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Verschiedene: Die Gartenlaube (1881)


Der Humor in der Musik.

Wie verhält es sich mit dem Humor in der Musik?

Ist überhaupt anzunehmen, daß er in der Tonkunst sich geltend machen könne, oder widerstreitet er dem Wesen dieser letztern?

Die Musik ist eine eigenthümliche Sprache, die eines eingehenden Studiums bedarf, will sie als solche erkannt, verstanden und gelernt werden. Wie die Erfahrung beweist, steht sie an Ausdrucksfähigkeit hinter keiner der großen Literatursprachen zurück – und an der Hand des (gesungenen) Wortes kann sie sogar mit der allergrößten, unzweifelhaftesten Deutlichkeit sich vernehmen lassen. Für keinen Gemüthsaffect fehlt ihr der Ausdruck; sollte er ihr nur für den Humor versagt sein? Gewiß nicht – dies um so weniger, als der Humor dem Gemüthe weit näher steht, als der Witz oder die Satire.

Wer übrigens glauben sollte, zur Erzielung von allgemein verständlichen humoristischen Wirkungen sei das gesungene Wort unerläßlich, der würde einem schweren Irrthume verfallen; denn bekanntermaßen müssen die großen Instrumentalisten Haydn und Beethoven unter die glücklichsten Vertreter des Humors in der Tonkunst gerechnet werden.

Daß dem Humor in der Gesangsmusik und speciell in der Oper eine prächtige Entfaltung beschieden war, erscheint bei alledem selbstverständlich, aber ungeachtet der dichterischen Beihülfe ist es nicht etwa die Poesie, welche uns den humoristischen Effect vermittelt, sondern die Musik selbst, da die betreffenden Wirkungen fast immer durch rein musikalische Mittel hervorgebracht werden.

Als einen der größten Humoristen auf dem Gebiete des musikalischen Dramas haben wir den so staunenswerth vielseitigen, in Bezug auf Charakterisirungskunst bis jetzt unerreichten Mozart vor Allem zu nennen.

Man vergleiche nur den dicken faulen, aber fanatischen Osmin mit einem Leporello, Papageno, Figaro! Man denke an Blondchen, Zerline, Susanne, Despina mit ihren grundverschiedenen Schelmengesichtern!

Gailthalerin aus Kärnten.
Nach den „Oesterreichisch-Ungarischen Nationaltrachten“ (R. Lechner's Verlag, Wien)
auf Holz übertragen.

Es versteht sich, daß ein alter fauler Türke, der aber, wie recht und billig, verliebt ist, seine Gefühle in einer andern Weise vernehmen läßt, als ein mit allen Wassern gewaschenes Sevillaner Factotum. Aber solch trauriges Lied mit solch unendlich behäbigem Trallala als Refrain zu erfinden, wie das bekannte

„Wer ein Liebchen hat gefunden“ –

wäre vielleicht keinem andern großen Meister geglückt.

Und wie hält Mozart die Charakterzeichnung fest! Der fanatische Türke in seiner Tobwuth verleugnet doch nicht den behaglich auf dem Baume sitzenden trällernden Faulpelz. Das „Erst gespießt und dann gehangen“, so fanatisch durchglüht es erscheint, das „Vivat Bacchus, Bacchus lebe“, so übermüthig lustig es hervorsprudelt – zeigt uns trotz alledem den schwerfälligen Türken des Anfangs und würde keinem Leporello oder Papageno zu Gesicht stehen.

Im Allgemeinen hat außer Mozart nur die spätere italienische Schule (Rossini und Donizetti), sowie in Frankreich Auber die eigenthümliche Gestaltung des Gesanges selbst zur Erzielung humoristischer Effecte verwendet, während bei den Deutschen sich der Humor mehr auf die Instrumentalmusik warf und in der Oper nur noch vereinzelte Blüthen zeitigte.

Des ergötzlichen Geplappers in den bekannten Finales vom „Barbier“ und der „Celnerentola“ müssen wir gleichwohl mit einigen Worten gedenken. Wie ein Feuerwerk erscheint uns diese blitzschnelle Folge von Noten, die auf uns bedächtige Deutsche fast den Eindruck eines Geschnatters hervorruft, ihres fremdartigen Charakters halber aber nur um so komischer und lachreizender wirkt. Meisterwerke dieser Schnellzüngigkeit erkennen wir in der weltbekannten Hauptarie des „Figaro“ von Rossini, in der Marktscene aus der „Stummen“ und in Auber’s unvergleichlichem Zank-Duett aus „Maurer und Schlosser“.

Auch Mozart hat sich dieser Schnellzüngigkeit als eines wirksamer Mittels bedient und läßt Leporello wie Papageno (in dem berühmten Duette mit Papagena) hiervon den glücklichsten Gebrauch machen. Aber beide kostbaren komischen Figuren werden doch vielfach auch in anderer Weise und nicht weniger ergötzlich charakterisirt.

„Ach, zur Strafe meiner Sünden“ – diese klägliche Melodie wirkt durch die Wahrheit des Ausdrucks so zwingend, daß bei guter Darstellung der erheiternde Effect nie ausbleiben wird. Und wie komisch erscheint (ein Gegenspiel aller Schnellzüngigkeit) der mit dem Verbote des Plauderns bedrohte, schließlich gar mit einem Maulkorb bestrafte Papageno!

Humoristisch berühren uns oftmals die Gesangstimmen, insofern sie in beträchtlicher Höhe oder Tiefe vom Componisten verwendet werden. Wer kennt nicht Lortzing’s „Bürgermeister von Saardam“? Wer erinnert sich nicht der köstlichen Stelle, an welcher der abgeschmackte Hohlkopf mit salbungsvoll prahlerischer Gemächlichkeit immer weiter abwärts singt, bis ihm die Stimme versagt und ein mitleidiger

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1881). Leipzig: Ernst Keil, 1881, Seite 529. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1881)_529.jpg&oldid=- (Version vom 7.9.2022)