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Verschiedene: Die Gartenlaube (1881)

genauern Untersuchung zu unterwerfen und festzustellen, ob dasselbe der Wiederherstellung würdig sei. Der Beschluß war für den altehrwürdigen Bau trotz seiner äußeren und inneren kläglichen Veränderung günstig, und die Commission hatte nunmehr die Aufgabe, den Restaurationsplan anzufertigen, und zwar zuerst für die Marien-Kirche nebst Capitelsaal und den die beiden schönen Eingangsportale (darunter die sogenannte goldene Pforte) verbindenden zweistöckigen Kreuzgang vor dem nordöstlichen Flügel. Die Arbeiten der betreffenden Mitglieder der Commission rückten indessen nur langsam vor, da dieselben durch ihre laufenden Geschäfte schon hinreichend in Anspruch genommen waren; das Comité wandte sich daher mit einem wiederholten Schreiben an den Cultusminister.

In seinem Antwortschreiben aber erklärte dieser, daß er für die Wiederherstellung des Hochschlosses den günstigen Zeitpunkt noch nicht gekommen glaube, und daß man vorläufig den Abschluß der schwebenden Verhandlungen über die zeitgemäße Restauration der Kirche abwarten müsse.

Seit Anfang September des vorigen Jahres ist denn auch im Auftrage des Cultusministeriums ein königl. Baumeister in Marienburg anwesend, um weitere Nachforschungen in der Marien-Kirche anzustellen, und haben Ende October Baurath Blankenstein und der neuernannte Conservator der Alterthümer, Geheimrath von Daehn-Rothenfels behufs eigener Information einige Tage dort verweilt. Diese Thätigkeit in einer Sache, in der bisher nichts geschah und für die überhaupt kein Interesse in den leitenden Kreisen vorhanden zu sein schien, ist nicht genug anzuerkennen. Möchten diese leitenden Kreise das nunmehr in Angriff genommene nationale Werk mit Umsicht und Thatkraft durchführen! Möchte aber auch das deutsche Volk, wenn im gegebenen Augenblicke zur Krönung dieses Werkes an seine Opferwilligkeit appellirt werden sollte, der großen Idee eine große Gesinnung entgegen bringen! Die weitesten Kreise mit der Sache der Wiederherstellung der Marienburg rechtzeitig bekannt zu machen und sie für dieselbe zu erwärmen – das vor Allem ist der Zweck dieses Aufsatzes.

Die Marienburg: Capellenflügel.
Auf Holz gezeichnet von H. Heubner.

Wäre die Marienburg nur eine von den unzähligen romantisch gelegenen, poesie- und sagenumwobenen Burgen und Bergfesten Mittel- und Westdeutschlands, nun, dann hätte es ja unter den jetzigen schweren Zeiten nicht so große Eile mit ihrer Restauration, aber hier handelt es sich ja um ganz andere Interessen.

Die Marienburg ist ein Profanbauwerk von großartigstem Umfange und schönster, genialster Durchführung auf dem Gebiete der gothischen Baukunst, wie es kein zweites gegeben hat.

Die Marienburg war als Sitz des gefürsteten Hochmeisters des Ordens der deutschen Brüder derjenige Stützpunkt in dem fernen Preußenlande, durch den die Gewinnung jener östlichen Provinz für das deutsche Vaterland und dadurch die Zurückdrängung des slavischen Elementes von der Ostseeküste möglich geworden ist; sie war durch die Schaffung von „Neudeutschland“ im eigentlichen Sinne des Wortes „die Wacht im Osten“.

Die Marienburg ist die Wiege des preußische Namens; denn von dem Namen der Bewohner des neuen deutschen Landes ging er auf das Herzogthum Preußen, das Königreich Preußen und damit auf jenen großen Theil Deutschlands über, der heute die glorreiche Führung aller deutschen Stämme übernommen hat.

Und diesen Bau haben wir in einer unglückseligen Zeit selbst zur halben Ruine gemacht. Die Wiederherstellung der Marienburg ist eine deutsche Ehrenschuld. Man fange nicht etwa mit der Kirche an und höre mit der Kirche wieder auf! Die wiederhergestellte Burg soll uns ein treuer Spiegel des äußern und innern Lebens ihrer Gründer und Bewohner, ein Spiegel der erhabenen Idee werden, für die der Orden aus allen deutschen Gauen Vertreter an sich zog und durch die er auch so Großes erreichte. Die der Marienburg zu Grunde liegende Idee war edel und würdig; darum möge die Burg in allen ihren Theilen aus ihrem tiefen Fall wieder erstehen zur Ehre ihrer Erbauer, zur Aufforderung für die Zukunft zu gleichen edlen und würdigen Thaten und Werken!

Dr. Marschall.[1]     


  1. Leider der Name eines Todten, dessen letzte Arbeit in dem obigen dankenswerthen Artikel vorliegt! Sanitätsrath Dr. Marschall ist in seiner Westpreußischen Heimath als ein für die Sache der Wiederherstellung der Marienburg warm begeisterter und um dieselbe hochverdienter Mann allgemein geschätzt. Möge dieser der Lieblingsidee seines Lebens gewidmete Ruf zur Wiederaufrichtung der alten Preußenburg jetzt, nach seinem vor einigen Monaten in Leipzig erfolgten Tode, das Werk seiner Sehnsucht vollenden helfen, das seine Augen nicht mehr schauen sollten! D. Red.     




Charles Darwin's neue Beobachtungen über das Bewegungsvermögen der Pflanzen.

Von Carus Sterne.
(Schluß.)


Wenden wir uns nunmehr von der im vorigen Abschnitt (Nr. 14) besprochene Thätigkeit der Hauptwurzel, die, wenn sie verletzt wird, sich durch eine Nebenwurzel ersetzt, zu dem über die Erdoberfläche hervortretenden Pflänzchen selbst! Schon bei seinem Emporkeimen treten merkwürdige Bewegungserscheinungen auf. Wie die Wurzel circumnutirend in den Boden dringt, so schraubt sich die junge Pflanze ringsumneigend empor, und zwar durchbricht sie die Erdschicht über ihr meistens in Gestalt eines steilen Bogens, dem umgekehrten U (∩) vergleichbar.

Sämling des persischen Alpenveilchens.

Als Beispiel möge die Abbildung eines Sämlings des persischen Alpenveilchens dienen, bei welchem c das noch unentwickelte Samenblatt, h den Wurzelstock und r die Seitenwürzelchen bezeichnet. Man erkennt den Vorzug dieser zuerst von dem deutschen Botaniker Haberlandt ausführlicher erörterten Art des Hervorkeimens der meisten Gewächse, wenn man bedenkt, daß durch diese Krümmung nicht allein die zarten, über den Boden zu hebenden Samenblätter oder Knospen vor Verletzungen geschützt werden, sondern daß auch durch das gleichzeitige Wachsthum der beiden senkrechten Bogenschenkel die bedeckende Erdschicht mit verdoppelter Kraft durchbrochen wird.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1881). Leipzig: Ernst Keil, 1881, Seite 285. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1881)_285.jpg&oldid=- (Version vom 12.12.2020)