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Verschiedene: Die Gartenlaube (1881)

Lanken! Nach Jahresfrist, wenn drüben für Ihren Vater gesorgt ist. Wollen Sie?“

Aurel verbeugte sich ein wenig unschlüssig.

Der Herzog streckte ihm die Hand entgegen.

„Da – versprechen Sie mir es mit Ihrem Handschlag!“ rief er lebhaft. „Dann weiß ich, daß Sie Ihr Wort halten.“

Aurel konnte nicht anders als seine Hand in die seines Fürsten legen. Dieser schüttelte sie warm, wie die eines Freundes, und Aurel ging.




14.


Es war mehr als vier Monate später. Am Rheine war die Weinlese bereits vorüber; die Weinblätter lagen zum Theil vergilbt neben ihren Reben, und das noch dunkelgrüne Laub der Wallnußbäume zeichnete sich in den Gärten unter den rothen und gelben Obstbaumwipfeln in scharfen Contrasten ab; auf den vorspringenden Bergwänden lag der Schein einer heitern klaren Herbstsonne; ein blauer Himmel spannte sich hoch und hell über die beiden Höhenzüge, welche den breiten Strom begleiten, unten aber zog ein ziemlich scharfer und trockener Wind über die Wasserfläche dahin und bog die Rauchsäule eines sich stromaufwärts arbeitenden Dampfers in scharfem rechtem Winkel niederwärts.

Der Dampfer wurde erwartet. Auf der Landungsbrücke, die von dem malerischen Rheinstädtchen am linken Ufer sich in das Fluthbett hinein vorschob, stand eine bunte, laute, elegant gekleidete Gesellschaft; trotz der Ueberwürfe, Plaids, Tücher und Shawls, in welche Herren und Damen sich gehüllt, war die festliche Ausstattung aller dieser den verschiedensten Lebensaltern angehörenden Erscheinungen nicht zu verkennen. Und wenn man die gerötheten, erhitzten, lebhaft erregten Gesichter hinzunahm, konnte es nicht lange verborgen bleiben, daß man es mit einer Hochzeitsgesellschaft zu thun hatte; die beiden jungen Leute, welche den Kern der Gruppe bildeten, waren augenscheinlich das junge Ehepaar. Er war ein hübscher wohlgewachsener, ebenso vergnügt als unbedeutend aussehender Blondin mit einer sehr sorgfältigen Kellnerfrisur und sie eine feine, überaus anmuthige, rosig glühende Blondine, die etwas Fremdländisches, etwas von einer zarten englischen Schönheit hatte, ganz auffallend feine, wie mit einem Silberstift auf Elfenbein gezeichnete Züge und eine transparente Klarheit der Haut, wie sie selten ist bei den jungen Mädchen, welche Anspruch darauf machen, die Vertreterinnen der landesüblichen Jugend und Schönheit an dieser Seite Deutschlands zu sein.

Sie steht, trippelt, lacht, lacht mit einem klaren, silbernen Organ, das etwas außerordentlich Wohllautendes und Herzgewinnendes hat, läßt sich bald von dieser, bald von jener der sie umringenden Freundinnen Muhmen und Tanten noch etwas an ihrem Reisehut und Schleier zurechtzupfen, noch etwas an ihren Röcken glätten und ordnen oder einen widerspenstigen vierten Handschuhknopf zur Raison bringen – zur Freude armer harrender Ehemänner, die bei zwei Handschuhknöpfen früher noch keine hinreichende Geduldprobe hatten, schreibt die Mode ja jetzt ihrer vier vor. Und so vergingen die Minuten; das Dampfschiff war da, schlug seinen Bogen und legte sich breit und majestätisch vor die Landungsbrücke, und nun begann, während die Matrosen die Planken auswarfen, ein Abschiednehmen, ein Küssen, ein Umarmen, ein Zurufen letzter Grüße, ein Hinübertragen von elegantem Handgepäck, von riesigen Blumensträußen – es war außerordentlich hübsch anzusehen das Alles; die Schiffspassagiere ließen das junge Ehepaar ein förmliches Spalier passiren, wobei es manches bewundernde „Ah!“, manches unverschämt laute: „Elle est charmante,“ und leiser gesprochene: „pretty little woman“ gab. Der Dampfschiffsconducteur, der mehreren Mitgliedern der Hochzeitsgesellschaft Grüße zugewinkt, empfing das junge Paar mit großer Beflissenheit, und während sich das Schiff nun von seiner Landungsbrücke wieder loslöste, flog hinten am Spiegel die große Festflagge in die Höhe, worauf vom Ufer her mehrere krachende Böllerschüsse salutirten.

Und dann noch lange ein fröhliches Tücherschwenken, Grüßen, Winken; das Schiff verschwand mit den jungen Leuten, die es südwärts, nach der Schweiz, nach Italien führte, und nun verschwand auch die Hochzeitsgesellschaft vom Ufer, um, in einzelne Gruppen aufgelöst, einer großen und schönen modernen „Villa“ zuzustreben, welche neben dem Städtchen lag und durch ihren Flaggenschmuck hinreichend verrieth, daß sie heute der Schauplatz der glänzenden Hochzeitsfeier gewesen.

Dabei hatten sich zwei behäbig aussehende, röthlich angeglühte ältere Herren zusammengefunden, die, sich wechselseitig zu Feuer für ihre erloschenen Cigarren verhelfend, hinter den anderen zurückgeblieben waren und nun sehr lässig hinterdrein wandelten.

„Wie die frische Luft nach der langen Sitzung wohl thut!“ sagte der Eine, der ein wenig asthmatisch zu sein schien und, von Zeit zu Zeit aufathmend, stehen blieb.

„Freilich, Papa Falster, nach solchen Leistungen wie Sie heute Ihren Gästen zugemuthet haben –“

„Ah bah – eine Hochzeit hat man nicht alle Tage –“

„Wahrhaftig nicht eine solche,“ lachte der Andere – „in Giersbach wenigstens nicht; möchte behaupten, daß eine solche da noch nie gefeiert ist –“

„Nun, man hat es ja dazu,“ fiel der asthmatische Herr ein, „und weil ich mich nun einmal mit Franzens wunderlicher Passion völlig ausgesöhnt habe, je mehr ich seine Braut kennen gelernt, hab’ ich’s dann auch der Welt, welche immer ihre boshaften Glossen zu machen liebt, zeigen wollen.“

„Worüber macht die Welt nicht ihre Glossen und absonderlich, wenn sie irgendwo ein wenig Romantik, die sich um die Sache legt, wittert.“

„Nun ja, romantisch war ja Franzens Passion ganz hinreichend. Ein so hübsches, liebes, vertrauensvolles Wesen, das ein gewissenloser Mensch in’s Unglück gestürzt hatte und dessen Lage noch dazu Vater und Bruder ausbeuten wollten, um sich in eine vornehme Verwandtschaft einzudrängen oder vielleicht auch nur um eine schöne runde Entschädigungssumme aus der Sache herauszuschlagen, was ich für das Wahrscheinlichere halte …“

„Das arme Kind! Kann mir denken, daß den gutmüthigen Franz ihre verlassene Lage rührte, daß er sich sterblich verliebte.“

Papa Falster nickte mit dem Kopfe.

„Freilich, freilich,“ sagte er, „daran ist nicht viel Verwunderliches, obwohl der Junge etwas Gescheidteres hätte thun können, als die Heirath mit Gewalt durchzusetzen. Meine Alte spie ja anfangs auch Feuer und Flammen wider die Idee; als der Franz aber seine Auserwählte zu uns brachte und wir sahen, wie hübsch und harmlos sie war, und wir sie plaudern hörten und sahen, wie sie an dem Franz hing – nun ja, da waren wir entwaffnet und ließen den Dingen ihren natürlichen Verlauf. So ist denn heute Hochzeit gewesen, und sie segeln eben in die Flitterwochen hinein. Mögen sie ihnen recht lange vorhalten, die Flitterwochen! Auf Flitterwochen scheint mir diese kleine Lily ganz wunderbar eingerichtet. Was später daraus wird, wenn der Ernst des Lebens in sein Recht tritt und Tage kommen, wo dieses reizende Frauchen mit seinem hübschen Lärvchen ihren Charakter bewähren und schwere Pflichten auf sich nehmen soll, das muß sich dann ja zeigen und geht den Franz an, der nun einmal sie und keine Andere wollte!“

„Das, ja, das geht den Franz an,“ lächelte der Geschäftsfreund von Papa Falster, „und ich denke, man darf’s ihm nicht übelnehmen, wenn er eine hübsche Frau nach seinem Herzen wählte – wenn man mit der Firma ‚Anton Falster und Sohn‘ im Handelsregister steht, kann man sich’s erlauben.“

„Und man muß seiner Kinder Vorsehung nicht spielen wollen,“ antwortete der gutmüthige Herr, der mit der Firma ‚Anton Falster und Sohn‘ im Handelsregister stand, mit einem Seufzer, den ihm wohl nur sein Asthma erpreßte; denn sie schritten jetzt einen ziemlich steilen Weg durch die Gartenanlagen empor, die sich vom Rheinufer bis zu der Villa hinaufzogen.

Das junge Volk der Gesellschaft war unterdeß längst vorauf und oben angekommen. Es füllte bereits wieder die Räume des stattlichen Landhauses – durch offenstehende Balconthüren im ersten Stock sah man die meisten der Gäste schon sich um einen großen Tisch mit einer mächtigen Bowle darauf versammeln. Unten in der Vorhalle aber standen ein halb Dutzend junger Mädchen um einen wunderlichen Herrn mit einem runden Bäuchlein und einem fettglänzenden Gesichte gedrängt; sie hatten ihm nicht Ruhe gelassen, bis er ihnen das schöne Gedicht, mit dem er bei Tisch den Toast auf das Brautpaar ausgebracht – er war so berühmt, der dicke Herr, wegen seiner Toaste, keiner in der ganzen „Pfaffengasse“, der ihm darin gleichkam –, noch einmal zum Besten gab. Hatte er sich heute doch selbst übertroffen: und so stand er jetzt da, und mit einem eigenthümlich wirksamen Auf-

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1881). Leipzig: Ernst Keil, 1881, Seite 383. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1881)_383.jpg&oldid=- (Version vom 9.9.2019)