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Verschiedene: Die Gartenlaube (1881)

und in der Hand des durch Frömmigkeit ausgezeichneten Fürsten wäre dann der Rosenkranz ein charakteristisches Symbol, um so mehr, als Herzog Georg, ein entschiedener Gegner der Reformation, fest an den Bräuchen der alten Kirche hielt. Die Deutung ist sehr wahrscheinlich, da man sonst nicht wüßte, wie gerade der Kurfürst zu dein Rosenkranz käme. Mit geringerer Sicherheit ist die folgende Figur, der Graf, für Georg’s einzigen, an Geistesschwäche leidenden Sohn Friedrich, der 1539 starb, erklärt worden. Der geharnischte Ritter, der Edelmann, der Rathsherr, der Handwerker mit Schurzfell, Winkelmaß und Hacke, der Landsknecht mit der Hellebarde, der Bauer mit Dreschflegel und Schwert sind durch Tracht oder Attribute deutlich charakterisirt. In der Bewaffnung des Bauern wird man vielleicht eine Anspielung auf die Bauernkriege zu erkennen haben. Die lebhafte Handbewegung des lahmen Bettlers deutet darauf hin, daß der Tod ihm willkommen ist. Der blinde, von dem Knaben geführte Greis, welcher den Schluß des Zuges bildet, schwenkt dem erlösenden Tode sogar jubelnd den Hut entgegen. Zwischen diesen beiden Unglücklichen befinden sich noch vier Figuren: die Aebtissin eine Frau in vornehmer Tracht, welche man für die Herzogs-Gemahlin, Barbara, hält, eine Bäuerin mit einer Hocke auf dem Rücken, aus der zwei Gänse hervorgucken, eine Figur von besonders glücklicher Erfindung, und ein Kaufmann, den ein Geldsack als solchen charakterisirt. Der Knabe, dessen Kleidung der Restaurator des Werkes einen etwas wunderlichen Schnitt gegeben, streckt die Hand nach dem Geldsacke aus. Ein Knochenmann mit umgekehrter Sense, die wohl andeuten soll, daß er sein Werk gethan, beschließt den Zug.

Der gegenwärtige Zustand des Dresdener Todtentanzes erlaubt uns nicht, ein Urtheil über die künstlerische Ausführung des Einzelnen zu fällen. Nur so viel läßt sich noch mit Sicherheit erkennen, daß sich der Schöpfer des Werkes auf eine lebendige und treffende Charakteristik sehr wohl verstand, und daß er sich in der Composition des Ganzen nicht allzu streng an die Ueberlieferung hielt. Es ist ihm gelungen, die Trockenheit der Allegorie glücklich zu vermeiden und aus seinem Todtentanze ein Bild von hohem kulturgeschichtlichem Werthe zu schaffen, das uns mit der Denkungsart und dem Leben seiner Zeit vertraut macht.

Adolf Rosenberg.





Erinnerungen an Goethe und Preller.

Von Robert Keil.

Der geistvolle Director der königlichen Nationalgallerie in Berlin, Max Jordan, sprach einmal gelegentlich eines Vortrages den Gedanken aus, Goethe’s „Iphigenia“ und Preller’s „Odyssee“-Landschaften seien Kinder des nämlichen Geistes, und in der That, die Schöpfungen des großen Weimarischen Malers, der durch seine genialen „Odyssee“-Gemälde die Gesetze für den historischen Stil in der Landschaftsmalerei gegeben hat, beruhen ebenso auf der Antike, wie jene vollendet schöne dramatische Dichtung Goethe’s. Beide Werke sind geistig mit einander verwandt, wie Preller und Goethe selbst in ihrer Welt- und Kunstanschauung. Unverkennbar ist aber auch der gewaltige Einfluß, welchen Goethe und dessen Poesie auf die Richtung und Ausbildung Prellers geübt haben. Einige Belege hierzu aus eigener Erinnerung, theils aus ungedrucktem Quellenmaterial zu bieten, ist der Zweck dieser Zeilen. Enthalten sie charakteristische Momente für den Entwickelungsgang des Malers, so sind sie nicht minder bezeichnend für die klare Erkenntniß, das lebhafte Interesse und die rege Forderung, welche Goethe gegenüber den aufstrebenden Talenten der bildenden Kunst bis in sein höchstes Greisesalter bethätigt hat.

Friedrich Preller, am 25. April 1804 in Eisenach geboren, kam schon im Herbst desselben Jahres nach Weimar, und besuchte als vierzehnjähriger Knabe die unter Meyer’s Leitung und Goethe’s Fürsorge blühende Zeichenschule, dieselbe Schule, an welcher er selbst später als Lehrer segensreich wirkte. Goethe, dem die talentvollen Zeichnungen des Knaben aufgefallen, beauftragte ihn schon im folgenden Jahre zum Zweck von meteorologischen Untersuchungen mit der Zeichnung von Wolkenbildungen. Eifrig entsprach der junge Preller diesem Auftrage und trat dadurch zu dem Altmeister deutscher Dichtung in Beziehungen, welche bis zum Tode Goethe’s fortdauerten. Von Dresden, wo er im Museum nach Ruysdael und P. Potter fleißig copirt hatte, nach Weimar zurückgekehrt, wagte er sich im Jahre 1825 an das erste selbstständige Gemälde. Es war das Bild, welches sich noch jetzt in Weimar in Privatbesitz, befindet: „Die Eisfahrt auf dem Schwansee bei Weimar“. Eine Menge von Portraits belebt das Gemälde, und auch sich selbst hat der Künstler in langem braunem Rocke, in die Hände hauchend, darauf dargestellt. Von Goethe wurde der junge Maler dem Herzog Karl August empfohlen, und dieser bestellte ihn eines Tages zu sich in das römische Haus im Parke, „hier aber,“ so erzählt das „deutsche Kunstblatt“ von Friedrich Eggers in drastischer Weise, „begab sich einer jener Auftritte, wie der alte Herr in seiner lakonischen Art sie liebte, und dessen Resultat war, daß Preller sich am nächsten Morgen mit seinem Päckchen auf dem Schloßhofe einzufinden hatte; dies geschah; ein Reisewagen stand angespannt; Karl August stieg ein; der junge Mann mußte ihm folgen, und ‚Wir reisen nach den Niederlanden,‘ hieß es; so begleitete Preller seinen Fürsten bis nach Antwerpen, wo ihn derselbe bei van Bree, dem Direktor der Antwerpener Akademie, zurückließ“. Dort, in der Heimath eines Rubens, eines van Dyk, bildete sich der Jüngling zum Künstler.

Wie klar Goethe die große Begabung Preller’s erkannte, wie er der Entwickelung desselben sich freute, erhellt aus den Aeußerungen, die er am 5. Juni 1826 gegen Eckermann über ihn that. Er nannte ihn „ein geborenes Talent“ und bemerkte:

„Ich habe ihm gerathen, sich nicht verwirren zu lassen, sich besonders an Poussin und Claude Lorrain zu halten und vor Allem die Werke dieser beiden Großen zu studiren, damit ihm deutlich werde, wie sie die Natur angesehen und zum Ausdruck ihrer künstlerischen Anschauungen und Empfindungen gebraucht haben. Preller ist ein bedeutendes Talent, und mir ist für ihn nicht bange. Er erscheint mir übrigens von sehr ernstem Charakter, und ich bin fast gewiß, daß er sich eher zu Poussin als zu Claude Lorrain neigen wird. Doch habe ich ihm den letztem zu besonderem Studium empfohlen und zwar nicht ohne Grund. Ich bin gewiß, daß Preller einst das Ernste, Großartige, vielleicht auch das Wilde, ganz vortrefflich gelingen wird. Ob er aber im Heitern, Anmuthigen und Lieblichen gleich glücklich sein werde, ist eine andere Frage, und deshalb habe ich ihm den Claude Lorrain ganz besonders an’s Herz gelegt, damit er sich durch Studium dasjenige aneigne, was vielleicht nicht in der eigentlichen Richtung seines Naturells liegt.“

In gleicher Weise sprach sich Goethe auch gegen Preller selbst aus, als dieser, von seinen fleißigen Antwerpener Studien nach Weimar zurückgekehrt, sich zur ersten Reise nach Italien rüstete und den Altmeister, seinen freundlichen Gönner, besuchte.

In Mailand und mehr noch während seines dreijährigen Aufenthaltes in Rom ging dem jungen Maler das volle Verständniß der Kunst auf, der er sein Leben gewidmet. Wohl zog es ihn vor Allem zu Poussin, dem Vater der historischen Landschaftsmalerei, und die von der Preller’schen Familie bewahrte heroische Landschaft, Copie nach Poussin’s Gemälde in der Gallerie Corsini zu Rom, ist ein sprechendes Zeugniß hierfür, aber wie Preller’s Schöpfungen aus jener Zeit bekunden, war sein Sinn auch dem anmuthig Schönen zugewandt.

Und mitten unter den großen Anregungen, welche die ewige Stadt mit ihren Kunstschätzen, ihren historischen Erinnerungen, ihrem regen Kunstleben und dem ganzen Reiz der südlichen Natur ihm bot, mitten unter seinen Studien und Arbeiten war es ihm vergönnt, dem greisen Altmeister in Weimar einen wenn auch schmerzlichen Dienst zu erweisen. Der Sohn des Dichters, August von Goethe, kam von Neapel im October 1830 nach Rom und wurde von den deutschen Künstlern, Preller voran, freundlichst, aufgenommen, aber der lange schon Leidende verfiel in Fieber, und unter Preller’s Pflege verschied er in dessen Armen. Wo sein Vater einst zu ruhen gewünscht hatte, bei der Pyramide des Cestius, wurde er am Morgen des 29. October 1830 bestattet.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1881). Leipzig: Ernst Keil, 1881, Seite 166. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1881)_166.jpg&oldid=- (Version vom 14.9.2022)