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Verschiedene: Die Gartenlaube (1881)

nürnberger und mailänder Waffenschmiede wurden Panzerhemden feilgeboten, die zwar die Marke mailänder Meister trugen, in der kleinen westfälischen Bergstadt aber das Licht der Welt erblickt hatten.

Als Angriffswaffe galten immer noch die schwere Ritterlanze, der Streitkolben, sowie Schwert und Dolch. Die Hauptwirkung derartiger reisigen Geschwader beruhte auf der Wucht des ersten Anpralls, weshalb denn auch der eigentliche Angriff mit gesenkter Lanze erst in einer Entfernung von etwa fünfzig Schritten vom Gegner erfolgte. Des regellos einherlaufenden, mit Armbrust oder kurzem Spieß bewaffneten Fußvolkes wurde dabei nicht geachtet, und so blieben denn diese Ritterschlachten mehr oder weniger große Turniere, deren Erfolg meistens von der Wucht des ersten Zusammenstoßes abhing.

Da plötzlich trat ein fast ganz neues Element in den Vordergrund der Schlachten. Die tapfern dithmarscher Bauern, Ziska mit seinen unüberwindlichen Hussiten und endlich die Eidgenossen in ihren siegreichen Kämpfen gegen Habsburg und den mächtigen Burgunderherzog brachten das bis dahin mißachtete Fußvolk zu hohen Ehren. Noch um 1450 galten die Hussiten für das beste Kriegsvolk Europas, und vielfach dienten hussitische Söldner auch unter fremden Fahnen, vor den Mauern Soests aber und unter den siedenden Breitöpfen seiner die Wälle tapfer vertheidigenden Weiber sollte ihr lang bewährter Kriegsruhm erbleichen. Ihnen folgten die Schweizer und behaupteten lange Zeit hindurch den Ruf des besten Fußvolks, bis Kaiser Max auch diesem allmählich ein Ende machte.

Ein Fürst, der auf wunderbare Weise die alte wie die neu aufkeimende Zeit in seiner Person vermittelte, ein Kriegsmann, der sowohl im Scharfrennen, wie als Büchsenmeister von Keinem übertroffen worden erkannte er mit richtigem Blicke das Bedürfniß seiner Zeit und schuf sicheren Griffes die „frommen deutschen Landsknechte“, indem er aus Bauern seiner österreichischen Erblande Fußtruppen zu bilden begann, welche schon nach einem Jahrzehnt die furchtbarsten Gegner der Schweizer werden sollten. Bewaffnet mit achtzehn Fuß langen Spießen, mit Hellebarden und Schlachtschwertern, später verstärkt durch Hakenschützen, lehrte Held Teuerdank diese compacten Massen in gegliederter Ordnung fechten, durch den sogenannten „Igel“ einen von Spießen starrenden, undurchbrechbaren Wall gegen die anstürmenden Reitergeschwader bilden und durch unaufhaltsames geschlossenes Vorwärtsschieben der wuchtigen Phalanx den endlichen Sieg gewinnen.

Lange schwankte der Ruf zwischen schweizer und deutscher Kriegstüchtigkeit; auf allen Schlachtfeldern sehen wir die Söhne Schwyz’ und Unterwaldens den deutschen Landsknechten als grimme Gegner gegenüberstehen; manch blutiges Lehrgeld mußten die Deutschen ihren Meistern zahlen aber nicht allzu lange mehr sollten letztere ihre Ueberlegenheit behaupten. Das alte Horn von Uri, welches bei Nancy mit so grauenvollem Klange Karl’s des Kühnen Grabgesang geblasen, geht auf den Feldern Marignanos verloren – mit ihm aber auch zugleich der Ruf eidgenössischer Unwiderstehlichkeit; denn schon in dem Treffen bei Bicocco von deutschen Fürsten, trotz stürmischer Tapferkeit, völlig auf’s Haupt geschlagen, werden sie endlich bei Pavia durch Frundsberg und seine Landsknechte derart heimgeschickt, daß von jetzt an das Vertrauen in ihre Zuverlässigkeit immer schneller schwindet und sie sich zuletzt mit dem zweifelhaften Ruhm päpstlicher Trabanten und Hüter fürstlicher Paläste begnügen müssen.

Die Blüthezeit der deutschen Landsknechte fällt in die Regierungsperiode Karl’s des Fünften. Unter Max anfänglich aus Volk vom Lande zusammengesetzt – woher die Benennung – ergänzen sich ihre Führer von vorneherein aus beutesuchenden und waffenkundigen Edelleuten. Aber auch allerhand abenteuerlustige Gesellen aus den Städten, sowohl junge Patricier, wie Handwerker, leidet es nicht mehr in den engen heimatlichen Mauern. Zu verlockend, freiheit- und beuteverheißend winken ihnen die blauen Berge zu, und abermals, wie zu den Zeiten der Hohenstaufen, sind es Lombardiens sonnige Ebenen, welche die Kernkraft deutscher Nation so unwiderstehlich anziehen, welche mit dem Blute so manches tapferen Gesellen gedüngt werden sollen. Obschon um Sold fechtend und deshalb lediglich demjenigen Fürsten zueilend, unter dessen Fahnen die reichste Beute zu gewinnen, sehen wir doch schon früh den Geist evangelischer Freiheit ihre Reihen durchdringen. Die unglücklichen Bauernkriege haben den Landsknechtsheeren das größte Contingent geliefert.

Aus dem großen Massacre, welches die Fürsten unter dem armen, niedergetretenen Volke anrichteten, hatten sich nicht nur allerhand verzweifelte Kerle, die schon von vornherein nichts zu verlieren gehabt, unter die schirmenden Fahnen geflüchtet – nicht nur mancherlei catilinarische Existenzen der in den Aufruhr mitverflochtenen Städte zogen, den Reitern des blutgierigen Truchseß glücklich entronnen, über die Alpen dem Doppeladler oder Frankreichs Lilien zu, auch mancher brave Mann, der im festen Glauben an das „reine, die Unterdrückung verdammende Evangelium“ Gut und Blut an die zwölf Artikel gesetzt und mit dem nackten Leben vielleicht nichts als die Blechhaube und den Knebelspieß, die Hellebarde aus der Väterzeit gerettet, schließt sich der enggegliederten Gemeinde von Männern an, deren Freiheit und Glauben durch selbstgegebene Gesetze unverbrüchlich festgestellt sind. Luther’s Worte finden lebendigen Wiederhall auch in den Herzen dieser wilden Kriegsgesellen, und gerne dienen sie einem Kaiser, der zwar durch und durch katholisch ist, demungeachtet aber mit dem Antichristen in Rom den Krieg bis auf’s Messer führt und seinen frommen Landsknechten dabei nach Erstürmung der heiligen Stadt die reiche Beute gönnt.

Dieser religiöse Zug, lediglich dem Anringen des deutschen Geistes gegen die Knechtschaft des Papstes entsprungen, tritt bei Georg von Frundsberg, dem „Vater der Landsknechte“, am lebendigsten hervor. Als während der Belagerung Pavias die kaiserliche Sache schlecht stand, ging man Frundsberg lange vergeblich um Hülfe an. Der kampfesmüde Held, aus Erfahrung wissend, daß „Dank vom Hause Oesterreich“ nicht zu erwarten, blieb unerbittlich, und lediglich der in seinem Herzen tief eingewurzelte Haß gegen den Feind deutschen Namens und deutscher Geistesfreiheit, gegen den Papst, bewog ihn, nochmals in Person über die Alpen zu ziehen.

Daß die deutschen Landsknechte so oft ihre Waffen gegen die eigene Mutter gewandt, daß sie ihr Blut meist für fremde Interessen hingegeben, wer will es den rohen, leichtlebigen Gesellen, denen noch dazu so manches Beispiel fürstlichen Landesverrathes und feiler Bestechlichkeit vor Augen schwebte, verdenken? Aber von dieser Zeit an beginnt bei den fremden Nationen die Verachtung deutschen Namens und Wesens. Der infamen Bestechlichkeit verdanken wir nicht nur, daß dem Reichsverbande ein Stück nach dem andern entfremdet wurde, lediglich ihr ist es zuzuschreiben, daß die talentvollsten deutschen Krieger von Schärtlin’s Tagen an bis auf Bernhard von Weimar sich französischem Golde, französischer Hinterlist verkauften, und, was ein gutes, deutsches Herz nicht minder schwer verwinden kann, daß die Arsenale Frankreichs sich mit Trophäen schmückten, welche deutsches Blut dem deutschen Blute abgerungen hatte.

Wir erinnern nur an das Feilschen um die deutsche Kaiserkrone von Seiten der Häuser Habsburg und Valois, an die kolossalen Summen, welche vom spanischen Karl durch die Vermittelung der Fugger, an die ebenso enormen Jahresrenten, welche vom französischen Könige zur Bestechung an die deutschen Wahlfürsten ausbezahlt wurden. Konnte unter zwei fremdländischen Kronbewerbern, welche nicht einmal der deutschen Sprache mächtig waren, von deutschem Namen, deutschen Interessen die Rede sein? Selbst Franz von Sickingen ist von dieser fast krebsartig wuchernden Bestechlichkeit nicht ganz freizusprechen, obschon er auf Zureden des ihm wohlgewogenen Max später seiner französischen Bestallung entsagte und dann allerdings unter Karl dem Fünften niemals seine dem jungen Kaiser geleisteten enormen Vorschüsse wiederzuerlangen vermochte.

Mit dem Anfange des sechszehnten Jahrhunderts beginnt eine glänzende Periode deutscher Kriegstüchtigkeit. Max brachte seine Schöpfung zu hohen Ehren. Er verstand es, dieselbe zu einer Art verbrüderte Gemeinde mit streng normirten Gebräuchen und Gesetzen zu formen, und hielt es, wie uns Thomas Hubert in seinen Annalen über das Leben des Kurfürsten Friedrich des Zweiten von der Pfalz sehr anschaulich erzählt, nicht unter seiner Würde, in Begleitung vieler fürstlichen Herren als Landsknecht mit dem Spieß auf der Schulter, das breite, kurze Schwert vor den Leib geschnallt, in das heilige Köln einzuziehen. Daß solch Beispiel, noch dazu von einem Fürsten gegeben, der mit der Kaiserwürde zugleich den Ruf des besten deutschen Ritters verband, das alte Vorurtheil adeliger Rüstung bald durchbrechen mußte, ist selbstverständlich, und so sehen wir denn auch immer häufiger deutsche Edelleute als Doppelsöldner in den Reihen der Landsknechte fechten.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1881). Leipzig: Ernst Keil, 1881, Seite 110. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1881)_110.jpg&oldid=- (Version vom 14.9.2022)