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Verschiedene: Die Gartenlaube (1881)


Thurm habe großen historischen und architektonischen Werth. Historischen Werth hat er nur insofern als er der letzte von den sechs Thürmen ist, welche ehedem die Stadtmauer Spandaus krönten; alles, was man ihm sonst andichtet, ist eitel Erfindung. Keine Sage knüpft sich an diesem Thurm, und in der Geschichte der Stadt spielt er nur die untergeordnete Rolle eines Statisten. Ein architektonischer Werth kommt ihm ebenfalls nicht zu; denn die Mark hat viel besser erhaltene Befestigungsthürme zu Dutzenden. Er ist nichts, als ein hinderlicher, die Stadt verunzierender Backsteincylinder, keine sagenumwobene Säule, die da zeugt „von entschwundener Pracht“. Möge er bald das Schicksal seiner in Schutt gesunkenen Genossen theilen!

In den Wirren, welche das Auftreten des sogenannten falschen Waldemar über die Marken brachte, stand Spandau zuerst auf Seiten der Anhaltiner, nachdem aber die Aussöhnung zwischen den Luxemburgern und Wittelsbachern erfolgt war, hielt die Stadt als eine der ersten wieder treu zu ihrem rechtmäßigen Landesherrn, Markgraf Ludwig dem Aelteren.

Der Reformation zeigten sich die Bürger Spandaus früh geneigt, und als die verwittwete Kurfürstin Elisabeth 1535 nach dem Tode ihres Gemahls, Kurfürst Joachim’s des Ersten, in dem Schlosse Spandau, das ihr bereits 1508 als Wittwensitz verschrieben worden war, Wohnung nahm, scheint in der Stadt lutherischer Gottesdienst abgehalten worden zu sein. Der förmliche Uebertritt zur Reformation erfolgte am Allerheiligentage 1539, wo es geschah, daß Kurfürst Joachim der Zweite in der Nicolaikirche zu Spandau aus den Händen des Bischofs Matthias von Jagow das Abendmahl in beiderlei Gestalt empfing und damit öffentlich der Reformation beitrat. Nach dem im Jahre 1555 erfolgten Tode seiner Mutter faßte der Kürfürst den Entschluß, neben der Stadt Spandau eine Festung zu erbauen, die so angelegt werden sollte, daß sie das ganze alte Schloß umgab, und schon 1560 begann der Baumeister Christos Römer den Bau. Der Italiener Giaramella de Gandino setzte denselben 1572 bis 1578 fort, und Graf Rochus Guerini zu Lynar vollendete ihn 1594. Im Jahre 1580 erhielt die Festung, die jetzige Citadelle, die erste Besatzung von drei Rotten Landsknechte, im Ganzen vierundzwanzig Mann mit einem Guardihauptmann. Der Julius-Thurm, vermuthlich erbaut in der Zeit Kaiser Karl’s des Vierten, ist der letzte Rest des alten Schlosses „Spandau“.

Ob der Entschluß Joachim’s des Zweiten für die Stadt Spandau heilbringend gewesen ist? Schwerlich! Spandau, am Zusammenflusse zweier schiffbarer Ströme gelegen, erfüllte alle Bedingungen, um sich zu einer Industriestadt zu entwickeln, aber die Citadelle, welche die Befestigung der Stadt nach sich zog, hat die industrielle Entwickelung Spandaus lahm gelegt.

Im Dreißigjährigen Kriege brachten die immer drückender werdenden Contributionen und Materiallieferungen, die zu wiederholten Malen mit Heftigkeit auftretende Pest, die häufigen Einquartierungen einer mehr als anspruchsvollen Soldateska die Stadt, welche aus Grund der Capitulation vom 4. Mai 1631 von den Schweden besetzt wurde und bis zum Mai 1634 in deren Händen, blieb, an den Rand des Verderbens. Die aus jener trüben Zeit zu uns herübertönenden Klagerufe sind so herz- und markerschütternd, daß wir uns das Elend nicht groß genug vorstellen können. Am Ende des Krieges lag die Hälfte der Häuser Spandaus in Trümmern; die Einwohnerzahl war auf ein Dritttheil herabgesunken, und dieses Dritttheil bestand aus verarmten, geistig und moralisch heruntergekommenen Menschen. Es bedurfte langer Jahre, ehe die Wunden, welche der schreckliche Krieg geschlagen hatte, wieder geheilt waren.

In die Zeit des Dreißigjährigen Krieges fällt auch die Umwandelung der bisher nur durch Mauer, Wall und Graben geschützten Stadt in eine den Anforderungen der Zeit entsprechende Festung. Nachdem im Jahre 1626 durch Kurfürst Georg Wilhelm verordnet worden war: „die Stadt Spandau solle also fortificirt werden, daß man bei sich ereignendem feindlichem Angriffe in dieselbe retiriren und sich schützen könne“, begannen die Arbeiten, und besonders energisch wurden sie betrieben, als Graf Adam von Schwarzenberg als Statthalter der Mark auf der Citadelle Wohnung genommen hatte. Damals wurden sämmtliche Vorstädte und mit ihnen die Heiligegeistkirche sowie die Gertraudenkirche auf dem Stresow zerstört.

Das achtzehnte Jahrhundert bietet in der Geschichte Spandaus mit Ausnahme der im Jahre 1722 erfolgten Anlage der Gewehrfabrik keine Ereignisse von allgemeinem Interesse. Trübe Zeiten brachen im Anfange dieses Jahrhunderts über die Stadt herein. Der Unglückstag von Jena und Auerstädt führte die Franzosen nach Spandau. Ohne einen Schuß gethan zu haben, überlieferte der kopf- und energielose Commandant am Nachmittage des 25. October 1808 die Festung die Feinde, und bis zum 3. December 1808 hatte Spandau die Franzmänner in seinen Mauern. Der Ausbruch des Krieges gegen Rußland im Jahre 1812, in welchem Preußen der Verbündete Napoleon’s war, gab der Stadt wiederum eine französische Besatzung, und als dann im folgenden Jahre Preußen ein Bündniß mit Rußland geschlossen hatte, wurde Spandau am 24. Februar 1813 von den Franzosen in Belagerungszustand versetzt. In Folge dessen ereignete sich das furchtbare Schauspiel, daß sämmtliche Vorstädte niedergebrannt wurden.

Die Belagerung der Festung begannen im März die Russen, die aber bald von den Preußen abgelöst wurden. Am 17. April eröffneten die Belagerer das Bombardement auf die Citadelle und die Batterien am Berliner Thore und setzten es in den folgenden Tagen mit großer Heftigkeit fort. Dabei fielen einige Bomben in die hinter der Batterie am Berliner Thore liegenden Häuser und verursachten eine Feuersbrunst, welche mehr als sechszig Häuser in Asche legte. Nach Abschluß der Capitulation übergaben die Franzosen die Festung am 27. April den Preußen, die mit unermeßlichem Jubel von der schwergeprüften, nun aber wieder frei athmenden Bevölkerung empfangen wurden.

In eine neue Entwickelungsphase ist Spandau in den letzten fünfundzwanzig Jahren durch Anlage der königlichen Fabriken und Erweiterung der Stadtbefestigung getreten. Die 1722 gegründete Gewehrfabrik ging 1855 in den Alleinbesitz des Staates über; 1839 wurde die Pulverfabrik, 1853 auf 1854 die Geschützgießerei, 1867 auf 1868 die Miiitärweckstatt gegründet. Alle diese Fabriken besorgen den Betrieb durch Civilarbeiter, seit 1870 auch das königliche Feuerwerkslaboratorium, weshalb die Arbeiterbevölkerung Spandaus nach Tausenden zählt. Dennoch ist die Stadt kein Industrieort im eigentlichen Sinne; denn größere Privatindustrie ist dort nicht vorhanden. Abgesehen von drei Schneidemühlen, einer Mahlmühle und zwei größeren Brauereien, beschränkt sich die gewerbliche Thätigkeit der Einwohner auf das Kleingewerbe, und der Handel ist im Wesentlichen auch nur Kleinhandel.

Die königlichen Fabriken und namentlich der Julius-Thurm haben der Stadt Spandau einen Weltruf verschafft. Seit 1875 birgt der Julius-Thurm in seinem obersten Theile den Reichskriegsschatz, hundertzwanzig Millionen Mark in wohlgeprägten Kronen und Doppelkronen, in hölzernen Kisten verpackt, nur den Herren der Reichskriegsschatzcommission zugänglich, den Schlüsselbewahrern.

Möge dieser Schatz noch lange unangetastet liegen als ein Hort des Friedens, Deutschland zum Heile!




Blätter und Blüthen

Gefunden! Von den in den letzten Vermißtenlisten Aufgeführten sind folgende Nachrichten eingegangen:

1) Jacob Schwarz kehrte am 14. März nach Hause (M.-Gladbach) zurück.

2) Holzhändler Lages in Wolfenbüttel hat von uns Mittheilungen über den Aufenthalt seines Sohnes erhalten.

3) Karl Raab conditionirt, wie wir den Seinigen mittheilen konnten, als Apothekergehülfe in M. - Gladbach.

4) Ueber die von ihrem Bruder, einem Schauspieler, lange vergeblich gesuchten Schwestern sind bei uns von fünf Seiten zugleich Nachrichten eingegangen.

5) Die über den vermißten Frömmig aus Amerika eingelaufenen Nachrichten haben wir den Angehörigen mitgeteilt.

6) Ueber Ernst von Malßka sind Spuren entdeckt, die seine Auffindung ziemlich sicher stellen.

7) Der Tapezierermeister Jul. Harnisch zu Großwardein in Ungarn hat seine Brüder (in Leipzig) gefunden.

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1881). Leipzig: Ernst Keil, 1881, Seite 583. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1881)_583.jpg&oldid=- (Version vom 7.9.2022)