Generationen zu stärken. Ihre Einrichtung ist leicht durchführbar und äußerst einfach. Weder Kosten noch große Mühe sind bei ihnen erforderlich; nur der gute Wille muß nicht fehlen, und sollte er sich nicht finden, wenn es sich um die Erziehung der Jugend, um das Wohl der Kinder handelt? Sollte er nicht leicht zu erwecken sein auf einem Gebiete, wo der Lärm politischer und religiöser Kämpfe verstummt?

Um aber die möglichst weitesten Kreise unserer Mitbürger zur Theilnahme an dieser dankbaren Arbeit zu ermuntern, wollen wir eine kurze Schilderung einer Schulsparcasse entwerfen, wie sie sich nach jahrelanger Prüfung herausentwickelt hat und wie sie vom Herrn: A. de Malarce empfohlen wird:

„Hat sich der Lehrer dessen versichert, daß die Sparcassenverwaltung seines Bezirks ihre unumwundene Erlaubniß zu diesem Unternehmen giebt, so händigt er jedem seiner Schüler eine kurze Notiz aus dem betreffenden Leitfaden ein – besser ist es noch, dieselbe von ihnen abschreiben zu lassen – deren Zweck es ist, die Schüler und besonders ihre Eltern mit der Einrichtung und den Vorzügen der Schulsparcassen bekannt zu machen – eine sehr nützliche Vorsicht, um allen Mißverständnissen vorzubeugen. Dann schafft er die Sparbücher entweder durch Bewilligung des Magistrats oder der Sparcasse, auch als Geschenk eines Notablen des Ortes an. Hierauf theilt der Lehrer seinen Schülern mit, daß er von einem bestimmten Tage an jede Woche ihre kleinen Ersparnisse in Empfang nehmen wird und monatlich einmal die Monatseinlage eines jeden Schülers, welche einen Franken oder darüber beträgt, in einer runden Summe für jeden Einzelnen auf ein Sparbuch einzahlen werde. Dieses Sparkassenbuch macht den Zögling zum Gläubiger der großen Sparcasse, und befreit in dieser Hinsicht den Lehrer von jedem Vorwurfe und aller Verantwortlichkeit. Dieses Büchlein, aus welchem das Kind sieht, daß es als Erwachsener behandelt wird, weil es wie ein Mann handelt, ist für das Kind, zuweilen auch für seine Familie, ein gutes Erziehungsmittel.

Die Verfahrungsart bei der Amtsverrichtung ist folgende: Einmal wöchentlich an einem bestimmten Tage – Dienstag ist der geeignetste – nimmt der Lehrer des Morgens bei Beginn des Unterrichts die Ersparnisse seiner Schüler in Empfang. Diese regelmäßige periodische Wiederholung macht es den Zöglingen zur Gewohnheit, stört die strenge Ordnung der Classe nicht und spart Zeit.

Der Lehrer hat vor sich auf seinem Pult das Register der Schulsparcasse liegen, ein Heft, in welchem jede Seite für die besondere Berechnung jedes Einzelnen bestimmt ist, und obenan die Seitenzahl, den Namen des Schülers und die Nummer seines Sparcassenbuchs (wenn er ein solches schon besitzt) trägt. Jede dieser Seiten ist für die Monate des Jahres in zwölf verticale und für die Tage im Monat in horizontale Linien getheilt, das heißt: nimmt der Lehrer die Einzahlung nur einmal Per Woche an, so genügen fünf horizontale Linien.

Dem Lehrer zur Seite steht ein Gehülfe oder immer der Reihe nach einer der besten Schüler mit einem Blatt Papier, dessen Vorderseite ein Facsimile einer Seite des Registers trägt. Dieses Blatt wird dem Schüler als ein Duplicat seiner Berechnung mit der Schulsparcasse eingehändigt.

Sind die Sachen so geregelt, so tritt jeder sparende Schüler der Reihe nach an das Pult des Lehrers und legt die kleine Summe, die er einzahlen will, darauf nieder.

Unmittelbar nach jeder Einzahlung trägt der Lehrer die Summe in das Register auf der für den betreffenden Schüler bestimmten Seite ein; dann überzeugt er sich, daß dasselbe im Duplicat, welches der Schüler erhält, geschehen ist, und fordert denselben auf, nach jeder neuen Einlage sein Blatt wieder vorzuzeigen.

Dieses Geschäft nimmt, wenn es wohlgeordnet ist, für sechszig Schüler nicht einmal dreißig Minuten Zeit in Anspruch.

Das Verfahren außerhalb der Schule, das heißt die Abrechnung mit der Sparcasse, ist ebenfalls äußerst einfach.

In den ersten Tagen jedes Monats addirt der Lehrer auf jeder Seite, das heißt in der Berechnung jedes Schülers, die bescheidenen Summen, die in der für einen Monat bestimmten Seitenspalte eingetragen sind. Beträgt die Totalsumme nicht einen Franken, so schreibt er die Zahl der Centimen oben in die für den nächsten Monat bestimmte Spalte, damit dieselbe zu den nächsten Einzahlungen addirt werde. Uebersteigt die Summe einen oder mehrere Franken, so trägt er die übrigen Centimen ebenso ein und schreibt den oder die Franken in das für die große Sparcasse bestimmte Verzeichnis.

Der Lehrer zieht dann die zur Einzahlung bestimmten Summen zusammen, datirt und unterschreibt das Verzeichniß, welches er dann mit dem Gelde und den Sparbüchern derjenigen sparenden Schüler, welche solche schon besitzen, auf die Sparcasse trägt. Das Original des Verzeichnisses behält er selbst.

Die Sparcasse schreibt die Einlagen in die einzelnen Bücher auf die Rechnung und den Namen jedes Schülers ein, und von da an hört die Verantwortlichkeit des Lehrers in Betreff der Einlagen und Bücher der Einzelnen auf.

Will ein Schüler einen Theil oder den ganzen Betrag seines Guthabens zurück verlangen, so genügt hierzu die Zustimmung seines gesetzlichen Vertreters, welcher dann mit dem Lehrer und dem Agenten der Sparcasse das Sparbuch unterzeichnet.

Hierdurch ist Alles vereinigt worden, um den Mechanismus so einfach und sicher zu gestalten wie möglich; die Arbeit und die Verantwortlichkeit des Lehrers aus das Minimum zu beschränken und der Schulsparcasse einen hohen Werth für die Erziehung zu verleihen.“[1]

In der neuesten Zeit ist ein Project aufgetaucht, welches nach der Meinung Vieler den Mechanismus noch einfacher gestalten soll. Herr Millour aus Brest hat vorgeschlagen, in der Schule Sparmarken, ähnlich unseren Briefmarken, einzuführen, die von den Kindern in der Schule gekauft werden könnten. Wir übergehen dieses Project und viele andere, weil ihnen unserer Meinung nach das erziehliche pädagogische Element vollständig fehlt.

Die Sparcassen überhaupt sind eine noch verhältnißmäßig junge Errungenschaft unserer modernen Cultur. Aber wiewohl sie erst seit dem vorigen Jahrhundert bestehen, haben sie dennoch in Europa gegenwärtig eine Kundschaft von sechszehn Millionen sparender Menschen, welche in ihnen gegen acht Milliarden Mark

niedergelegt haben. Das sind Zahlen, die deutlich für die Lebensfähigkeit

  1. Vergl. „Die Schulsparcassen“ von A. de Malarce. Deutsche Ausgabe.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1881). Leipzig: Ernst Keil, 1881, Seite 66. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1881)_066.jpg&oldid=- (Version vom 14.9.2022)