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Verschiedene: Die Gartenlaube (1881)

der in nördlicheren Breiten die zärtlichere Mandel im Wintergarten vertreten muß.

Wer aber einen Bach oder ein kleines Wasser in der Nähe seines Wintergartens haben kann, der unterlasse nicht, die Ufer desselben mit Dotterweiden zu bepflanzen, welche abwechselnd mit dem schon erwähnten purpurzweigigen Hornstrauch durch ihr tiefgelbes Astwerk ungemein viel Lebensfarbe in die öde Landschaft des Vorfrühlings bringen. Das geneigte Ufer am Wasser sollte man in den Zwischenräumen reichlich mit unserer gemeinen Pestwurz (Petasites officinalis) bepflanzen, einer Pflanze, die lange nicht genug von unseren Landschaftsgärtnern gewürdigt wird. Sobald Ende Februar der Schnee vom Rasen fortgeht, tauchen ihre purpurnen Blüthensträuße wie rothe Tannenzapfen aus dem Boden empor und entfalten sich im März, während die kolossalen Blätter in ihrer wahrhaft tropischen Ueppigkeit den ganzen Sommer über als herrlichste einheimische Blattpflanze das Ufer schmücken. Ich weiß nicht, ob der sogenannte Winter-Heliotrop (Petasites fragrans), der in Frankreich den ganzen Winter hindurch vom November bis zum März seine rosenrothen vanilleduftenden Blüthen entfaltet, auch in unseren Gärten fortkömmt; er würde sonst eine werthvolle Bereicherung unseres Wintergartens bilden.

Wer noch weiter gehen will, mag in unmittelbarer Verbindung mit dem Wintergarten eine Alpenpflanzengruppe anlegen, deren Blumen sich in der Ebene größtentheils schon im April entfalten, um so einen Uebergang zum Sommergarten herzustellen und die Jahreszeiten an bestimmte Stellen seines Gartens zu fesseln. Natürlich will alles, was hier gesagt wurde, nur als Anregung betrachtet werden, nach welcher aber jeder geschickte Blumen- und Landschaftsgärtner im Stande sein dürfte, unseren Gärten und Parken neue und ungeahnte Reize für die ödesten Monate im Jahre zu verleihen.






Etwas über den Panama-Canal.

Es hat viel Erhebendes, daß in einer Zeit, in welcher das altverrottete Chinesenthum der Grenzsperren tagtäglich an unseren moskowitischen Ostmarken den friedlichen Verkehr befreundeter Nachbarvölker erschwert, in einer Zeit, in welcher die hohe Politik in hohen Steuer- und Zolltarifen Schutzbarrieren gegen freien Verkehr und Handel aufthürmt, daß in eben derselben Zeit so beschränkender Maßnahmen der Mensch alle Schranken der Naturgewalten überwindet, um dem Verkehr die kürzesten, sichersten, bequemsten Straßen zu öffnen. Die Natur wird, um den Verkehr zu fördern, förmlich umgebildet, die breitesten Klüfte, die tiefsten Abgründe werden überbrückt, die höchsten Berge umgangen, durchbohrt und Eisenstraßen über sie geführt –- Jahrtausende getrennte Meere werden zu verkürztem Verkehr mit einander verbunden.

Es ist überflüssig anzuführen, welche Tunnels, Viaducte, Brücken und Canäle in unserem Jahrhundert zu diesem Zweck gebaut worden sind, was die Technik zur Beförderung des Verkehrs in Wasser- und Landbauten, in Hoch- und Tiefbauten geleistet hat. Es ist überflüssig anzuführen, daß durch den Suezcanal das Mittelmeer mit dem Rothen Meer, der Atlantische Ocean mit dem Indischen verbunden, und daß dadurch die kürzeste schiffbare Verbindung zwischen Europa und Asien, den beiden volks- und productenreichsten Erdtheilen, hergestellt worden ist.

Ein Seitenstück vom Canal von Suez ist der jetzt geplante Canal in Centralamerika, der das Atlantische Meer mit dem Großen Ocean verbinden soll. Ueberblicken wir die Vertheilung des Festen und Flüssigen auf der Erde, so werden wir bald erkennen, wie diese beiden großen Werke einander entsprechen. Vergessen wir auf einen Augenblick die herkömmliche, aber nur zufällige Eintheilung der Erdoberfläche in fünf Erdtheile und fünf Meere, so sehen wir ein einziges großes Weltmeer, in welches zwei Landmassen von den Nordpolargegenden bis weit in die südliche Halbkugel hinein sich erstrecken, die dadurch dieses Weltmeer in zwei große Abtheilungen zerlegen.

Das Weltmeer ist nun überall der Tummelplatz des großen Verkehrs geworden, doch ist dieser nicht über alle Theile der Erde gleichmäßig verbreitet. Alle Völker, die an ihm regen Antheil nehmen, wohnen auf der nördlichen Halbkugel, und zwar der Hauptmasse nach auf dem Gürtel von 30 Breitegraden oder 450 geographischen Meilen, welcher zwischen dem 30. und 60. Grad nördlicher Breite eingeschlossen ist. Was ist begreiflicher, als daß sie sich an dem Naturzwang stoßen, der sie nöthigt, einen Hunderte von Meilen weiten Umweg zu machen, wenn sie von einem Meer in’s andere gelangen wollen? Die Europäer, denen der Verkehr mit den Ländern des Indischen Oceans am meisten am Herzen liegt, haben deshalb in 30 Grad nördlicher Breite bei Suez die eine Landmasse durchbrochen. Statt um die 70 Breitegrade südlicher liegende Spitze von Afrika zu fahren, können sie nun am Nordrande dieses Erdtheils hin in das andere Meer gelangen und sparen damit nicht nur Zeit und Geld, sondern sind auch im Stande, ihre Macht nach jenen Gegenden hin viel straffer und damit stärker fühlbar zu machen, als vordem. Zeit sparen heißt vorzugsweise in unseren Tagen nicht blos Geld sparen, sondern auch Macht gewinnen.

Aber die Schranke der westlichen Landmasse ist noch immer geschlossen, und so ist denn nunmehr ihre Durchbrechung das nächste großartigste Werk, die nächste Weltarbeit, welche handels- und geldmächtige Völker und unternehmende Geister sich vorgesetzt haben. Die Durchstechung des Isthmus von Panama wird bei weitem das größte Werk sein, das Menschenhände jemals geschaffen. Weder der Suezcanal, noch die Pyramiden, noch die hängenden Gärten der Semiramis werden diesem Werke gegenüber fernerhin als Weltwunder angestaunt werden können; denn die Schwierigkeiten und Hindernisse, die hier der Ausführung entgegentreten, sind bei weitem zahlreicher, mannigfaltiger und mächtiger; sie sind physischer, technischer, finanzieller, politischer Natur. Die Verhältnisse des amerikanischen Isthmus sind von jenen der Landenge von Suez so verschieden, daß man diese Werke kaum mit einander vergleichen kann. Die eine Landenge ist die Region außergewöhnlichen Regenfalls, die andere außergewöhnlicher Trockenheit; die eine ist bedeckt mit undurchdringlichen, endlosen Urwäldern, die andere gänzlich kahl; die eine besteht aus Gebirgen mit steilen Abstürzen und Schluchten, durch die sich nach jedem Regen furchtbare Ströme wälzen, die andere ist eine sandige Ebene.

Die Wichtigkeit der Verbindung beider Weltmeere ist seit der Entdeckung Amerikas erkannt worden. Schon Columbus, so unrichtig seine Vorstellungen auch sonst waren, suchte hier eine Durchfahrt nach dem goldenen Kathai und Cipangu (nach China und Japan), nach den duftigen Eilanden der Gewürze, welche vor ihm Marco Polo geschildert hatte. Auch die ersten spanischen Eroberer Amerikas suchten hier vergeblich eine Meeresstraße, und während der späteren langen Jahrhunderte fuhren die Segler den langen Weg an den Küsten um die Südspitze Amerikas.

Erst Alexander von Humboldt war es im Anfange unseres Jahrhunderts, der sich eifrigst mit dem Verbindungsproject beider Meere durch einen Canal beschäftigte. Er hat darauf gedrungen, den Isthmus in seiner ganzen Länge an der Hand der Höhenmessung zu untersuchen, „besonders da, wo er sich an das Festland von Südamerika durch Darien und die unwirthbare ehemalige Provincia de Biruquete anschließt und wo zwischen dem Fluß Atrato und der Bai von Cupica (im Litoral der Südsee) die Bergkette des Isthmus fast gänzlich verschwindet“.

General Bolivar hat auf Humboldt’s Vorstellungen in den Jahren 1828 und 1829 durch Lloyd und Falmarc die Landenge zwischen Panama und der Mündung des Rio Chagres genau nivelliren lassen, und andere Messungen sind später von kenntnißvollen und erfahrenen französischen Ingenieuren, wie Projecte für Canäle und Eisenbahnen mit Schleußen und Tunnels gemacht worden. Die Zahl der in den letzten zwanzig Jahren von den verschiedensten Regierungen, Gesellschaften und Privaten zu diesem Zweck unternommenen Expeditionen und Canalprojecte ist Legion. Das Großartigste im Projectemachen leisteten bisher die Franzosen; von ihnen liegen nicht weniger als 36 Entwürfe zum Durchstich des Isthmus vor, von denen jeder der „einzig“ durchführbare sein sollte. Aber sie alle zusammengenommen waren nicht auf Untersuchung der Feldmeßkunst gegründet. Erst die von der Vereinigten Staatenregierung ausgerüsteten Expeditionen in den Jahren 1870

bis 1875 untersuchten wissenschaftlich den ganzen Isthmus. Je

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1881). Leipzig: Ernst Keil, 1881, Seite 144. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1881)_144.jpg&oldid=- (Version vom 5.3.2022)