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Verschiedene: Die Gartenlaube (1881)

richtet in seiner weichen Sprache Befehle an seine Ehefrau, welche den Kopf mit der hellgrünen, in eine Spitze zurückgezogenen Haube aufmerksam gegen das Land wendet, ebenso erfahren in den Kunstgriffen des Segelns wie ihr Ehemann. Auf den Schiffsbrücken und in der Zollbude herrscht viel größere Regsamkeit, und oft beleuchtet noch die Mitternachtssonne ein äußerst bewegtes Handelstreiben; es ruht nimmer, so lange die Sonne wärmend vom Himmel Finnmarkens strahlt, und es gleicht in der That einem Bergstrome, der in unaufhaltsamem Brausen vorwärts stürzt, wie von der Ahnung des nahenden Frostes getrieben, der ihm Erstarrung und Stocken bringt.

Die Meridiansäule bei Hammerfest.

Die Kaufleute Hammerfests rüsten jährlich auch viele Fahrzeuge aus, um in der Gegend von Spitzbergen und Nowaja-Semlia den Walrossen, Seehunden und Renthieren nachzujagen. Die Besatzung dieser Schiffe besteht fast ausschließlich aus nach Hammerfest übergesiedelten Finnen. Die meist rohen, unerschrockenen und widerborstigen Gesellen sind wie gemacht für die rauhe Härte jener Eisgegenden, wo sie die Hälfte des Jahres in stetem Kampfe mit großen Beschwerlichleiten und Gefahren aller Art zubringen. Auch auf den vielen Jachten, die von den Handelsleuten der Stadt zur Jagd nach dem „Haakjorring“ ausgerüstet werden – einer Art großen Haifisch, der zwischen Spitzbergen und Beeren-Eiland um seiner Leber Willen gefangen wird, die einen vorzüglichen Thran giebt – besteht die Besatzung aus Finnen. Hammerfest ist der Sitz des Amtmanns von Finnmarken; es wohnt daselbst auch der Polizeimeister, der Richter und der Arzt. Die meisten europäischen Staaten sind daselbst durch Viceconsuln vertreten, und es werden zu diesen Aemtern Kaufleute der Stadt ernannt; nur Rußland hat einen hierher gesandten Consul mit festem Gehalt.

In Hammerfests Straßen und Umgebung bietet sich den Reisenden Gelegenheit, mit den Lappen, dieser alten Bevölkerung Finnmarkens, deren Kopfzahl gegenwärtig etwa 1700 beträgt, Bekanntschaft zu machen. Je nach ihrer Lebensart und ihrem Aufenthaltsort werden sie Seelappen oder Berglappen genannt. Die letzteren leben von ihren Renthierheerden und streifen als Nomaden umher, die Seelappen sind dagegen am Meere ansässig, treiben Fischfang, auch ein wenig Viehzucht und wohnen in Erdhütten, den sogenannten Gammen, oder bauen sich ein gezimmertes Haus, wenn ihr Vermögen dies gestattet. Die Seelappen sind eigentlich nur verarmte Berglappen, die sich aus Mangel an Renthieren als solche nicht ernähren konnten und deshalb allmählich nach der Seeküste hinabzogen. Soll ein Berglappe als selbstständiger Mann von seiner Renthierheerde leben, so muß diese mindestens 200 Stück zählen.

In Betreff der Lappen herrschen im Auslande die seltsamsten Vorstellungen. Geht man auch nicht mehr so weit als vor 100 Jahren, wo Knud Leems in seiner Beschreibung erzählte, es gäbe Leute, welche glauben, die Lappen Finnmarkens seien ganz behaarte Menschen und hätten nur ein Auge inmitten der Stirn, so finden sich gewiß doch noch Viele, die sich diesen Theil der norwegischen Bevölkerung als

Hammerfest am Nordcap.
Nach einer Photographie auf Holz übertragen.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1881). Leipzig: Ernst Keil, 1881, Seite 481. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1881)_481.jpg&oldid=- (Version vom 10.9.2022)