Seite:Die Gartenlaube (1881) 165.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1881)

Geschichte“ den Brückenmeister und Steinmetz der Kreuzkirche, Schikketanz, als den Verfertiger desselben nennt, ohne jedoch urkundliche Beweise für seine Behauptung beizubringen.

Einhundertundsechszig Jahre lang blieb der Todtentanz unangetastet – nur der blaue Anstrich des Hintergrundes mußte während dieser Zeit einem rothen weichen – an seinem ursprünglichen Orte. Aber am 25. März des Jahres 1701, an einem Charfreitage, brach im Schlosse Feuer aus, das sich bald über den ganzen Georgs-Flügel verbreitete und den Todtentanz so sehr beschädigte, daß man bei einem Wiederaufbaue des Schlosses von seiner Verwendung für den alten Zweck Abstand nahm. Als man die dem Einstürze drohenden Mauern der Brandruine abtrug, stellte man das ehrwürdige Kunstwerk bei Seite, und es wäre auch sicherlich in Vergessenheit gerathen, wenn sich der Pastor der Kirche zu Neustadt-Dresden, Magister Hilscher, nicht seiner eifrig angenommen hätte. Hilscher’s Name ist mit dem Dresdener Todtentanze auf das Engste verknüpft. Zu wiederholten Malen suchte er beim Kurfürsten August dem Starken um Restaurirung des Denkmals nach, aber vergeblich. Nun suchte er durch Herausgabe einer Beschreibung des Totentanzes das Interesse für denselben lebendig zu erhalten, und endlich schenkte der Kurfürst das Werk der Kirchengemeinde Neustadt-Dresden, welche seine Wiederherstellung auf eigene Kosten unternahm. Im Jahre 1721 wurde der Todtentanz durch den Bildhauer Brückner restaurirt. Da die vier letzten Figuren durch den Brand bis auf wenige Reste vernichtet waren, wurden dieselben neu angefertigt. Auch hat man oben und unten einen Streifen angesetzt und auf demselben das Symbol des Todes mit der Umschrift „Der einzig Unfehlbare“, sowie die vom Prediger Hilscher gedichteten Verse angebracht.

In solcher Gestalt wurde der Todtentanz noch 1721 an der Mauer des Begräbnißplatzes der Neustädter Kirchengemeinde, der sich zwischen dem Rhänitzthore und dem sogenannten schwarzen Thore erstreckte, aufgestellt, nachdem noch aus dem rothen Hintergründe ein gelber geworden war. Aber auch diese Stelle sollte dem Todtentanze nicht lange eingeräumt bleiben. Wegen des Baues der jetzigen Neustädter Drei-Königskirche ging der Friedhof ein und wurde in die Nähe der sogenannten Scheunenhöfe verlegt, wohin auch der Todtentanz im Jahre 1733 überführt wurde. Seine Leiden waren damit jedoch noch nicht beendigt. Vermuthlich um ihn recht gespenstisch wirken zu lassen, wurde er mit weißer Oelfarbe überzogen, und schließlich fügte eine patriotische Hand noch einen grünen Hintergrund hinzu, sodaß das Werk nunmehr die sächsischen Landesfarben zeigte. In neuester Zeit hat man auch diese entfernt und die natürliche Farbe des Sandsteins wieder zum Vorscheine gebracht.

Nach so wechselvollen Schicksalen ist es nur zu bewundern, daß die einzelnen Figuren der Erklärung keine besonderen Schwierigkeiten bereiten. Nur einige Attribute sind undeutlich geworden. So ist das Gefäß, welches das den Zug eröffnende Todtengerippe in der Hand trägt, nicht, wie man nach der Abbildung glauben sollte, ein Pokal, sondern eine Sanduhr, und der spitze Auswuchs an seinem Hinterhaupte ein Büschel Haare, welchen sich der Künstler im Winde flatternd dachte.

Die charakteristischen Eigenthümlichkeiten des Dresdener Todtentanzes bestehen darin, daß der Zug der beiläufig vierzig Centimeter hohen siebenundzwanzig Figuren in zwei Gruppen getheilt ist, deren eine den geistlichen Stand umfaßt, während die andere aus den weltlichen Ständen zusammengesetzt ist. Wie das Todtengerippe, welches die ganze Procession anführt, gleichsam zum Tanze auf einer Flöte aufspielt, so schlägt auch das zweite, vor der Gruppe der weltlichen Figuren, mit zwei Todtenbeinen die Trommel. Den Beschluß des Zuges macht ein dritter Knochenmann mit der Sense, der gleichsam aufpaßt, daß ihm Niemand entrinne.

Während die meisten übrigen Todtentänze an der Idee des Tanzes noch in so fern festhalten, als jeder Figur noch ein Gerippe als Partner beigesellt ist, hat sich der Dresdener Künstler auf drei Knochenmänner beschränkt, welche gewissermaßen die Escorte des schrecklichen Zuges bilden. Derselbe bewegt sich übrigens, wenn man von der etwas lebhaften Fußbewegung des Bischofs absieht, in feierlichem Tempo dahin. Die Composition ist durchaus würdevoll – nichts von jenem wilden Humor, jener fast burlesken Ausgelassenheit, jenem ironischen Zuge, welche wir als charakteristische Merkmale früherer und späterer Darstellungen dieser Art ansehen müssen. Eine solche etwas frivole Auffassung mochte dem ernsten Sinne des Stifters widersprechen.

An das Gewand des Zugführers, um dessen knöcherne Beine sich zwei Schlangen winden, hält sich der Papst, welcher als der oberste Würdenträger der Kirche, wie billig, den Reigen eröffnet. Ihm folgt sein Hofstaat, die ganze ecclesia militans, die streitbare Kirche: Cardinal, Erzbischof, Bischof, Prälat, Domherr und in gebückter, demüthigen Stellung der Kapuziner, den das Buch in seiner Linken als Predigermönch charakterisirt, während der Foliant in der Hand des Prälaten vielleicht auf die diesem hohen Kirchenbeamten zustehende Gerichtsbarkeit deutet. Der zweite Knochenmann, den wie den ersten ein weites Leichentuch umflattert, blickt sich vorsorglich nach seiner Cohorte um, ob sie ihm auch willig folge. Mit zwei Todtenbeinen trommelt er dem Zuge der weltlichen Stände, welchen der Kaiser eröffnet, den Marsch. Auf den Kaiser, in welchem man Karl den Fünften erkennen will, folgt der König, unter dem dann Ferdinand der Erste zu denken wäre. Die nächste Gestalt, der Kurfürst mit dem Orden des goldenen Vließes um den Hals, wird auf Herzog Georg den Bärtigen von Sachsen selbst gedeutet,

Geschichte“ den Brückenmeister und Steinmetz der Kreuzkirche, Schikketanz, als den Verfertiger desselben nennt, ohne jedoch urkundliche Beweise für seine Behauptung beizubringen.

Einhundertundsechszig Jahre lang blieb der Todtentanz unangetastet – nur der blaue Anstrich des Hintergrundes mußte während dieser Zeit einem rothen weichen – an seinem ursprünglichen Orte. Aber am 25. März des Jahres 1701, an einem Charfreitage, brach im Schlosse Feuer aus, das sich bald über den ganzen Georgs-Flügel verbreitete und den Todtentanz so sehr beschädigte, daß man bei einem Wiederaufbaue des Schlosses von seiner Verwendung für den alten Zweck Abstand nahm. Als man die dem Einstürze drohenden Mauern der Brandruine abtrug, stellte man das ehrwürdige Kunstwerk bei Seite, und es wäre auch sicherlich in Vergessenheit gerathen, wenn sich der Pastor der Kirche zu Neustadt-Dresden, Magister Hilscher, nicht seiner eifrig angenommen hätte. Hilscher’s Name ist mit dem Dresdener Todtentänze auf das Engste verknüpft. Zu wiederholten Malen suchte er beim Kurfürsten August dem Starken um Restaurirung des Denkmals nach, aber vergeblich. Nun suchte er durch Herausgabe einer Beschreibung des Totentanzes das Interesse für denselben lebendig zu erhalten, und endlich schenkte der Kurfürst das Werk der Kirchengemeinde Neustadt-Dresden, welche seine Wiederherstellung auf eigene Kosten unternahm. Im Jahre 1721 wurde der Todtentanz durch den Bildhauer Brückner restaurirt. Da die vier letzten Figuren durch den Brand bis auf wenige Reste vernichtet waren, wurden dieselben neu angefertigt. Auch hat man oben und unten einen Streifen angesetzt und auf demselben das Symbol des Todes mit der Umschrift „Der einzig Unfehlbare“, sowie die vom Prediger Hilscher gedichteten Verse angebracht.

In solcher Gestalt wurde der Todtentanz noch 1721 an der Mauer des Begräbnißplatzes der Neustädter Kirchengemeinde, der sich zwischen dem Rhänitzthore und dem sogenannten schwarzen Thore erstreckte, aufgestellt, nachdem noch aus dem rothen Hintergründe ein gelber geworden war. Aber auch diese Stelle sollte dem Todtentanze nicht lange eingeräumt bleiben. Wegen des Baues der jetzigen Neustädter Drei-Königskirche ging der Friedhof ein und wurde in die Nähe der sogenannten Scheunenhöfe verlegt, wohin auch der Todtentanz im Jahre 1733 überführt wurde. Seine Leiden waren damit jedoch noch nicht beendigt. Vermuthlich um ihn recht gespenstisch wirken zu lassen, wurde er mit weißer Oelfarbe überzogen, und schließlich fügte eine patriotische Hand noch einen grünen Hintergrund hinzu, sodaß das Werk nunmehr die sächsischen Landesfarben zeigte. In neuester Zeit hat man auch diese entfernt und die natürliche Farbe des Sandsteins wieder zum Vorscheine gebracht.

Nach so wechselvollen Schicksalen ist es nur zu bewundern, daß die einzelnen Figuren der Erklärung keine besonderen Schwierigkeiten bereiten. Nur einige Attribute sind undeutlich geworden. So ist das Gefäß, welches das den Zug eröffnende Todtengerippe in der Hand trägt, nicht, wie man nach der Abbildung glauben sollte, ein Pokal, sondern eine Sanduhr, und der spitze Auswuchs an seinem Hinterhaupte ein Büschel Haare, welchen sich der Künstler im Winde flatternd dachte.

Die charakteristischen Eigenthümlichkeiten des Dresdener Todtentanzes bestehen darin, daß der Zug der beiläufig vierzig Centimeter hohen siebenundzwanzig Figuren in zwei Gruppen getheilt ist, deren eine den geistlichen Stand umfaßt, während die andere aus den weltlichen Ständen zusammengesetzt ist. Wie das Todtengerippe, welches die ganze Procession anführt, gleichsam zum Tanze auf einer Flöte aufspielt, so schlägt auch das zweite, vor der Gruppe der weltlichen Figuren, mit zwei Todtenbeinen die Trommel. Den Beschluß des Zuges macht ein dritter Knochenmann mit der Sense, der gleichsam aufpaßt, daß ihm Niemand entrinne.

Während die meisten übrigen Todtentänze an der Idee des Tanzes noch in so fern festhalten, als jeder Figur noch ein Gerippe als Partner beigesellt ist, hat sich der Dresdener Künstler auf drei Knochenmänner beschränkt, welche gewissermaßen die Escorte des schrecklichen Zuges bilden. Derselbe bewegt sich übrigens, wenn man von der etwas lebhaften Fußbewegung des Bischofs absieht, in feierlichem Tempo dahin. Die Composition ist durchaus würdevoll – nichts von jenem wilden Humor, jener fast burlesken Ausgelassenheit, jenem ironischen Zuge, welche wir als charakteristische Merkmale früherer und späterer Darstellungen dieser Art ansehen müssen. Eine solche etwas frivole Auffassung mochte dem ernsten Sinne des Stifters widersprechen.

An das Gewand des Zugführers, um dessen knöcherne Beine sich zwei Schlangen winden, hält sich der Papst, welcher als der oberste Würdenträger der Kirche, wie billig, den Reigen eröffnet. Ihm folgt sein Hofstaat, die ganze ecclesia militans, die streitbare Kirche: Cardinal, Erzbischof, Bischof, Prälat, Domherr und in gebückter, demüthigen Stellung der Kapuziner, den das Buch in seiner Linken als Predigermönch charakterisirt, während der Foliant in der Hand des Prälaten vielleicht auf die diesem hohen Kirchenbeamten zustehende Gerichtsbarkeit deutet. Der zweite Knochenmann, den wie den ersten ein weites Leichentuch umflattert, blickt sich vorsorglich nach seiner Cohorte um, ob sie ihm auch willig folge. Mit zwei Todtenbeinen trommelt er dem Zuge der weltlichen Stände, welchen der Kaiser eröffnet, den Marsch. Auf den Kaiser, in welchem man Karl den Fünften erkennen will, folgt der König, unter dem dann Ferdinand der Erste zu denken wäre. Die nächste Gestalt, der Kurfürst mit dem Orden des goldenen Vließes um den Hals,

wird auf Herzog Georg den Bärtigen von Sachsen selbst gedeutet,

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1881). Leipzig: Ernst Keil, 1881, Seite 165. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1881)_165.jpg&oldid=- (Version vom 14.9.2022)