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Verschiedene: Die Gartenlaube (1881)

So singt Gustav Pfarrius. – Nicht die gesammte Fruchtbarkeit des Johannisbergs kommt in den Handel. Indeß wird immerhin noch ein gut Theil trefflichen Stoffes der öffentlichen Auction – wie dies rheinische Sitte ist – ausgesetzt. So gelangt der Johannisberger auch an minder hohe Sterbliche, wenn sie nur des edlen Metalles genug besitzen, um den Edeltrank damit aufwägen zu können – denn er bietet sich dem Trinker nicht um „schnödes Kupfer“. Mit Gold will er heute aufgewogen sein. –

Nicht allzu fern von diesem hochgerühmten Weingarten wächst der Steinberger auf einem Flächenraum von etwa achtzig Morgen in nächster Nähe der bekannten Weinorte Hallgarten und Hattenheim, kaum eine Stunde vom Rhein entfernt. Auch diesen Rebberg rodeten geistliche Herren – die Mönche vom Kloster Eberbach – an, und schon seit siebenhundert Jahren half der Steinberg den Ruhm des Rheingaues verbreiten. Leiteten doch von hier aus die frommen Herren des Klosters ihren ausgedehnten Weinhandel, der später seinen Hauptstapelplatz in Bacharach zur Verladung rheinab fand. Bis heute hat sich das Lob der frommen Mönche erhalten Vielbesungen und vielbeneidet waren die feinen Zungen ihrer weinkundigen Kellermeister, deren Stopfenzieher stets ebenso bereit waren wie ihre geistlichen Breviere. Auch der Steinberg verdankt seinen bedeutenden Ruf der trefflichen Behandlung und Bewirthschaftung, welche er von jeher bis auf unsere Tage erfahren, und unter nassauischer wie preußischer Domainenverwaltung ist sein Werth und sein Name nur gesteigert und gefordert worden. Die Ergebnisse der einzelnen Abtheilungen: des Rosengartens, des goldenen Bechers, des Plänzers und Zehnthäuschens – wie diese Abtheilungen des ummauerten Steinberges heißen – lagerten und lagern schon seit Jahrhunderten in den „heiligen Hallen des Rheinweines“, in den Kellern des Klosters Eberbach, welche wir unseren Lesern ebenfalls in der „Gartenlaube“ (Jahrgang 1868, S. 276 und 1871, Nr. 45) schon geschildert haben. Hier ist das berühmte „Cabinet“ – und daher der Name „Cabinetswein“ – vielleicht auch weil die ausgesuchtesten Weine an Cabinete versendet wurden.

„Seht, im Herzogsglanz
Rückt der vom Steinberg an, bewußt, bedächtig.
Den Helm umblüht ein stolzer Siegeskranz:
Sein Wesen ist wie eines Fürsten prächtig.“

Den beiden Vorgenannten gesellt sich im Rufe als würdiger Genosse der Rauenthaler, ein kräftiger, kerniger Bursche, der sich eines hervorragenden Bouquets, einer absonderlich feinen Blume rühmen darf. Auf den Höhen des vielbesuchten Winzerdörfchens Rauenthal, und hauptsächlich nur in Berglage, geschützt vor rauhen Winden und ebenfalls kaum ein Stündchen vom Rhein entfernt, „kommt er zur Welt, auf sonnigem Stein“. In mancher Ausstellung, in manchem Wettkampf hat er im Verein mit dem Steinberger schon über den Johannisberger gesiegt, und ein unbestrittenes Verdienst des Procurators A. Wilhelmi (Vater des weithin bekannten Violinvirtuosen August Wilhelmi) ist es, diesen Edelwein zu erneutem Rufe und Glanze geführt zu haben.

Alle diese Edelsorten, wie auch die nächst denen zu nennenden entstammen der Rieslingtraube, die an feinem Arom von keiner andern Rebgattung übertroffen wird. Aber gerade ihre edle Natur bedarf der größten Sonnenwärme, um zur vollständigen Reife zu gelangen. Dies ist auch die Ursache, weshalb mancher Mittelwein in einzelnen Jahren an anderen Orten leidlich reifen kann, während die Edelgewächse des Rheingaues bei ungünstigen Bedingungen die Erwartungen oft genug täuschen, indem sie den Zustand der eigentlichen Edelfäule nicht immer erreichen. „Edelfäule“! Ein wunderliches Wort für den Laien. Und doch so wesentlich für den Weinbauer.

Als im Jahre 1811 die Lesezeit bereits unbenutzt vorüber – ob in Folge der Invasion oder, wie Andere wollen, durch einen Rechtsstreit um den Zehnten veranlaßt – als Frost und Schnee die Beeren bereits in hohem Grade angegriffen, wollte man auf die Lese in der Gemarkung Johannisberg ganz verzichten. Man las dennoch – und der Lohn war eine Crescenz, die bis dahin nicht erreicht war.

Der Frost hatte die wässerigen Theile der Beeren ausgeschieden; Zuckerstoff und Alkohol blieben zurück. Seit jener Zeit erwartet man in den besten Lagen den Eintritt dieser „Fäule“ und läßt dann den Berg mit Stäbchen, Traube für Traube „aus- und ablesen“, sodaß nur die reifsten Beeren zuerst in kleinen Schalen gesammelt und für sich gekeltert werden, ehe die ganze Traube dem Schnitte der Winzer fällt. Daher die Bezeichnung „Auslese-Wein“, d. h. nicht Wein aus ausgelesenen Trauben, sondern aus ausgelesenen Beeren. Mancher Winzer macht sogar eine erste, zweite und dritte Auslese, ehe er den Rest der Trauben der Kelter überantwortet. Solche Weine können nicht billig sein.

Begünstigt aber ein glückliches Sommerwetter die Reife, dann ist jahrelanger Schaden durch Mißwachs mit einem Schlage gebessert und hoch steigen die Preise der Ausleseweine. Nur trage sich der Wanderer am Rhein nicht mehr mit dem kühnen Gedanken daß ihm mit jedem Glase Rheinweines einer Heckenwirthschaft ein solches Tröpfchen credenzt werde! Diese Weine haben auch am Rhein jeder Zeit einen hohen Preis.

Vielleicht der älteste, nach seinem Umfange jedenfalls der bedeutendste Weinort des Rheingaues ist Rüdesheim, jenes Städtchen, welches auf quarzhaltigem Thonschieferboden einen kräftigen Feuerwein hervorbringt. Hochan streben die Terrassen des Rüdesheimer Berges, gestützt durch Mauerwerk, ausgenutzt bis in das kleinste Winkelchen; nunmehr ist der Berg auch gekrönt durch das Nationaldenkmal, errichtet zur Erinnerung an die Wiedervereinigung aller deutschen Stämme, umduftet in der Frühsommerzeit von der edelsten Rebblüthe des Rheins.

Dem Rüdesheimer Berge gleichwertig und an ihn örtlich grenzend sind die Auslesen des Bischofsberges, der sogenannte Hinterhäuser und Rottläder.

Der nächste Verwandte des Rüdesheimer Goldtrankes ist der Geisenheimer, der mit seinen bevorzugten Lagen: Kosakenberg, Rothenberg, Moosberg und – Katzenloch, bis an die Gemarkungen Rüdesheims heranreicht und, wie dieser, auf keiner besseren Weinkarte fehlen darf. Etwas milder und doch ein feuriger Rheinwein, zählt er zu den gelobtesten der Rheingauer Edelsorten und hat sich – dank der Fürsorge der seit Jahrzehnten dort heimischen Weinfirmen – den Ruf großer Reinheit und vorzüglicher Behandlung erworben. Lieblich muthet der saubere Ort mit seinen rothen Sandsteinthürmen, weithin leuchtend in dem Panorama des eigentlichen Rheingaues, den Wanderer an.

Da liegt dicht an der Landstraße unfern des Rheines, zwischen Hattenheim und Erbach, der Marcobrunn, eine Weinlage, die indessen nur geringen Flächenraum beherrscht. Marcobrunn! Nach früherer Auslegung war dieser Brunnen dem heiligen Marcus geweiht, sicherer ist die Herleitung von Marktbrunnen oder Brunnen an der Gemarkungsgrenze; denn er liegt auf der Scheide zwischen Erbach und Hattenheim. Und als eines Tages die Erbacher einen Grenzpfahl an dem klaren Brünnlein aufrichteten mit der Inschrift: „Marcobrunn Gemeinde Erbach,“ antworteten die Hattenheimer auf ihrer Seite mit dem öffentlichen Anschlag:

„So ist es recht, und so muß es sein:
Für Erbach das Wasser, für Hattenheim den Wein!“

Ernst entbrannte die Fehde nicht; denn beide Ortschaften reichen sich über der Höhe des Strahlenberges (so heißt der eigentliche Weinberg von Marcobrunn) die nachbarlichen Hände, zufrieden, daß Jeder sich eines hervorragenden Edelweines rühmen kann. Das Eisenbahngleis hat den Berg mitten durchschnitten – leider! denn es ist schade um jeden Zoll Erde, der hier dem Schienenweg gewichen. Der Rheinreisende eilt im Fluge mitten durch die hochgelobte Pflanzung, nur zur Zeit der Rebenblüthe daran erinnert, daß hier wohl „Außergewöhnliches“ sich zur Reife vorbereitet.

„Es heißt, zu Marcobrunn ist er geboren,
Ein Minnesänger, recht ein Hochhinaus,
Er scheint verliebt dazu bis an die Ohren.“

Das Winzerdörflein Hattenheim nannten wir schon. Es herbergt jetzt das „große Faß von Hattenheim“, ein Gebinde, das volle 84,000 Flaschen hält. War das eine fröhliche Taufe, als die Theilnehmer des in Wiesbaden tagenden Journalistentages, zufällig unter der officiellen Führung des Verfassers, dem Kindlein die erste Weihe angedeihen ließen! War das ein weinseliger Tag – eine Tafelrunde kundiger Ritter und Knappen, die sich dort im Hause des schon oben genannten Großproducenten, des Procurators Aug. Wilhelmi trafen, um durchzukosten, was der Rheingau in seiner besten Laune zu spenden vermag! Und als H. Dickmann (Franz Othen) im geheimnißreichen, magisch beleuchteten Riesenkeller, vor dem Weinkoloß den Weihespruch gethan und [[Emil Rittershaus]] das Wort ergriff, wie klangen da die Gläser, die rheinischen Lieder, die Hochrufe hinauf und hinaus zum Lobe des

Hattenheimers und seines Spenders! Gar Manchem stieg da erst

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1881). Leipzig: Ernst Keil, 1881, Seite 722. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1881)_722.jpg&oldid=- (Version vom 14.2.2021)