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Verschiedene: Die Gartenlaube (1881)

ebenen Norden unseres Vaterlandes – wußten die wilden Urmenschen sich zu helfen. Sie schleppten dort eine Anzahl gewaltiger Blöcke zusammen, wie man sie als „Feldsteine“ im Freien findet, Steine, welche in der Eiszeit auf schwimmenden Eisschollen von den nordischen Gebirgen herangesegelt kamen und, über den Norden Deutschlands, der damals noch unter der Meeresfläche lag, hintreibend, durch das Zerschmelzen des Eises zu Boden sanken – sogenannte „erratische (verirrte) Blöcke“. Solche Steine wälzten die Urbewohner Germaniens in einen Kreis zusammen und überdachten den dazwischen eingeschlossenen Raum mit flacheren Steinen.

Da man aber an ein Behauen des Steinmaterials damals überhaupt nie gedachte, so paßten die Steine nicht an einander, und zwischen ihnen blieben Lücken offen. Diese füllte man mit kleineren Steinen aus. Gleichwohl fanden Wind und Schnee durch die engen Ritzen Eingang. So warf man denn über dem Steinunterbau einen Hügel von Sand auf. Um aber auch den Eingang gegen Schnee und Wind zu schützen, welche durch das vorgehängte Fell doch noch in das Innere hereinstoben, baute man vor dem Eingänge aus kleinen Steinen bis an die Peripherie des runden Sandberges einen niedrigen Gang, durch den man kriechen mußte. Schon in dem äußeren Ende des Ganges fing sich der Wind, sodaß er das Innere der Höhle, respective das dasselbe beschützende Fell, nicht erreichen konnte.

Solcher Höhlen hat man z. B. mehrere in dem westlichen Schleswig entdeckt. Man hielt dieselben ursprünglich für Heiden- oder Hünengräber; denn sie waren diesen von außen gleich. Von oben in die Tiefe hinuntersteigend, fand man in der ersten Höhle Menschen begraben; dabei aber die Spuren eines Feuerherds; in den anderen dagegen war Niemand bestattet. Man hat also in jener Epoche der Höhlenbauten als Grabstätte offenbar gelegentlich eine menschliche Wohnung benutzt. – Auch heutzutage werden diese Art Höhlenhäuser noch gebaut: die Eskimos leben in solchen Bauten. Doch machen sie dieselben schon geschickter: sie benutzen bereits kleinere Steine dazu, die sie so kunstvoll aufschichten, daß sie keinen Mantel von Erde oder Sand darüber zu werfen brauchen. Befindet sich der Eskimo auf Reisen, so ahmt er behufs Herstellung eines Nachtquartiers seine Höhle in hartem Schnee nach, und in dem Schneehotel zündet er seine Thranlampe an. Die Ähnlichkeit der Eskimohöhlen mit denjenigen in Deutschland kann jedoch nicht etwa beweisen, daß früher Eskimos in unserem Vaterlande gewohnt hätten. Der Mensch wird in gleichen Lebenslagen überall wesentlich auf dieselben Erfindungen verfallen.

Höhlenhäuser findet man auch in Mecklenburg, dort sogar in Massen, in der Form von Dörfern. Allein die mecklenburgischen unterscheiden sich wesentlich von denjenigen, welche ich soeben beschrieben habe. Hier hat man sich zwar auch einen Berg aus Erde – diesmal Lehmerde – gemacht, um darin zu wohnen, allein der feste Unterbau, zu dem der Erdberg nur die Umhüllung bildet, bestand nicht aus Steinen, sondern aus Holz.

Diese hölzernen Höhlen richtete man auf folgende Weise her: Vor Allem grub man eine Grube in den Boden, einige Fuß tief. Dann schleppte man Aeste aus der Wildniß herbei, wie man sie gerade passend bekommen konnte. Diese Aeste wurden rings um die Grube aufgerichtet und aus ihnen Wände sowie aus den horizontal darüber gelegten ein Dach gebildet, welches man mittelst Reisig und Baumzweigen zu einer festen Masse verflocht. Dann verschmierte man die Laube von außen mit einer dicken Lehmschicht, welche Kraft genug besaß, dem Regen Widerstand zu leisten. Man hat vor Jahren diese Niederlassungen in Ruinen gefunden: das Holz ist verfault und die ganze Herrlichkeit in die Gruben hineingestürzt. In den letzteren verlohnt es sich aber, nachzugraben: man findet steinerne Waffen, Handmühlen, Speisereste und allerhand Scherben darin.

Auch solche Holzhöhlen sind heutzutage noch vielfach in Gebrauch. Wenn z. B. die amerikanischen Pioniere in die unbewohnten Distrikte des Landes kommen, wo sie sich niederzulassen und den Boden urbar zu machen gedenken, so bauen sie sich ein solches Haus. Nur machen sie es etwas besser: sie belegen das Gebäude von außen mit Rasen. Erst wenn die Wohnung fertig ist, beginnen sie, ein ordentliches Blockhaus zu zimmern. Ein solches Urhaus nennt man dort „dug out“ („Ausstich“).

Auf einer meiner Reisen in Polen mußte ich einstmals zu Wagen durch einen großen Wald, in dem eine neue Chaussee gebaut wurde. Es war ein schöner klarer Herbsttag; leise fielen die Blätter. Auf den waldigen Hügeln und Schluchten lag duftiger Sonnenschein. Da sah ich in der Waldeinsamkeit eine Anzahl Rauchwölkchen aus dem Boden aufsteigen. Es waren Steineklopfer, beim Chausseebaue beschäftigt; sie hatten sich sammt und sonders in mit Lehm überschmierten Holzgrubenbauten angesiedelt. – In gleicher Weise hausen bekanntlich noch heute die Bauern in Rumänien und der armenischen Türkei. Eine elende, ur-uralte Art zu existiren! Die Armenier bedecken ihre Grubenbauten gar mit Mist.

Aus diesen Höhlenwohnungen von Erde und Stein oder Holz entstanden durch sorgfältigere Aufschichtung der Wände allmählich die Häuser. Man baut solche noch heute aus allen drei Materialien: aus Lehm werden die Bauernhäuser in Nordthüringen errichtet; aus Holz baut der Schweizer seine Alphütten, der Nordländer seine Häuser, und der Stein findet sich, als beliebtestes Baumaterial, überall. Ich werde diese Frage in einem zweiten Artikel beleuchten.


2. Die ältesten Häuser.


In dem vorigen Artikel haben wir auf die Urzeit der Menschheit einen Blick geworfen und gesehen, wie aus dem Bedürfniß der vorgeschichtlichen Menschen in kalten Gegenden zunächst der Höhlenbau entstand. Diese Höhlen waren bereits aus den drei ursprünglichen Baumaterialien: Holz, Lehm und Stein errichtet, und wir verfolgten ihre Entwicklung bis zu dem Punkte, wo sie in den eigentlichen Hausbau übergehen. Auf diesen wollen wir jetzt einen Blick werfen.

Was zunächst das Lehmhaus betrifft, so entsteht dasselbe aus der erdigen Verkleidung der steinernen oder hölzernen Höhlen. Indem man nämlich den Lehm mit Sorgfalt senkrecht aufschichtet und ihn ordentlich mit Stroh untermengt, erhält man eine zwar unförmlich dicke, aber doch so feste Mauer, daß man des hölzernen Unterbaues entbehren kann. Man macht nun die ursprüngliche Höhlengrube zum Keller, deckt denselben mit Holz und wohnt über der Erde in einem mit Stroh überdeckten Hause.

Diesen Fleiß wendete der Mensch jedoch erst sehr spät an seine Wohnung – er that dies nicht, bevor er den Ackerbau betrieb und als ansässiger Bewohner des ihn ernährenden Bodens sich einer verbesserten Lebensweise erfreuete.

Von dem Triebe beseelt, die Form der Steine in Lehm nachzumachen, um auf diese Weise dünnere und schlankere Lehmwände zu gewinnen, formte man später große Backsteine, welche an der Sonne getrocknet wurden. Um sie gegen das Abbröckeln zu schützen, untermengte man den Lehm auch mit Sand. Je heißer die Sonne brannte, desto fester wurden natürlich die Steine, während der Regen ihnen schadete. Deshalb ersetzte man den Sonnenbrand bald durch das Feuer. Man schichtete die Steine zu einem großen hügelartigen Ofen auf, durch welchen in künstlichen Windungen die Feuercanäle hindurchgingen. Von außen verkleidete man den Bau mit einem „Mantel“ von Lehm. Dann steckte man das Holz, welches alle Feuercanäle reichlich erfüllte, am Eingang des Baues an und vermauerte auch diesen. Binnen vierzehn Tagen brennt so ein Ofen aus; darauf schlägt man den Mantel herunter und nimmt den ganzen, Bau aus einander. Die Ziegel sind nun fester als die an der Sonne getrockneten – sie sind hart gebrannt. Diese Art von Ziegelöfen ist noch jetzt in verschiedenen Gegenden Deutschlands in Gebrauch.

Uralt ist bereits diese vorgeschrittene Ziegelbereitung, und frühzeitig sind die Lehmsteine schon zu großen Palast- und Tempelbauten verwendet worden. Doch finden wir die Ziegel nur bei solchen Völkern, welche entweder schon civilisirt oder doch im Begriffe sind, es zu werden. Bekanntlich wurden schon im grauen Alterthum die Juden in Aegypten und Babylonien zur Ziegelbereitung gezwungen. In beiden Ländern war der Ziegelbau auch für große Bauwerke gebräuchlich; ganz besonders blühte er in Babylonien. Dort wurden sogar die Todten in thönernen Särgen bestattet, welche aus einer wohlgebrannten oberen und einer unteren Hälfte (Sarg und Deckel) bestanden. Nachdem man den Todten zwischen beiden eingeschlossen hatte, verschmierte man die Ritze vorsichtig mit Lehm und setzte das Ganze wiederum dem Feuer aus. Einen solchen Sarg konnte man einfach auf das Feld hinstellen. Die Babylonier thaten dies auch: auf ihren Kirchhöfen lagen die Thonsärge unter freiem Himmel.

Weniger großartig konnte sich das eigentliche Holzhaus entwickeln.

Allerdings ist dasselbe noch heute bei einer großen Anzahl

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1881). Leipzig: Ernst Keil, 1881, Seite 80. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1881)_080.jpg&oldid=- (Version vom 14.9.2022)