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Verschiedene: Die Gartenlaube (1881)


Entschluß, und Keinem wird es gelingen, nur so gleichsam „über Nacht“ – sparsam zu werden.

Fangt zuerst damit an, das zu erhalten, was noch euer Eigen ist. Schafft zweitens nichts Ueberflüssiges an, so wird es euch kaum jemals am Nöthigen mangeln, und dann erst, wenn Ordnung, Umsicht und kluge Eintheilung das Ihrige gethan haben, dann erst greift zu dem äußersten Mittel, hier und da etwas abzuknappen an den gewohnten Bedürfnissen! In den meisten Fällen aber wird es, zu eurem Staunen, gar nicht nöthig sein, daß ihr die Sparsamkeit so weit treibt.




Karl von Clausewitz.
Ein Lebensbild aus den Zeiten der Befreiungskriege.
Von E. Rudorff.
„Ich habe nie Ihren großen Werth verkannt.“
Scharnhorst.

Unter den ausgezeichneten Männern, welche seit der unglücklichen Schlacht bei Jena ihr ganzes Streben daran setzten, Preußen vom tiefen Fall zu erheben, steht in erster Linie der jüngere Freund Scharnhorst’s und Gneisenau’s, Karl von Clausewitz. Er war eine ideal angelegte Natur, und wie er für sein Denken und Handeln die reinsten Charaktere des Alterthums als Vorbilder nahm, so schenkte er auch Freundschaft und Liebe nur wahrhaft vornehmen Seelen. Dem allgemeinen Interesse ist Clausewitz kürzlich durch das Erscheinen seiner mit so großem Beifall aufgenommenen Biographie von Karl Schwartz[1] auf’s Neue näher getreten, und so dürfte ein Blick auf sein Leben den Lesern der „Gartenlaube“ gerade jetzt nicht unwillkommen sein.

Wir stützen uns bei den folgenden Mittheilungen namentlich auf das so eben erwähnte interessante Lebensbild und berücksichtigen dabei besonders unseres Helden bisher noch wenig bekannt gewordenes, von Hauche einer schönen Idealität durchwehtes Verhältniß zu seiner Geliebten und nachmaligen Gattin, der durch große Gaben ausgezeichneten Gräfin Marie von Brühl.

Karl von Clausewitz wurde 1780 in Burg geboren. Sein Vater war als Officier im siebenjährigen Kriege bei Colberg an der rechten Hand verwundet worden, mußte den Abschied nehmen und erhielt den Posten als Accise-Einnehmer in Burg. Das Einkommen dieser Stelle betrug 300 Thaler, und von einer so bescheidenen Summe hatte Clausewitz vier Söhne und zwei Töchter zu erziehen. Trotzdem war die Erziehung der Kinder eine so treffliche, daß sie alle sich des braven Vaters würdig erwiesen.

In Burg gab es nur eine Bürgerschule, welche Karl bis zu seinem zwölften Jahre besuchte; dann trat er, gleich seinen älteren Brüdern, in das Regiment „Prinz Ferdinand“ ein und machte im nächsten Jahre mit demselben den Rheinfeldzug mit.

Mit fünfzehn Jahren als Secondelieutenant nach Neu-Ruppin in Garnison gekommen, suchte der lernbegierige Jüngling die Lücken seiner Bildung auszufüllen, doch fehlte es in der kleinen Stadt ebenso sehr an Hülfsmitteln dazu, wie an der nöthigen Anleitung. Erst 1801 erfüllte sich sein sehnlichster Wunsch: sich auf der allgemeinen Kriegsschule in Berlin fortbilden zu dürfen.

Kurze Zeit vorher war Scharnhorst als Obristlieutenant im dritten Artillerieregimente und Lehrer an der Militärakademie in den preußischen Dienst berufen worden und übernahm nun den größten Theil des Unterrichts an dieser Anstalt. Voll Güte und Freundlichkeit ermunterte er den nur unzulänglich vorbereiteten jungen Officier und förderte durch seinen lichtvollen Unterricht dessen geistige Anlagen. Mit Recht nannte daher Clausewitz ihn „den Vater seines Geistes“ und hing zeitlebens mit der höchsten Verehrung an dem geliebten Lehrer. Wiederholt hat Scharnhorst geäußert, daß außer seinen Kindern ihm kein Mensch auf Erden so nahe gestanden habe als Clausewitz. Und 1813 schreibt er dem jüngeren Freunde: „Ich habe nie Ihren großen Werth verkannnt; recht gefühlt habe ich ihn erst in dieser Zeit, wo ich so viel zu thun hatte. Nur mit Ihnen verstehe ich mich; nur unsere Ideen vereinigen sich oder gehen in ruhiger Gemeinschaft neben einander in unveränderter Richtung.“

Clausewitz verdankte es Scharnhorst, daß er nach beendigtem Cursus an der Kriegsschule als Adjutant des Prinzen August von Preußen in Berlin bleiben durfte. In Folge seiner Stellung in die Hofkreise eingeführt, lernte er im Jahre 1803 die Gräfin Marie von Brühl, Hofdame der Königin Mutter, kennen. Gräfin Marie, eine Enkelin des bekannten sächsischen Ministers und Reichsgrafen von Brühl, war ein Jahr älter als Clausewitz; sie war eine große Verehrerin Goethe’s, sprach vortrefflich Englisch und Französisch, malte mit Geschmack und war sehr musikalisch. Ohne schön zu sein, zeichnete sie sich durch einen schlanken Wuchs und gewinnende Züge aus, und in ihren blauen geistvollen Augen spiegelte sich ein edles reines Gemüth. Obwohl in den höchsten Kreisen aufgewachsen – ihre Mutter war Sophie Gomm, Tochter des englischen Botschafters in Petersburg – und stets im Verkehr mit der vornehmsten Gesellschaft, war sie von der größten Einfachheit und Natürlichkeit des Benehmens. Sie hatte vor kurzer Zeit ihren Vater verloren, als Clausewitz in einer Abendgesellschaft bei dem Vater des Prinzen August ihr vorgestellt wurde. Beide sahen sich nun häufig in Hofkreisen, und mit jeder Begegnung wuchs das Interesse, welches sie an einander nahmen. Es gereicht der jungen Hofdame zum höchsten Lobe, daß sie bald den inneren Werth des schüchternen, ernsten, in der Gesellschaft wenig hervortretenden Officiers erkannte, und dem innigen Gefühle, das sie zu ihm zog, sich mit voller Wärme überließ. Obwohl Beide empfanden, wieviel sie einander waren, gab es doch während zweier Jahre keinen Augenblick, in welchem sie sich ohne Zeugen hätten sehen und ein Wort der Verständigung sprechen können.

Endlich, am 3. December 1805, bei dem bevorstehenden Ausmarsche der Truppen, als Clausewitz sich von der still Geliebten verabschiedete, wagte diese die Worte:

„Ich hoffe, Sie werden Ihre hiesigen Freunde nicht vergessen.“

Clausewitz ergriff ihre Hand, küßte dieselbe und sagte:

„O, wer Sie einmal gesehen hat, der vergißt Sie nie wieder.“

„Sein Blick,“ äußerte sich die Gräfin in einer späteren Aufzeichnung, „der Ton seiner Stimme bei diesen Worten drang mir bis in’s Innerste der Seele und wird mir ewig unvergeßlich bleiben. Wir hielten einander noch einen Augenblick schweigend und gerührt bei der Hand; wir wären einander in die Arme gesunken, wenn wir allein gewesen wären, wären dann um eine herrliche Erinnerung reicher, aber auch so gehört dieser Augenblick zu den schönsten und wichtigsten unseres Lebens; denn wir hatten einander verstanden, und der Bund unserer Herzen war schweigend geschlossen.“ Bald sollten jedoch bestimmtere Erklärungen folgen; denn am 21. Juni 1806 war es den Liebenden vergönnt gewesen, sich noch einmal zu sehen und ohne Zeugen ihre Gefühle einander aussprechen zu dürfen.

Der Krieg kam erst im Jahre 1806 zum Ausbruch; Clausewitz rückte mit dem Prinzen August in’s Feld, wurde jedoch bald nach der Schlacht bei Jena sammt dem Prinzen nach ruhmvoller Gegenwehr gefangen genommen.

Zunächst lebten der Prinz und Clausewitz in Soissons und Nancy, besuchten auch Paris und hielten sich auf der Rückreise einige Zeit bei Frau von Staël in Coppet auf, wo sie mit August Wilhelm von Schlegel zusammen kamen und die Bekanntschaft von Pestalozzi machten. Während dieser Trennungszeit hatte die Gräfin Marie zwar mit Einwilligung ihrer Mutter in brieflichem Verkehr mit Clausewitz gestanden, von einer öffentlichen Verlobung des jungen, unbemittelten Subalternofficiers mit der Tochter eines Reichsgrafen durfte jedoch nicht die Rede sein. Ueberhaupt hielt die alte Gräfin Brühl dieses Verhältniß für ein romanhaftes und wünschte ihre Tochter bald mit einem für sie passenderen Gatten vereint zu sehen. Gräfin Marie blieb jedoch fest, obwohl sie durch eine Verbindung mit dem Grafen Alexander von Dohna, welche auch der ihrer Familie befreundete Minister Stein befürwortete, allen Ansprüchen auf Rang und Stellung hätte genügen können.

  1. Leben des Generals Karl von Clausewitz und der Frau Marie von Clausewitz geborenen Gräfin von Brühl. Mit Briefen, Aufsätzen, Tagebüchern und andern Schriftstücken. Von Karl Schwartz. 2 Bände.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1881). Leipzig: Ernst Keil, 1881, Seite 148. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1881)_148.jpg&oldid=- (Version vom 14.9.2022)