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Verschiedene: Die Gartenlaube (1881)

in der Fassung und meisterhaft in der knappen Ausmalung der Situation, ergreifen sie die Seele mit einer wahrhaft packenden Gewalt. „Milosch und Militzka“ und „Alpenscene“ bieten zwei poetische Momente von großer dramatischer Wucht, von denen das eine tragisch, das andere idyllisch sich austrägt.

Der dritte Band bringt das böhmisch-nationale Heldengedicht „Wlasta“, dem Karl Egon von Ebert seine erste Berühmtheit verdankt. Diese epische Darstellung eines mythischen Mägdekrieges ist in der That auch eine Dichtung großen Stils, die in einer stillen Zeit nothwendig Aufsehen erregen mußte. Was für Grillparzer „Die Ahnfrau“, das war für Ebert „Wlasta“. Sie verschaffte ihm Ansehen und Ruf, trat aber im Laufe der Tage gegen Schöpfungen von reinerem und höherem Geschmacke bedeutend zurück.

„Das Kloster“ und „Wald und Liebe“, zwei poetische Erzählungen, die mit „Eine Magyarenfrau“ den vierten Band ausmachen, haben, für uns wenigstens, mehr dichterischen Werth, als jene „Wlasta“. „Das Kloster“ darf getrost neben Goethe’s „Hermann und Dorothea“ treten. so fein, sinnig und heiter ausgeführt in seinem idyllischen Charakter steht es vor uns, so voll Reiz der Darstellung, so voll Wärme des poetischen Andrucks, so voll schöner und rührender Menschlichkeit.

Der fünfte Band führt uns ein Lieblingswerk des Dichters, nämlich „Fromme Gedanken eines weltlichen Mannes“, vor, ein Werk, das mit Leopold Schefer’s „Laienbrevier“ und Friedrich von Sallet’s „Laien-Evangelium“ würdig in die Schranken treten darf, Es entstand in derzeit von 1853 bis 1858; im letzteren Jahre sendete Ebert es in Handschrift an Ludwig Uhland zur Beurtheilung mit einem Schreiben, in dem es heißt.

„Ich wollte in diesem Werkchen, ohne deshalb die poetische Seite zu vernachlässigen, auch einen Theil der Welterfahrung niederlegen, die ich auf meinem Lebensgange aus der Beobachtung der Menschen und unserer in der That nicht sehr tröstlichen Zustände gewonnen, und ich strebte dabei, auch der frivolen Richtung entgegen zu treten, die uns in der Literatur besonders durch die sogenannte Selbstironie manches modernen Schriftstellers und durch die liederlichen Lebensansichten der jüngsten literarischen Welt so viel, ich will nicht hoffen unwiederbringlich, von dem genommen hat, was allein das Leben und die Poesie schön machen kann. Das heißt wohl einigermaßen gegen den Strom schwimmen, allein mir ist es nicht gegeben, zu Schlechtem zu schweigen, und ich möchte lieber den Ruhm erringen, mir im Ankämpfen gegen das, was ich nicht für echt und recht halte, den Kopf eingerannt, als dem Nichtrechten und Nichtechten, um dem bunten Markt zu gefallen, gehuldigt zu haben.“

Ludwig Uhland antwortete darauf unter Anderem Folgendes:

„Der Lebensernst, der in diesen Erzeugnissen waltet, giebt ihnen das durchgehende, eigentümliche Gepräge. Daß sie lehrhaft sind, daß die Bilder, die Naturanschauungen wesentlich dieser Richtung dienen, kann der poetischen Berechtigung keinen Eintrag thun. Poesie herrscht auch da, wo Reflexionen, Lehren, Rügen, nicht im trockenen Nachdenken, sondern im lebhaft bewegten, sittlichen Gefühl ihren Ursprung nehmen. Es mag sein, daß in einzelnen Stücken der praktische Zweck, der getadelte Gegenstand in seiner nackten Wirklichkeit die innere, dichterische Erregung weniger aufkommen ließ, dagegen ist in solchen, wie ‚Der Blinde‘, ‚Der Wald‘, ‚Weihestunden‘, ‚Ein altes Häuschen‘, ‚Das Alter‘, ‚Einmal im Jahre‘ u. dergl. m. der Gedanke mit dem Naturbilde, die Lyrik in der Tiefe mit dem didaktischen Ausdrucke auf neue und glücklichste Weise verbunden.“

Diese Briefauszüge dürften hier am Platze sein, einmal, weil sie ein schönes und rührendes Zeugniß von dem freundschaftlichen Verhältniß zweier bedeutender Dichter geben, und zum andern, weil sie zugleich den Ernst und die Gewissenhaftigkeit bekunden, mit denen sie ihre poetischen Schöpfungen zu behandeln pflegten.

Die „Frommen Gedanken“ enthalten allerdings keine geistlichen Lieder, keine Psalmen und Kirchengesänge, sondern Erfahrungen, Beobachtungen und Bilder, wie das tägliche Leben sie einem Mann von Herz und Gemüth darbietet. Aber alle diese „Gedanken“ durchwogt und belebt der Athem wahrer und echter Menschenliebe in so schöner und edler Weise, daß es geradezu unmöglich ist, davon nicht im Innersten ergriffen und bewegt zu werden. Wie sinnvoll und reizend ist es, wenn der Dichter, seine Seele mit der Lerche vergleichend, singt:

„Trillernd, jubelnd steigst du auf,
Sachte sinkst du nieder,
Und du endest den kühnen Lauf
Immer am Boden wieder.

5
Zwischen Himmel und Erde so

Bleibst du in stetem Wandern,
Bist des einen selig froh
Und erfreust dich des andern.“

Oder wenn er einen Knaben, das Kind der Armuth, durch Schnee und Wind den weiten Weg zur Schule machen sieht und ihm zuruft.

„Du wackres, braves Kind des Armen,
Dir möge, was du lernst, gedeihn!
Dir wolle Gottes reich Erbarmen
Des treuen Strebens Lohn verleihn!

5
Und wenn du ruhst am sichern Herde,

Durch klugen Sinn befreit von Noth,
Wenn dir die heilige Mutter Erde
Verdienten Lohn der Arbeit bot:

Dann denk des Schnees, des Sturms und Regens,

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Des überwundnen Mißgeschicks,

Und freu dich fromm des holden Segens
Als Schöpfer deines eignen Glücks!“

Wenn er ferner die Geschichte einer alten Jungfrau erzählt, oder mittheilt, wie er auf die Straße gestreute Glasscherben einem gebeugten Mütterchen, das auf bloßen Füßen mühsam seine Reisigbündel schleppt, aus dem Wege räumt, ein leichtfertig geschriebenes Buch eines berühmten Dichters aus seiner Büchersammlung ausscheidet, die Heuchelei, das Alter oder eine schöne Frau apostrophirt – überall bekundet sich der Hauch reiner Menschlichkeit.

Auch die Sonette, die er dem Andenken seines Gönners und Freundes, des Fürsten Karl Egon zu Fürstenberg widmet, sowie die Zeitgedichte sind voll hoher Gedanken und erfüllt von einem Pathos, das dort menschlich und hier politisch sich ausgiebt.

Der sechste und siebente Band enthalten Dramen, die, sich in der Sprache an Grillparzer anlehnend, durchweg Würdiges bieten, wenn auch nicht immer das auf der Bühne Zündende und Packende. Das Schauspiel „Brunoy“, eine höchst anziehende und fesselnde Gestalt aus den Vorläufen der ersten großen französischen Revolution aufgreifend, dürfte darunter dasjenige sein, das unserem Zeitgeschmack am nächsten steht. Es möchte wohl des Versuchs einer Aufführung lohnen.

Dies sind in geschlossener Reihe die poetischen Werke Ebert’s, die er unter strenger Erfüllung seiner Berufspflichten in Mußestunden geschaffen.

Karl Egon Ebert’s äußeres Leben bietet an besonderen Ereignissen und Erlebnissen nichts Nennenswertes. Am 5. Juni 1801 in Prag geboren, wo sein Vater Doctor der Rechte und Vermögensverwalter der Fürstlich Fürstenberg’schen Familie war, studirte er gleichfalls Rechtswissenschaft, wurde 1825 Bibliothekar und Archivar im Dienste des Fürsten von Fürstenberg und nach dem Tode seines Vaters, Nachfolger in dessen Stellung, das heißt Chef der gesammten Verwaltung der fürstlichen Domäne, um die er sich große Verdienste erwarb. 1848 zum Hofrath ernannt und später in den Adelsstand erhoben, zog er sich 1857 von den Geschäften zurück und lebt seitdem in Prag in stiller Beschaulichkeit.

Welcher Art dieses beschauliche Leben ist, darüber geben den besten Aufschluß seine eigenen Gedichte, so z. B. in den „Frommen Gedanken“ dasjenige, welches die Ueberschrift trägt. „Am 5. Juni 1864 bei dem Eintritte in mein vierundsechszigstes Lebensjahr“. Es schließt mit den Worten.

„und wenn mein Haupt ich lege
Zum Sterben hin, dann laß die höchste Zuversicht
Auf ein verklärtes Sein, auf eine Welt voll Licht
Und voll Erkenntnis so mein tiefstes Herz durchdringen,
Das Hoffnungsfreuden mir des Todes Qual bezwingen!“

Schon einmal hat „Der Todesengel“ vor ihm gestanden, bereit, ihn zu berühren. Ebert deutet dies in einer gehaltvollen Allegorie an. Er fleht in ihm den Engel des Todes an, ihm noch Frist zum Glücke zu lassen, das er noch nicht gekostet, aber der Engel schüttelt das Haupt. „Laß mich die Werke noch vollenden, die ich begonnen,“ bittet er weiter; „manche gute That ist erst halb gethan.“ Diese Bitte rührt zwar den Genius, aber sie bewegt

ihn nicht. Endlich jammert er, daß er noch eine heilige Schuld

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1881). Leipzig: Ernst Keil, 1881, Seite 387. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1881)_387.jpg&oldid=- (Version vom 11.9.2022)