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Verschiedene: Die Gartenlaube (1881)

Waldmärchen.
Mit Originalzeichnung von W. Claudius.

Jüngst hätt’ ich balde
Süßdurchgraut,
Verloren im Walde,
Ein Märchen geschaut. –
In Waldgrundmitte,
Verfallen und grau,
Treff’ ich die Hütte
Der Kräuterfrau;
Die Schindeln seit lange
Vergraben in Moos,
Halb aus dem Hange
Raget sie blos.
Zwei Gänse, träge
Vor Langeweil’,
Im Lattengehege,
Und Klotz und Beil,
Und ein Kupferkessel,
Hängend, beim Haus.
Rings Farn und Nessel
Und wüster Graus,
Rings Waldnachtsschweigen
Und Einsamkeit,
Nur daß in den Zweigen
Der Häher schreit,
Nur daß es blaulich
Vom Schornstein fliegt,
Ein Kater beschaulich
Auf’s Dach sich schmiegt. –
Und Hans und Greten
Erblick’ ich, die zwei;
Sie trippeln betreten,
Schüchtern herbei.
Der Junge drückt sich
Der Schwester nach;
Die steht und bückt sich
Und späht ins Gemach.
Mit leisem Geschnatter
Hebt sich die Gans;
Feindselig durch’s Gatter
Zischt sie zum Hans;
Es öffnet die Lider
Der Kater sacht
Und schleicht sich hernieder
Auf Sohlen der Nacht.
Nun spinne, du Märchen – –
Es spinnt nicht mehr.
Wohl kam zu dem Pärchen
Die Hexe nachher;
Triefäugig stand sie
Und runzlig alt.
Ich ging und fand sie
Später im Wald,
Wo sie sich sonnte;
Sie klagt über Gicht,
Doch zaubern konnte
Die Gute nicht.

Victor Blüthgen.



Alle diese Richtungen klingen in seinen „Poetischen Werken“ (Prag, Verlag der „Bohemia“) an. Das satirische Gedicht: „Virtuosen“ und einige ähnliche sind in der Art Heine’s gedichtet, und Anklänge an die schwäbischen Dichter finden sich in manchen Liedern namentlich in den Balladen, während Schiller’scher Athem die „Zeitgedichte“ durchwogt. Nach dem Muster Goethe’s bedünken uns vorzugsweise die größeren poetischen Erzählungen: „Das Kloster“ und „Wald und Liebe“ (Poetische Werke, vierter Band) gedichtet. Sie sind voll reiner Plastik der Sprache, warm und klar in der Empfindung und mit einer wahrhaften Meisterschaft epischer Darstellungskunst geschaffen. Diese Dichtungen verdienen die höchste Anerkennung; denn sie zeigen in der Nachahmung des großen Vorgängers doch zugleich so viel Selbstständigkeit und Eigenart, daß man hier am überzeugendsten wahrnehmen kann, wie Ebert von Hause aus eine durchaus ursprüngliche Dichternatur ist. Seine Poesie ist ein stark und mächtig hinfluthender Strom, in welchen die jeweiligen Gestade, an denen er hinfließt, und die

wechselnden Erscheinungen des Tages ihre Reflexe werfen, der aber

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1881). Leipzig: Ernst Keil, 1881, Seite 385. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1881)_385.jpg&oldid=- (Version vom 11.9.2022)