Seite:Die Gartenlaube (1881) 105.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1881)

No. 7.   1881.
Die Gartenlaube.

Illustrirtes Familienblatt. – Begründet von Ernst Keil 1853.


Wöchentlich  bis 2 Bogen. Vierteljährlich 1 Mark 60 Pfennig. – In Heften à 50 Pfennig.



Zum hundertjährigen Todestage Lessing’s.
(15. Februar.)

Ein Angedenken gilt es heut zu feiern,
Das unvergleichbar andern Namen ist:
Dir gilt es, Lessing, Rufer in dem Streit.

Nicht Goethe’s schönheitssel’ger Genius,

5
Nicht Schiller’s Adlerflug zum Ideal

War dir, du mühvoll Kämpfender, verliehen;
Jedoch ein Ritter ohne Furcht und Tadel,
Zugleich ein Sänger warst du und ein Held
Ein Kampf dein ganzes Leben - und ein Sieg.

10
Nicht Rosen schmückten diese klare Stirn

Jedoch ein Kranz von Eichlaub und von Lorbeer
Ziert unverwelklich dir den eh’rnen Helm,
Den nie du abgelegt vom hohen Haupt.

Du hast von deutscher Bühne weggefegt

15
Wie Sturm die Schmach der wälschen Fremdherrschaft, –

Mit blankem, immer scharf geschliffnem Schwert
Hast du die Götzen jeder Art geschlagen.

„Der Freiheit eine Gasse!“ war dein Ruf,
„Freiheit denn deutschen Dichten, deutschen Denken!

20
Wohlthätig, nicht gefährlich ist das Licht,

Das milde Licht der Duldung und der Wahrheit.“

Der Ring, der in der Fabel ging verloren, –
Der Wahrheit bester Theil, ihr Unterpfand,
Das ew’ge Suchen nach der Wahrheit. – – Du,

25
Ein deutscher Nathan, hast den Ring gefunden – –


O daß dein Geist, der echte deutsche Geist,
Der Alles was da menschlich ist umschließt,
0 daß der Geist der Freiheit und der Wahrheit,
Des Forschermuthes und der Mannespflicht,

30
Daß Lessing’s Geist die starken Schwingen schlage,

Wo immer deutsche Sprache tönt!

Felix Dahn.





Amtmanns Magd.

Von E. Marlitt.
(Fortsetzung.)

Mit Pachter Griebel hatte sich Herr Markus rasch verständigt. Der Wackere hatte sich sofort bereit erklärt, den Gutsherrn bei seinem Samariterwerk zu unterstützen, und seine brave Ehehälfte hatte mit dem Bemerken acceptirt, was ihr Peter einmal wolle, das geschehe ja doch, und wenn er zehnmal seine duckmäuserische stille Miene aufstecke – er habe es eben faustdick hinter den Ohren, und da sage sie denn in Gottes Namen: Ja und Amen. Aber verwehren könne es ihr doch Niemand, wenn sie den Kopf schüttele und die Hände zusammenschlage über den jungen Herrn, dem es jedenfalls zu wohl sei, denn sonst ginge er doch wohl nicht so tanzlustig auf’s Eis. Mit der Frau Amtmann und allenfalls auch mit Fräulein Gouvernante würde sich’s ja vielleicht leben lassen; es käme ihr nicht darauf an, die alte Frau zu heben und zu tragen und des Nachts bei ihr zu wachen, das thäte sie recht gerne, und die stolzen Mucken der Gouvernante, na, die brauche man ja nicht zu sehen. Aber mit dem Amtmann, dem Faulpelz, dem Schlecker und Besserwisser, da gäb’s Krieg, das wolle sie nur gleich von vornherein sagen – und wenn sie seine Kuh mit Butterbrod und die paar abgelebten Hühner mit Eierkuchen füttere, er habe doch zu nörgeln, das wisse sie. Und die Magd in ihrem abgetakelten Stadtfähnchen und mit dem städtischen Gethue passe auch nicht auf’s Gut, wo im groben Bauernrock und ohne Scheuleder gearbeitet würde, das aparte Ding mache nur das Gesinde rebellisch, und ihr sei sie geradezu unleidlich. Wie der Zufall diese Abneigung auch noch motiviren half, das sollte der Gutsherr heute bis zur Evidenz erfahren.

Er hatte einen umfangreichen Bericht seines Buchhalters erhalten und war genöthigt, verschiedene dringliche Punkte sofort zu erledigen. Deshalb saß er schon seit Stunden am Schreibtisch im Erker, so angestrengt arbeitend, daß er der Außenwelt vollkommen entrückt war. Von der Pächterfamilie war heute noch Niemand heraufgekommen. Er hatte das durch eine Magd servierte Mittagessen allein eingenommen, und nach ihrem Weggang war das Kritzeln seiner Feder das einzige Geräusch gewesen, das die tiefe Stille des Erkerzimmers unterbrochen. Nun aber wurde die Thür resolut geöffnet und Frau Griebel’s Lederschuhe knarrten – sie brachte wie immer den Nachmittagskaffee eigenhändig.

„’s ist wahr, ein hübsch kühles Eckchen ist unser Gutshaus doch!“ sagte sie, nachdem ihr Herr Markus von seinem Platze

aus begrüßend die Hand gereicht hatte. „Draußen ist’s schwül,

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1881). Leipzig: Ernst Keil, 1881, Seite 105. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1881)_105.jpg&oldid=- (Version vom 25.1.2021)