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Verschiedene: Die Gartenlaube (1881)

Nationalgetränk, der Genievre, jährlich fünfundzwanzig Millionen Gulden für den Fiscus abwirft, und außerdem erfreut er sich auch der anderswo coursirenden Stempel-, Grund- und etc. Steuer. Die fremden Weine zahlen fast dreißig, vierzig, fünfzig Procent vom Werth, und nun beabsichtigte man während meiner Anwesenheit in Holland noch die Erbschaftssteuer mit dem lästigen Inquisitionssystem einzuführen.

Als Postscriptum sei noch angeführt, daß auf allen Chausseen stattliche Mauthhäuser dem Fahrenden in dem Wege stehen und dieser ganz gehörige Gebühren zu erlegen hat. Und alle diese Lasten geben keine Veranlassung zu den anderswo üblichen Klagen. Allerdings hat der holländische Staatsbürger die Beruhigung, daß


Die St. Antonienswaag in Amsterdam.


die aus seinem Säckel so reichlich fließenden Abgaben zweckmäßige und Nutzen bringende Verwendung finden. Um diese Beruhigung zu haben, braucht er nur an die allerdings sehr kostspieligen Wasserbauten Hollands zu denken. Wie wäre das dem Sturm und dem Wasser so sehr ausgesetzte Land vor Ueberschwemmungen gesichert, wenn nicht eine eigene Abtheilung für Wasserangelegenheiten durch die Augen und Hände wachsamer und wohlgeschulter Ingenieure für die beständige Instandhaltung der Dämme Sorge trüge? Der Holländer zahlt gern seine Steuern. Dafür weiß er aber auch, daß Holland viel weniger von Ueberschwemmungen heimgesucht wird, als manche andere Länder. Neben den Wasserangelegenheiten ist es das Schulwesen, welches in Holland großes Geld kostet – dafür sind aber auch die Lehrer äußerst anständig besoldet. Statt über die unerschwinglichen Steuern zu lamentiren, besieht sich der Holländer von Zeit zu Zeit seine Dämme und die hübschen geputzten von Sauberkeit glänzenden Schulhäuser, wie solche auch das bescheidenste Dorf besitzt. Ja, die holländische Sauberkeit ist keine Mythe, und die bekannten Schilderungen von der dort üblichen Reinlichkeit erzählen eher zu wenig als zu viel von diesem Scheuerungsfanatismus, welcher Hausfrauen und Mägde beseelt.

Will man sich davon überzeugen, so ist namentlich ein Spaziergang am Samstag Abend rathsam; mag das Wetter noch so klar und hell sein, man wird vorsichtig handeln, doppelsohlige Stiefeln zu tragen und sich mit einem Regenschirm auszurüsten; denn vor jedem Hause bilden die nach einander auf das Trottoir geleerten Kübel große Pfützen, und das Wasser rieselt von den Fensterscheiben der ganzen Häuserfacade auf den nichts Arges ahnenden Cylinder des Vorübergehenden. In der strengsten Kälte sieht man die Mägde in leichten Katunkleidern, die Aermel hoch hinaufgeschürzt, auf den Dielen knieen und reiben, als wollten sie das Gestein wegschaben; Andere machen sich von außen und von innen an den Fenstern zu schaffen, indem sie, um an die höher gelegenen Scheiben hinanzureichen, mit nassen Fetzen, die am Ende einer großen länglichen Stange befestigt sind, tapfer hin und her manipuliren. Dem Gemäuer wird auch nichts geschenkt es wird durch beharrliches Begießen aus ungeheuren Kübeln förmlich in Wasser eingeweicht. Desto schlimmer für den Passanten der von ungefähr mit einem solchen nassen Strahl bedacht wird! Kleider und Personen dürfen beschmutzt werden wenn nur Dielen und Fenster blank sind.

Das Innere der Häuser entspricht dem Aeußeren. Der Boden des Gemachs ist ein wahrer Spiegel; und die weißen Gardinen

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1881). Leipzig: Ernst Keil, 1881, Seite 361. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1881)_361.jpg&oldid=- (Version vom 11.9.2022)