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Verschiedene: Die Gartenlaube (1881)

auf das Gefäß, in welchem Gold und Kupfer zu einer flüssigen, glühenden Masse zusammenbrodeln. Wenn der Proceß vollendet ist, gießt der Schmelzer den leuchtenden Metallstrom in eiserne Formen. Ein keckeres Gemüth mögen sie an das mütterliche Waffeleisen erinnern, welches an Sonntag-Nachmittagen und auch zuweilen in der Woche, angenehme Düfte verbreitend, über dem Feuer um- und umgedreht wird. Aber die Waffeln, welche hier gebacken werden, sind für den besten Magen unverdaulich, und selbst die Löwen der Wüste würden sich bei diesem Knuspern ihre trefflichen Zähne verderben. Dann, sobald das Metall erkaltet ist und die Formen im Bewußtsein eines guten Gewissens uns furchtlos in ihr Inneres blicken lassen, schälen sich harte, lange Stäbe, welche „Zaine“ genannt werden, heraus. Böte man sie einem Laien als Gold zum Kaufe an, so würde er im Gefühle eigener Klugheit den verlangten Preis nicht zahlen, die Verkäufer aber für Bauernfänger halten; denn der Kupferzusatz hat den „Zainen“ eine rothbraune Farbe verliehen, welche das edle Metall so unkenntlich macht, daß es für ungeübte Augen vom Kupfer nicht zu unterscheiden ist.

Nur wenige Schritte von dem Ofen entfernt feilen Arbeiter in langen Schurzfellen die Unebenheiten auf der Oberfläche der Stäbe ab. Weshalb sie diese Operation vornehmen, erfahren wir im anstoßenden Säle. Hier geht’s lauter und lebendiger zu. Es werden nämlich von einer unsichtbaren Dampfmaschine, welche sich im Centrum der Münze befindet und mit allen Sälen in Verbindung steht, kleine Walzwerke getrieben, und zwischen ihren polirten Cylindern winden sich allenthalben Bänder und Streifen heraus. Genannte Bänder und Streifen, welche kupfernen Faßreifen zum Verwechseln ähnlich sehen, sind unsere alten Bekannten, die ehemals so stattlichen und jetzt bis zur Unkenntlichkeit gereckten und gestreckten „Zaine“. Kaum sind sie nämlich von der ersten Station hier angekommen, so wird ihnen, ungeachtet ihres behäbigen Leibesumfangs, auch schon zugemuthet, sich durch zwei eng über einander stehende Walzen zu pressen. Das ist nicht leicht und sehr bitter, aber ein frischgebackener „Zain“ hat trotz seiner großen Jugend das Princip des Gänsemarsches voll und sicher erfaßt. „Wo sechs Mann nicht neben einander wandeln können,“ sagt er sich, „da gehen sie bequem hinter einander her.“ Auf seine Lage angewandt, heißt das: Wenn er an Länge zunimmt, so wird er an Dicke abnehmen und ohne allzu große Schmerzen durchschlüpfen.

Die Arbeiter nun speculiren auf die Lebensklugheit des „Zaines“ und lassen ihn so lange durch die Walzwerke gehen, bis er die Dicke der Münze erreicht hat, welche man prägen will, wobei er sich zu einer schier unendlichen Länge ausdehnt. Zuweilen ereignet es sich jedoch, daß einer bei der schlechten Behandlung seine gutmüthige Weichheit verliert und recht hart und widerborstig wird. Dann wird ihm eine Nachcur in Glüh- und Feueröfen verordnet, aus welcher er natürlich nicht so unversehrt wie die drei biblischen Jünglinge, sondern willenlos und gehorsam hervorgeht.

Wenn die Walzwerke einigermaßen an die in Telegraphenbureaux befindlichen Räder mit ihren endlosen Papierstreifen erinnern, so ähnelt ein in der Nähe eifrig arbeitender Apparat, der den Namen Durchstoß führt, einer Nähmaschine. Die, in kleinere Stücke gebrochenen und geschnittenen Bänder werden hier in horizontaler Lage von einem Arbeiter über einen aufrecht stehenden Cylinder geführt. Von oben fällt ein sich rasch auf und nieder bewegender Stempel auf den Streifen und stößt Stücke von der Größe der zu prägenden Münze heraus. Wenn nun das Metallband den Durchstoß passirt hat, weist es ein rundes Loch neben dem andern auf, und aus der Größe derselben und der Dicke der Streifen ist ersichtlich, daß man just mit der Herstellung von Zehnmarkstücken beschäftigt ist. Die durchlöcherten Bänder werden in/ Netze gepackt und wieder der ersten Station zum Schmelzen überwiesen.

Man sollte glauben, daß die Plättchen gleich schwer wären, da sie durch dieselbe Walze und denselben Durchstoß gegangen sind, aber das ist selten der Fall; sehr viele sind vielmehr entweder schwerer oder leichter, als der Münzfuß bestimmt, und deshalb muß jedes Stück justirt werden. Diese Operation findet im ersten Stock statt. In einem großen, einem Zeichen- oder Händarbeitssaale nicht unähnlichen Raume stehen zu beiden Seiten eines Ganges lange, flache Bänke, von denen jede etwa ein halbes Dutzend der empfindlichsten und genauesten Wagen trägt. Vor jeder Wage steht ein Stuhl, und auf einigen Stühlen sitzen Männer, neben denen ein Haufen Metallplättchen liegt; rasch bringen sie dieselben auf die Wagschale, bestimmen ihr Gewicht und werfen sie in ein vor ihnen stehendes Kästchen, welches drei Fächer enthält. Eines ist für die vollwichtigen Münzen bestimmt, und ein anderes nimmt die zu leichten auf; diese müssen wieder eingeschmolzen werden. Von denjenigen aber, welche schwerer sind, als verlangt wird, schaben die auf ihren Stühlen wie unerbittliche Richter sitzenden Männer, als abgesagte Feinde aller berechtigten Eigenthümlichkeiten und individuellen Verdienste, so viel ab, als zur Erlangung des normalen Gewichtes erforderlich ist. Also herrscht im Justirsaale die vollkommenste Gleichheit und Gleichmacherei, welche auf dieser unvollkommenen Welt denkbar und möglich ist.

Die Schnelligkeit und Sicherheit der Justirer ist bemerkenswerth. Dennoch ist die Handarbeit so zeitraubend, daß der Erfindungsgeist sich lange vergeblich mit dem Problem einer Justirmaschine beschäftigt, bis er die Aufgabe endlich gelöst hat. Eine derartige Maschine muß, wie aus dem Vorhergehenden ersichtlich ist, zwei Funktionen übernehmen: sie hat erstens die Plättchen zu wägen und zweitens das Uebergewicht der allzu schweren Stücke abzuschaben. Derartige, von Seiß erfundene Maschinen sind in der königlichen Münze neben den Justirern in Thätigkeit. Der Arbeiter, welcher sie bedient, hat nichts weiter zu besorgen, als von Zeit zu Zeit die Plättchen durch eine oben angebrachte Oeffnung in das Werk gelangen zu lassen. Die Maschinen arbeiten fast unsichtbar, sodaß sie beim ersten Anblicke sanft eingenickt zu sein und sich eines wohlthätigen Schlummers zu erfreuen scheinen, aber das periodische Klingen rollenden und niederfallenden Metalls erhebt ihre stille Thätigkeit über allen Verdacht, indem es gleichzeitig unsere Blicke auf den Boden lenkt. Dort, am Fuße der Maschine, steht ein in sechs Fächer eingetheiltes Kästchen, in welches die Plättchen, nach ihrem Gewicht sortirt, fallen. Die zu leichten und vollwichtigen rollen in die drei ersten Classen, die zu schweren aber füllen allein drei Classen aus. Es ist leicht verständlich, weshalb der Erfinder den „schweren Elementen“ die Hälfte aller Fächer eingeräumt hat; sein Verfahren ist weder auf Ungerechtigkeit gegen die minder schweren Classen zurückzuführen, noch haben ihn socialpolitische Erwägungen geleitet; auch schwebte ihm nicht das System der Stadtverordneten- oder Landtagswahlen bei der Construction seiner Maschine vor. Er hat die Einrichtung vielmehr lediglich deshalb getroffen, um die Abschabung durch eine automatische Maschine möglich zu machen. Eine Maschine, welche nicht in jedem einzelnen Falle entsprechend gestellt wird, kann immer nur ein gleiches Quantum Mehrgewicht entfernen; die Plättchen dagegen weisen, wenn auch minimale, so doch bei dem Werthe des Stoffes gewichtige Verschiedenheiten auf. Werden die Stücke nun aber nach Gruppen sortirt, welche ungefähr eine gleiche Schwere haben, so kann man eine Maschine herstellen, welche, den drei Gewichtsclassen entsprechend, stets genau das bezügliche Uebergewicht entfernt.

Jetzt scheint die niedere Arbeit beendet und der letzte Act im Gebiete des Aesthetischen zu spielen; denn die Plättchen werden eben an die Rändelmaschine abgeliefert. Wer in einer müßigen Stunde dem Rande unserer Münzen einige Aufmerksamkeit schenkt, wird bemerken, daß sie mit Ausnahme der Kupfer- und Nickelmünzen einen verzierten Rand haben, weshalb ein etwaiges Befeilen auf ihnen leichter sichtbar wird. Die Silbermünzen bis zu zwei Mark sind gerippt; die Zehnmarkstücke zeigen eine Rankenverzierung, die silbernen Fünf- und die Zwanzigmarkstücke eine Inschrift, der Rand aller Münzen aber steht auf der Vorder- und Rückseite ein wenig vor. Der gekerbte Rand wird im Prägring hergestellt, während die Rändelmaschine das Aufstauchen und Verzieren besorgt. Zu diesem Zwecke enthält sie zwei stählerne parallele Schienen, deren Abstand kleiner als der Durchmesser des Plättchens ist und auf welchen je die Hälfte der einzuwalzenden Verzierung erhaben vorhanden ist. Die eine ist unbeweglich, die andere verschiebbar, und diese letztere wird von der Dampfmaschine in sehr raschem Tempo nach links und rechts bewegt. Wenn nun das Plättchen in die Rändelmaschine gelangt, so wird es von der beweglichen Schiene in eine drehende Bewegung versetzt und vorwärts geschoben, indeß sich der Rand aufstaucht und die erhabenen Stellen in das weichere Edelmetall eingraben. Die Rändelmaschine wird von zwei Zubringerohren gespeist, und in der Mitte der Schienenbahn befindet sich eine runde Oeffnung, durch welche die gerändelten Plättchen von links und rechts in einen Kasten fallen.

Irren ist nach dem übereinstimmenden Zeugnisse aller Zeiten

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1881). Leipzig: Ernst Keil, 1881, Seite 71. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1881)_071.jpg&oldid=- (Version vom 14.9.2022)