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Verschiedene: Die Gartenlaube (1881)

von Völkern in Gebrauch: die Bauern in Rußland, Polen und Ostpreußen, die Farmer und Goldgräber in Amerika, wie die Aelpler in der Schweiz wohnen in Häusern von Holz. Allein dieses Material ist nicht zu großen Monumentalbauten geeignet. Zwar giebt es zwei intelligente und hoch civilisirte Nationen, die nicht nur ihre ländlichen und theilweise städtischen Wohnhäuser, sondern auch ihre öffentlichen Gebäude aus Holz errichten; es sind die Norweger und die Japanesen Die ersteren erfanden einen wunderlich-seltsamen, aber nicht üblen hölzernen Kirchenbaustil, während bei den letzteren nicht nur die Tempel und selbst die Brücken in den größten Städten von Holz sind, sondern auch die Fürsten in hölzernen Schlössern wohnen.

Gleichwohl konnte das Holz auf dem Gebiete der Baukunst den Lehmstein natürlich ebenso wenig verdrängen wie den Bruchstein; denn eine Wand von Holz kann an Dauerhaftigkeit und Kühnheit sich der eigentlichen Mauer nicht vergleichen. Diese Holzwände entstanden aus dem Unterbau der Grubenhöhle ebenfalls auf einfache Art. Man wollte hier durch Anwendung dickerer Stämme die äußere Lehmverkleidung unnöthig machen und so suchte man sich, schon mit besseren Instrumenten als jene urmenschlichen Höhlenbewohner bewaffnet, glatte und gerade Stämme aus, fällte sie, schleppte sie zur Baustelle und legte – um eine Wand aufzuschichten – je einen Stamm der Länge nach horizontal auf den anderen, bis die auf diese Weise emporgewachsene Wand hoch genug war. Freilich mußte jeder Stamm einen festen Halt haben, damit er nicht von seinen unteren Nachbarn herunterrollte. Um den Stämmen diesen Halt zu geben, baute man die viereckiger Häuser so, daß die beiden Seitenwände die Vorder- und die Hinterwand gleichermaßen an den Enden durchschnitten, sodaß die Balkenköpfe aller vier Wände über die Ecken hinausragten. Durch einfache Verfugung der Balken wurde dieses Ziel erreicht, und jetzt hielt jede Wand ihre Nachbarwände.

So entstand das Blockhaus. Leicht konnte man in der Vorderwand eine Thür aussparren, leicht den ganzen Bau mit Balken decken. Die eigentlichen Dachsparren wurden indessen schräg ausgerichtet, damit das Wasser ablaufen konnte. Auf diese Art – aus rohen unbehauenen Stämmen – errichtet noch heute der Schweizer seine Alpenscheuer.

Ich kann nicht vom Holzbau scheiden, ohne einer Bauweise der Urmenschen zu gedenken, deren Entdeckung viel Aufsehen gemacht hat – ich meine die Pfahlbauten. (Vergl. voriger Jahrrgang, Seite 614!)

Ein gelehrter Alterthumsforscher, Dr. Ferdinand Keller in Zürich, erhielt einstmals von einem Freunde die Nachricht, daß die in dem Orte Meilen am Züricher See wohnenden Fischer an einem bestimmten Punkte des Sees wiederholt dadurch Aergerniß erfuhren, daß ihnen im Wasser die Netze zerrissen. Man hatte nach der Ursache geforscht und eine Menge eigentümlicher Pfahlstümpfe im Boden des Sees wahrgenommen, zwischen denen wunderliche alte Werkzeuge und Waffen von Stein lagen. Keller begab sich nun selbst nach Meilen und stellte die umfassendsten Nachforschungen an. Man fand Reste schlechter irdener Geschirre, theilweise aufgespaltene Knochen von Thieren, welche heutzutage die Schweiz nicht mehr bewohnen, verkohlte Holzäpfel und Holzbirnen, verkohlte Aehren, rohe Gewebe und Netze u. dergl. m.

Es war klar, man hatte es hier mit den Ueberresten einer menschlichen Ansiedelung zu thun, welche in grauer Vorzeit an dieser Stelle des Sees, und zwar auf Pfählen gestanden haben mußte. Ferdinand Keller hielt die hier im Wasser versunkenen Pfahlbauten zunächst für eine Ansiedelung der alten gallischen Helvetier, welche zu Zeiten der Römer die Schweiz bewohnten bis sie in der Völkerwanderung den gewaltsam eindringenden Alamannen, den Vorfahren der heutigen deutschen Schweizer, weichen mußten. Julius Cäsar hat seiner Zeit diese Helvetier genau kennen gelernt. Während er römischer Statthalter in Genf war, wollte das Volk bereits einmal die Schweiz verlassen, und mit Mühe fing es Cäsar auf seiner Wanderung auf und brachte es in seine alte Heimath zurück. Bei Erzählung dieses Ereignisses erwähnt der römische Feldherr zwar, daß die Helvetier, ehe sie ihr Land verließen, ihre Dörfer und Weiler niedergebrannt hätten, allein mit keinem Worte deutet er an, daß diese Dörfer und Weiler im Wasser auf Pfählen gestanden. Ueberdies wissen wir aus der früheren römischen Geschichte, daß zu Cäsar's Zeit die Gallier erst vor circa zweihundert Jahren in Süddeutschland, der Schweiz und Frankreich eingewandert waren, und wir müssen somit jene Bewohner der „Pfahlbauten“ wohl denjenigen Urmenschen zuzählen, welche schon vor der Einwanderung der jetziger europäischer Nationen den Norden von Europa schwach bevölkert haben.

Diese Pfahlbauten waren, wie es scheint, auf folgende Art eingerichtet. Man rammte nähe beim Ufer in seichtes Wasser roh zugespitzte und am Feuer geschwärzte circa zehnzöllige Pfähle, welche mit leidlicher Regelmäßigkeit in Reihen geordnet wurden. Selbstverständlich machte das Einrammen den Wilden viel Mühe; mit Hülfe ihrer aus ausgehöhlten Baumstämmen bestehenden Kähne konnten sie die Rammarbeit schwerlich bewerkstelligen. Sie bedurften dazu wahrscheinlich kleiner Flöße, und es wird richtig sein, wenn man vermuthet, daß sie mit großen Steinen, welche rings um den Pfahl von zahlreichen Händen emporgehoben wurden, die Balken mühsam in den Grund[WS 1] des Sees trieben. Auf den Spitzen dieser Pfähle wurde nun ein ausgedehnter Rost – vielleicht aus Balken, Flechtwerk und Erde bestehend – angebracht. Denselben verband man mit dem Lande durch eine transportable Brücke, auf dem Roste aber errichtete man Häuser (Blockhäuser?) und an der Seeseite der Niederlassung banden die Leute ihre Kähne fest. So waren sie sicher vor der Kraft wilder Thiere und vor der „schlimmeren der Menschen“.

Man hat diese Pfahlbauten in den meisten Seen und auch in Sümpfen der sogenannten „ebenen Schweiz“ gefunden, und die Funde wiederholen sich zahlreich in den schottischen Seen und in Mecklenburg. Sonderbar genug sind einige der neuesten Ansichten gelehrter Forscher über diese Bauten. Danach sollen sie sehr spät und zwar nach der einen Version von wandernden Steinwaffenfabrikanten gegründet, nach der anderen sogar nur eine Art Schutz des am Ufer liegenden Dorfes gegen feindliche Angriffe vom See her gewesen sein.

Die Unhaltbarkeit beider Ansichten liegt auf der Hand. Wandernde Steinwaffenmacher legen sich keine mühsamen Pfahlbauten an. Auch sieht man nicht ein, wie derartige leichtfüßige Gewerbetreibende zu solchen Anlagen genöthigt worden seien. Um aber eine bestimmte Stelle des Ufers gegen Angriffe zu Wasser zu schützen, war eine Reihe von Pfählen bereits ausreichend. Der wahre Grund der Errichtung von Pfahlbauten läßt sich leicht aus der Thatsache erkennen, daß noch heute von wilden Völkerstämmen in beinahe allen Erdtheilen solche Pfahlbauten errichtet werden und zwar aus Furcht vor Feinden. Manche Stämme bauen sie sogar auf’s Land und umgeben sie mit hölzernen Mauern. Der Feind kann da freilich leichter Feuer anlegen, als wenn man die hölzerne Burg in’s Wasser stellt. Friert um eine Pfahlbaute herum das Wasser zu, so kann man sich durch Aufhacken des Eises gegen Angriffe schützen. Auch ragten die Bauten vermutlich ziemlich hoch über das Wasser empor.

(Schluß folgt.)




Von Dessoir zu Döring.

Eine Skizze aus dem Schauspielerleben.

Du lieber Gott, das war eine traurige Zeit! Als armer Schauspieler hatte ich, dem berühmten Syrakuser Spaziergänger nacheifernd, die Reise von Wien nach Berlin zu Fuß zurückgelegt. Mit Wehmuth gedenke ich des Zustandes, in welchem ich meinen Einzug in die nunmehrige Hauptstadt des deutschen Reiches hielt. Meine beinahe sechswöchentliche Wanderung, verbunden mit Hunger und Noth, mit Uebernachten im Freien und tausend sich täglich erneuernden Sorgen, hatte meinem äußeren Menschen den Stempel größter Dürftigkeit aufgedrückt, und der Contrast einer hochmodernen, enganliegenden Hose (wie man solche in Berlin erst später trug) mit meinem sonstigen Habit forderte selbst den ausgelassenen Spott der lieben Straßenjugend heraus.

Unbekümmert um diese „kleinen Seelen“ verfolgte ich jedoch mein hohes künstlerisches Ziel. Ich mietete mir ein Stübchen. Nun schrieb

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Schwund
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1881). Leipzig: Ernst Keil, 1881, Seite 81. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1881)_081.jpg&oldid=- (Version vom 14.9.2022)