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Verschiedene: Die Gartenlaube (1881)

hier aus geht jetzt die große Straße – eine lange Brücke führt in den See hinein, aber das Schiff kann bei Sturm hier nicht anlegen; ebenso wenig können die Passagiere in Boten an’s Ufer gebracht werden; die kurzen, steilen Wellen lassen es nicht zu, sodaß oft, dank diesen Kobolden, das Schiff, wenn kurz vor dem Landen der Sturm losbricht, mit seinen Passagieren zurückkehren muß durch Wetter und Graus nach Listwenitschnaja; denn dieser Hafen allein gewahrt vollkommen Schutz, und die Einfahrt in denselben ist bei jedem Wetter möglich.

Es ist also nicht so leicht über den Baikal nach Süden zu kommen. Hier ist das Panorama übrigens ebenfalls sehr schön, wie auch die Einrichtungen im Hotel gut sind. Ebbe und Fluth giebt es hier nicht. Schon Anfangs August stellen sich leichte Morgenfröste ein; Ende Oktober, in der Regel, gefrieren die Ufer; ist der Herbst still, so reicht das Eis oft schon Mitte November bis auf zwölf Werst in den See hinein, und nun steigen aus der offenen Mitte dichte Nebelmassen auf, die sich bis Irkutsk (sechszig Werst) hinziehen und die Stadt überziehen, der Nebel ist aber auch den Uferbewohnern das Warnzeichen, sich nicht zu weit auf das Eis hinauszuwagen.

Wird das Wetter stürmisch, steigt dabei die Kälte über fünfundzwanzig Grad, sodaß die aufgewühlten Wassermassen stark abgekühlt werden, und tritt darauf ruhiges Wetter bei strenger Kälte ein (über dreißig Grad), so deckt in einer einzigen Nacht eine dünne Decke die ganz Fläche, die sich den Anwohnern plötzlich wie ein Spiegel zeigt; denn mit den offenen Stellen ist auch der Nebel verschwunden. Nach zwei Wochen ziehen dann schon die Karawanen in endloser Reihe über diese neue Straße, auf der mit Fichten zierlich die einzelnen Wege abgesteckt werden.

Die schwerste Passage zwischen diesseits und jenseits des Sees tritt dann ein, wenn eine noch dünne Eisdecke sowohl die Fahrt zu Wasser wie die zu Eis unmöglich macht; sie ist aber noch lange nicht die uninteressanteste; es gilt alsdann, per Post um den Baikal herumzufahren. Da giebt es zwei Wege: der eine, bequemere führt längs dem Ufer, wenn das Wasser nicht hoch steht und keine Eisschollen diese Passage sperren; der andere muß eingeschlagen werden, wenn diese Hindernisse eintreten; er führt über die Berge des Ufers, oft über 310 Meter über dem Spiegel des Sees. Da geht’s bergauf, bergab, und man lernt die Kraft und Ausdauer der sibirischen Pferde hier bewundern; sie klettern Berge von 155 Meter, die fast steil sind, munter hinan, und die Passagiere brauchen nicht auszusteigen. Beim Hinunterfahren mußten wir aber auch unseren Schlitten verlassen; denn ein Fehltritt des Gabelpferdes, das Abreißen eines Hemmschuhs – und Schlitten und Pferde müssen kopfüber die Berge hinunterstürzen oder seitwärts die Tiefe der Abgründe, aus denen noch nie Jemand zurückgekommen ist, erproben.

Es ist daher begreiflich, daß die Passage über den Baikal möglichst lange benutzt wird, auch wenn schon milde Frühlingslüfte klaffende Spalten in das Eis gerissen haben; der Jämtschik (Fuhrmann) vertraut blind dem Instinct seiner Pferde, die es wohl wissen, ob sie eine Spalte überspringen können oder nicht. Er zügelt daher ihren rasenden Lauf nicht und bittet nur die Insassen des Schlittens dafür Sorge zu tragen, daß sie bei dem fürchterlichen Ruck, der dem Ueberspringen einer fadenweiten Spalte folgt, sich nicht den Kopf beschädigen. Ist der Spalt zu breit, so bleibt das Gespann wie angewurzelt plötzlich stehen; auch das giebt eine ganz respektable Erschütterung; nun steigt der Rosselenker ab und bindet die lange Holzstange und das Brecheisen, die er hinten am Schlitten stets angebunden führt, los, um zu erproben, ob noch Untereis da ist. Findet er dieses, so fährt er zu; findet er es nicht, so sieht er zu, ob der Spalt sehr lang ist, vielleicht durch den ganzen See, was einen Umweg von vielen Stunden verursachen würde; in solchem Falle wählt er ein einfaches kürzeres Mittel: er hackt mit seiner Brechstange das Eis, auf dem die Pferde und der Schlitten stehen, los und setzt auf dieser abgelösten Scholle über den Spalt, was ihm die bereits erwähnte, zum Abstoßen und Steuern bestimmte, lange hölzerne Stange möglich macht, sei der Spalt auch noch so breit. Die Pferde stehen ruhig und erleichtern somit die Passage ungemein. (Hierzu unsere Illustration auf Seite 97.)

Das Land, außer den Stadtgebieten, gehört in ganz Sibirien den einzelnen Stämmen; es existiren daher in ganz Sibirien keine Güter, weshalb das Land nur auf eine Reihe von Jahren gepachtet werden kann. Im Westen und Süden des Sees finden wir als Hauptbevölkerung die Burjaten, die im Ganzen ein intelligentes Volk sind. Sie flechten ihr dunkles Haar wie bei den Chinesen am Hinterkopf zu einem Zopf zusammen, aber diejenigen Burjaten, die als Grenzkosaken der russischen Krone dienen, müssen ihren geliebten Zopf abschneiden, was ihnen kein geringer Kummer ist. Sie sind übrigens mit der russischen Regierung ungemein zufrieden. Ist die Dienstperiode, die sich aber bis zu den spätesten Lebensjahren wiederholt, abgelaufen, so zieht der Burjate wieder seine Nationaltracht an, die weichen langen Stiefel (nach chinesischem Schnitt) und den langen hellblauen Rock mit Sammetaufschlägen. Den Kopf bedeckt er mit dem üblichen trichterförmigen Hütchen, dessen unterer breiter Rand in die Höhe geschlagen wird; die Spitze des Hütchens krönt eine rothe Troddel, deren Gestell bei Reicheren aus Silber gearbeitet ist. (Vergleiche Abbildung auf Seite 97.)

An der Ostseite des Baikal wohnen die Tungusen. Beide Stämme haben, trotz des mongolischen Typus, angenehme Gesichtsbildung; sie stehen unter Stammesältesten, welche wieder einem Fürsten unterstellt sind; dieser verhandelt für alle seine Tributzahler mit dem russischen Gouverneur. Im Collisionsfalle mit Russen sind alle aber den russischen Gerichten und der russischen Polizei unterstellt.

Cedern, Fichten, Pappeln, Lärchen, Birken sind die gewöhnlichen Baumarten. Die Flora ist ungemein reich und die Flüsse wimmeln von Fischen, unter denen sich namentlich auch der Stör findet. Der schwarze Sand, der hier vielfach gefunden wird, ist ungemein eisenhaltig (75 Procent), wie ja ganz Sibirien reich an Eisen, außerdem noch an Kupfer und Gold ist, und dennoch sind gerade die Ufer des Sees wild und öde, was aber wohl seinen Grund in den häufigen Erdbeben hat, die große Uferstrecken in den See stürzen; so ist bereits ein großes Dorf im See versunken, was gerade nicht zur Ansiedelung am Ufer lockt. Die Gegend südlich vom Baikal ist übrigens eine reiche Kornkammer Sibiriens.

Obschon bereits die Maisonne den letzten Schnee der Ebene vertilgt, beginnt die Schifffahrt auf dem Baikal doch erst im Juni, wo dann wieder die Theekarawanen die Ufer des Sees beleben. Es sei hier noch bemerkt, daß, wer reinen chinesischen Thee trinken will, diesen in Kiachta oder Nischni-Nowgorod auf dem Jahrmarkt kaufen muß; denn der zur See importirte wird schon in den chinesischen Hafenstädten, noch mehr aber nach seinem Eintreffen in Europa verfälscht.





James Garfield,

der nächste Präsident der Vereinigten Staaten.
Den Deutsch-Amerikanern zum 4. März 1881.

Am 2. November vorigen Jahres hat der erbitterte Wahlkampf, der mehrere Monate hindurch die politischen Leidenschaften des amerikanischen Volkes erregte und auf dem weiten Gebiete der Vereinigten Staaten, von den kanadischen Seen bis zum Golf von Mexico, von den Küsten des Atlantischen Oceans bis zu den Gestaden des Stillen Meeres, mit steigendem Wetteifer geführt wurde, sein Ende erreicht. Die Candidaten der republikanischen Partei, James A. Garfield und Chester A. Arthur, trugen, der erstere für das Amt des Präsidenten, der letztere für das des Vicepräsidenten, über ihre demokratischen Gegner, Winfield S. Hancock und William H. English. den Sieg davon.

Der Mann aber, welcher nunmehr durch die Stimme seines Volkes berufen ist, vom 4. März 1881 an als das den regierenden Häuptern der mächtigsten Nationen gleichgestellte Oberhaupt der großen transatlantischen Republik eine hervorragende Rolle in der Geschichte seines Landes zu spielen, führte noch vor wenig mehr als fünfundzwanzig Jahren als Holzhacker, Farmarbeiter und

Bootsmann auf dem Ohio- und Erie-Canal ein äußerst hartes,

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1881). Leipzig: Ernst Keil, 1881, Seite 98. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1881)_098.jpg&oldid=- (Version vom 14.9.2022)