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Verschiedene: Die Gartenlaube (1881)

welche mit ihrem märchenhaften Glanz noch lange Zeit als Sommernachtstraum in der Phantasie der entzückten Festtheilnehmer nachwirkten. Um so mehr durfte man daraus gespannt sein, welche neuen, seltenen Ueberraschungen das Festcomité in diesem Jahre ersinnen werde, da in diesem Sommer zugleich der vierzigjährige Geburtstag des Vereins begangen werden sollte.

Es waren auch in der That größere Vorbereitungen als gewöhnlich getroffen worden; die schimmernden Gärten des großartigen Flora-Etablissements in Charlottenburg sollten die Künstler und ihre Gäste aufnehmen, und staunenswerthe Wunder waren in Aussicht gestellt. Es kann auch kühn als Thatsache hingestellt werden, daß das diesjährige Sommerfest des Berliner Künstlervereins, zu welchem Wochen vorher fast alle Billets vergeben waren, alle seine Vorgänger in Schatten gestellt hätte – wenn nicht Jupiter Pluvius durch einen hartnäckige, drei volle Tage währenden Regen dem „Sommerfeste“ zu dem bereits alle Anstalten getroffen waren, ein vorzeitiges Ziel gesetzt haben würde. Die kolossalen Räumlichkeiten, über welche das Flora-Etablissement verfügt und der zähe Eifer der betheiligten Künstler machten es immerhin möglich, das Fest in Scene zu setzen – wenn auch nicht als „Sommernachtstraum“, wie es ursprünglich gedacht war, so doch, wie der Dichter sinniger Kinderlieder, Rudolf Löwenstein, in seiner herzlichen Begrüßungsrede sich ausdrückte, als „Wintermärchen“. Gegen 1600 Personen, darunter alle bekannten Künstler, waren, ohne durch das unfreundliche Wetter sich abhalten zu lassen, nach Chartottenburg hinausgeströmt, dieser Villenvorstadt der Berliner, um zunächst im ländlichen Stil an langen gedeckten Tafeln den Kaffee gemeinsam einzunehmen. Es fehlte hier freilich der Ausblick auf sonnige, ährengeschmückte Felder und einen heiteren blauen Himmel.

Statt dessen aber durfte das trunkene Auge sich weiden an dem Anblick vieler reizender Frauen und Mädchen, die, in die Trachten früherer Kunstepochen gekleidet, aus den mit großen Orientteppichen und mit Laubgewinden geschmückten Logen auf die ungezwungen tafelnde Gesellschaft herabschauten. Um fünfeinhalb Uhr erschien Rudolf Löwenstein mit der bekannten jovial geistreichen Miene vor dem Vorhang der im Saal aufgestellten Bühne und eröffnete das Fest mit einer kernigen, humorvollen Ansprache. Die erste Nummer des Festprogramms bildete ein voll Otto von Leixner gedichtetes Festspiel „Phantasus“. Vor die Rampe trat Baumeister Fingerling in blausammetner Heroldtracht, mit dem Künstlerwappen geschmückt, und begrüßte die Festversammlung als Prologus. Die Scene bildete das Innere einer Tempelhalle, in welcher die Kunst, eine Idealgestalt in griechischem Gewande, auf hohem Sitze thronte. Nachdem der Herold durch dreimaliges Aufklopfen mit seinem Stabe das Zeichen gegeben, trat ein Magier hervor, der auf die Flammen des vor der „Kunst“ befindlichen Dreifußes Weihrauch streute und die Künstlergeister der Vergangenheit in schwungvoll poetischer Weise zur Oberwelt herauf citirte: „Euch selige Geister entschlafener Meister, euch ruf’ ich her,“ so beschwor er sie unter den feierlich dahin rauschenden Klängen der Musik.

Und die Gerufenen kamen Jeder von einem der lebenden Meister der Kunst wirkungsvoll dargestellt: Phidias, Titian, Ostade, Rubens, Gerhardt von Rile, der Erbauer des Kölner Domes, Albrecht Dürer, Andreas Schlüter.

Wie man es bei diesen Künstlerfesten gewohnt ist, waren es lauter charakteristische Erscheinungen in Tracht und Rede, welche zu den Füßen der Kunst ihre Kränze und das Gelöbniß unwandelbarer Treue niederlegten. Als den Vater und Herrn der Künstler, als Phantasus enthüllt nun die Göttin den Magier, der auf Ostade's Wunsch den erschienenen Geistern gestattet, noch diese Nacht auf der Erde weilen zu dürfen. Phantasus reicht sodann der Kunst die Hand und steigt mit ihr unter Vortritt des Herolds und eines Trompetercorps in rothgeschlitzter Tracht in den Saal hinab; ihm folgt die Schaar der heraufbeschworenen Meister der alten Kunst. Ein Festzug entwickelt sich hierauf, wie er phantastischer, mannigfaltiger, romantischer, prächtiger nicht gedacht werden kann. Die Künstler, Ritter, Patricier, die schönen und stolzen Damen der letzte drei Jahrhunderte waren zum Leben erwacht und wandelten in glänzenden Gewändern durch die nüchterne moderne Alltagswelt. Eine Reihe von entzückenden Bildern rollte sich auf, aus denen einzelne Gestalten noch besonders hervorragten, so Maler Knut Ekwall, der als nordischer Rittersmann in schwarzem Gewande, und der junge Doepler, der in schimmerndem Panzer durch die Gruppen schritt. Das Festspiel mit seinem schwungvoll feierlichen Inhalte verfehlte nicht, einen mächtigen Eindruck auf die Festtheilnehmer hervorzurufen, der noch fortdauerte, als schon die letzten romantischen Figuren des Festzuges unter den Palmen verschwunden waren. Sie kehrten indeß wieder, um sich an dem Balle zu betheiligen, der in einem Theil des Saales sofort improvisirt wurde, während auf der Terrasse des Palmengartens eine „Tombola“ arrangirt war, die bei unseren Künstlerfesten niemals fehlen darf „Angerauchte Teller“, von der Hand unserer besten Meister, waren die beliebtesten Gewinne. Kurze Zeit nach zehn Uhr wurde das Abendbrod eingenommen, bei welchem Rudolf Löwenstein, der schon vor dreißig Jahren die erste Tischkarte erklärt hatte, als Jubilar auftrat und mit stürmischem Jubel gefeiert wurde. In seiner launigen gemüthvollen, niemals trivialen Weise feierte er die Frauen. In geistsprühenden Versen ruft der große Weltmaler seinen Schülern dem Winter, dem Herbst, dem Sommer und dem Lenz, zu:

„Was Ihr gemalt, ist brav und gut,
Und wahren wird es Euren Ruf.
Das Schönste, was ich einst erschuf
Zum Schmuck für den großen Weltenbau,
Ist doch, beim ewigen Licht! die Frau.
Malt denn, Ihr Jünger, in kräftigen Tönen
Noch weiter die Welt zum Preis der Schönen
Und rufet mit mir beim Rebensaft:
Die lieblichsten Bilder, die hier zu schauen,
Es leben die Mädchen, es leben die Frauen“

Dieser Toast wurde mit nicht endenwollendem Jubel aufgenommen Die Festeslaune konnte durch die lebensvolle Darstellung der Festpantomime, die Gustav Heyl mit köstlichem Witz ausgestattet hatte, nur gesteigert werden. Der urkomische Inhalt des Festspiels möge den Lesern der „Gartenlaube“, welche von „dem falschen Rubens“, der für die Nationalgallerie angekauft worden, und von der hier ausgestellten „Leichenphantasie“ des Malers Zichy wohl gehört haben werden, nur angedeutet werden – „Neptun und Amphitrite“ waren eine köstlich durchgeführte Satire auf diese beiden vielbesprochenen „Kunstereignisse“. Weniger gelungen waren die im Palmenhause gestellten lebenden Bilder aus bekannten Volksmärchen, in deren behaglichen Genuß auch die frostige Temperatur störend eingriff. Der Tanz beschloß in später Nacht – oder richtiger: in früher Morgenstunde – das schöne Fest des „Vereins Berliner Künstler“.




Die gute alte Zeit. (Zur Abbildung S. 469.) Ja, es giebt eine gute alte Zeit, und es gab eine solche zu allen Zeiten. Was man gewöhnlich unter jener Bezeichnung versteht, ist für jede Generation eine bestimmte Periode nicht weit zurückliegender Vergangenheit, in welcher, nach dem volkstümlichen Ausdruck „Alles besser als jetzt“ gewesen sein soll. Schon Griechen und Römer hatten ihre verschiedenen „guten alten Zeiten“, ebenso die späteren Völker, und wir Deutschen erst recht. Wollen wir nun diesem standhaften Glauben – denn er hat sich durch alle Jahrhunderte bis heute erhalten – bis auf seinen Ursprung nachgehen, so finden wir ihn ganz nahe: Jeder Mensch hegt ihn im eigenen Kopf und Herzen.

Treten wir nur in’s Leben hinaus, gehen wir nur unter die Menschen, so begegnen wir überall derselben Wahrnehmung, die sich auch überall mit denselben Worten kennzeichnet: „Zu meiner Zeit war das doch anders.“ Der studirte Herr, welche Würde er auch repräsentire, betrachtet die jetzige Studentenwelt gewiß nicht ohne die Bemerkung: „Ja, zu meiner Zeit, da war’s doch anders.“ Unter „anders“ ist natürlich immer „besser“ zu verstehen. Der alte Handwerksmeister hat alle Scherereien der Polizei, die er als Wanderbursche zu erdulden gehabt, die Last seines Felleisens, die Hungertage und wunden Füße vergessen, wenn er den heutigen Handwerks-„Reisenden“ mit seinem schmalen Wanderbündelchen betrachtet, der sogar auf der Eisenbahn fahren kann. „In zu meiner Zeit – wie schön war’s da!“

So hat Jeder, der in den Jahren des beginnenden Alters stehst seine „gute alte Zeit“ gehabt, und sie war für Alle nichts anderes als – das verlorene Paradies der Jugend.

Aber es giebt für Manchen noch eine „gute alte Zeit“ in einem anderen Sinne; das ist vielleicht die einzig wahre „gute alte Zeit“, nämlich die eines sorgenlosen freundlichen Alters. Wenn ein Menschenpaar von den Tagen der Liebe an treu in Freud' und Leid zusammengehalten bis zu der Zeit, wo die Ehe in die innigste Freundschaft sich umgewandelt, wenn das Schicksal es den beiden Menschen verliehen, daß die Schmerzen über alles Verlorene verwunden und alles noch Lebende vom Kranze ihrer Lieben sie mit Zufriedenheit erfüllt, dann hat für solch ein Menschenpaar die wirkliche „gute alte Zeit“. begonnen; man lebt fortan seine guten alten Tage. Dann geschieht es auch wohl, daß die glücklichen Alten am liebsten wieder jene Wege und Plätzchen aufsuchen, die ein gemeinsames Erlebniß ihnen werth, eine ernste Erinnerung vielleicht heilig macht. Auf einem solchen Wege zeigt uns der Künstler die beiden Alten unseres Bildes. Er hat sie, nach der Tracht zu urtheilen, zwar in den Anfang, wenigstens in das zweite Decennium unseres Jahrhunderts gestellt, wohin ja Viele auch die gute alte Zeit verlegen können, wir aber fragen nichts nach jenen geträumten Glückstagen der Vergangenheit, sondern erkennen in dem lustwandelnden Paare unsere Eltern oder Großeltern in ihrer wirklich guten alten Zeit wieder. Wir können unsere Illustration nicht verlassen, ohne manchem Hause, mancher Familie ein Eltern- oder Großelternpaar zu wünschen das uns mit dem Anblicke eines solchen Bildes der „guten alten Zeit“ das Herz erquickt.




Noch einmal die Frage des Handfertigkeits-Unterrichts. Die wichtige Frage des Arbeitsunterrichts in der Schule, welche wir durch unsern Artikel „Die Erziehung zur Arbeit“ (vergl. „Gartenlaube“ 1880, Nr. 4) in den Kreis unserer Betrachtung gezogen haben, geht ihrer endgültigen Lösung in Deutschland langsam aber stetig entgegen. Am 13. Juli wurde auch zu diesem Zwecke in Berlin eine Conferenz abgehalten, an welcher nur sachverständige Freunde der gemeinnützigen Bewegung theilgenommen haben. Von den Beschlüssen, welche dort gefaßt wurden, verdient besonders die Bildung eines Centralcomités mit dem Vororte Bremen hervorgehoben zu werden. An die Spitze dieses Comités wurde Herr Dr. Lammers gewählt, und die von ihm herausgegebene Zeitschrift „Nordwest“ ist als künftiges Organ der Bestrebungen für den Handfertigkeits-Unterricht und häuslichen Gewerbefleiß auf deutschem Boden designirt worden. Am Schlusse der Verhandlungen wurde noch folgende Resolution von dem Stadtrath von Schenkendorff aus Görlitz auf die Tagesordnung gebracht und einstimmig angenommen. „Die Conferenz spricht die Bitte aus, daß die deutschen Regierungen der Sache des Handfertigkeits-Unterrichts ihre wohlwollende Aufmerksamkeit zuwenden wollen.“ Möge diese Nachricht die vielfache Freunde dieser Bewegung unter unsern Lesern ermuntern, in ihrem gemeinnützigen Wirken nicht zu erlahmen!




Kleiner Briefkasten.

Abonnent in Altona. Das öfter erwähnte Sachregister der „Gartenlaube“ befindet sich bereits im Druck. Es wird bis zum Jahre 1881 exclusive reichen.

A. in Sch. In jeder Buchhandlung erfahren Sie das Nöthige.

R. W. in St. Petersburg. Nein. Wir gedenken auch diesen Gegenstand nicht zu berühren.

H. R. Wenden Sie sich an den deutschen Consul in Bukarest!


Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1881). Leipzig: Ernst Keil, 1881, Seite 472. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1881)_472.jpg&oldid=- (Version vom 14.2.2021)