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Verschiedene: Die Gartenlaube (1881)

Des Statthalters, an dessen Befragung ihm zunächst noch gelegen, war er am Morgen nicht gleich habhaft geworden, da dieser zeitig mit dem Geschirr in’s Feld gerückt war. Ein flüchtiger Gang durch die zugänglichen Räume des Hauses, durch die Wirthschaftsgebäude und die nächste Umgebung des Hofes illustrirte die Aussagen des Radmachers. Es sah alles noch recht kümmerlich und verwahrlost aus, obschon hier und da Versuche jüngeren Datums erkennbar waren zum mindesten das Allerunzulänglichste in Stand zu setzen. Schmutzig und baufällig genug blieb nichtsdestoweniger das meiste.

„Das wird ein langsames Abzahlen geben,“ murmelte er, einem Wagen zuschreitend, der mit Heu beladen anlangte. Er befragte die Leute, welche ihn mit neugierigen Augen betrachteten, nach dem Statthalter und ließ sich beschreiben, wo derselbe zu treffen sei.

„Was der für Handschuhe anhat!“

„Und was für Augengläser! Er ist wohl das Stubensitzen so gewohnt, daß er immer durch zwei Fenster gucken muß.“

„Das ist einer von den studirten Oekonomikern. Aber er hat sehr was Forsches.“

„Auch was Hochmütiges.“

So lauteten die Kritiken auf dem Heuwagen. Als Curt am Hause vorbei kam, sagte er sich mit einem Blick darauf:, „Diese Knechte und Mägde werde ich ausquartieren und ihre Höhlen für mich herrichten lassen. Die Wirthschafterin kann man am Ende auch auf dem Boden in einer Mansarde unterbringen. Und es muß sofort geschehen. In meinem Leben habe ich noch in keiner Eßstube geschlafen. Die Leute thun mir leid. Ich hätte mich in der Nachbarschaft einquartieren und von da aus erst meine Einrichtung besorgen sollen“

Er schritt hinter das Haus; dort war durch einen Zaun, zu welchem junge Tannen das Material geliefert, ein Gartenterrain abgegrenzt worden, wohl auch eine Errungenschaft der jüngsten Zeit und der Bemühungen der Cousine Lebzow. Die Thür stand halb offen. Er trat in den Garten – alles blinkend und morgenfrisch! Der Rasen an den Böschungen gilbte schon leise. Späte Blumen, viel Astern, viel Georginen, deren große leuchtende Köpfe etwas Leben gaben, ohne doch den Mangel an Buschwerk verdecken zu können. Nur hinten an der alten Lehmmauer wucherte auch hier der Hollunder. Das Terrain war künstlich uneben hergestellt worden; links drüben an der Ecke erhob es sich zu einem Hügel mit niedrigen Anpflanzungen, der eine Laube trug, und in der Laube leuchtete etwas Rothes, das Curt veranlaßte, hinüberzugehen und den Hügel zu ersteigen. Er fand ein wollenes gestricktes Tuch, einen „Seelenwärmer“, wie Frauen sie damals trugen ganz durchfeuchtet vom Nachtthau.

„Es gehört der Cousine Lebzow,“ sagte er sich, indem er ihn. aufnahm und aus einander faltete. „Es muß an die zwanzig Stunden hier gelegen haben.“

Der junge Mann legte das purpurrothe Tuch über den Arm; wie weich es fiel! Er war entschlossen, es der Wirthschafterin zu übergeben. Ob diese wußte, wie es mit dem beschädigten Fuße ging? Aber freilich, Anne-Marie schlief wohl noch, und die Frau hatte bisher nicht Gelegenheit gehabt, etwas zu erfahren.


(Fortsetzung folgt.)




Die internationale Jagd-Ausstellung zu Cleve.

Zum zweiten Male führen wir unsere Leser in diesem Jahre nach der Dreihügelstadt Cleve. Etwas entfernt von der schattigen Baumreihe, welche uns zu der Hunde-Ausstellung zu Cleve (vergl. Nr. 42 dieses Jahrgangs) geleitet hatte, erblicken wir weiträumige, in anmuthigem Stil aus Holz aufgeführte Gebäude, von deren höchster Kuppel die Figur eines altmodischen Jägersmanns in der heurigen Sommerzeit dem fremden Besucher einladend entgegenwinkte. In diesen weiten Räumen haben sich vom Juni bis zum October die Nimrode aus aller Herren Ländern ein Rendez-vous gegeben, dort ihre Jagdtrophäen und ihre todbringenden Waffen in geordneten Reihen ausgestellt, ihre heimtückischen Netze aufgehängt und zwischen den blanken Saufedern und haarscharfen Hirschfängern die kühnen Thaten des edlen Waidwerkes von Malerhand an die hölzernen Wände zaubern lassen. Dort schritten sie nun durch die breiten Hallen, jene markigen, aber gelenkigen Gestalten mit dem wettergebrannten Antlitz und den biederen, freundlich dreinschauenden Augen, die Herren unserer Fluren und Wälder, die frischen Jägersleut’! Freude verklärte ihre Züge bei dem Anblick der langgezogenen gut gearbeiteten Feuerrohre sowie der blitzenden Stahlklingen, und stolz fühlten sie sich in diesem phantastischen künstlichen Walde, welcher aus dreizehntausend Hirschgeweihen gebildet war; denn die internationale Jagd-Ausstellung mußte als ein durchaus gelungenes Unternehmen bezeichnet werden.

So ging es in Cleve laut und lebhaft zu – noch vor wenigen Wochen. Heute sind all die Herrlichkeiten. die das Jägerauge entzückten, wohlverpackt auf der Reise nach ihren Ursprungsorten begriffen, und dem Besucher bleibt nur die Erinnerung an die fröhlich verlebten Tage, an das Feenmärchen einer Jagdherrlichkeit, wie man sie in der Zeit des Dampfes, der das Wild aus seinen alten Revieren verscheucht, kaum erwartet hätte.

Es kann nicht unseres Amtes sein, ein fachmännisches Urtheil abzugeben über die abgestellten Objecte, so da waren Schieß- und blanke Waffen und Munition, Fangeisen und Thierfallen, Jagdutensilien und Anzüge, Jagd-, Reise- und Luxus-Artikel, Ausrüstungsstücke für den Hund, Jagdzimmereinrichtungen und Gemälde, Parkdecorationen, Jagdwagen und Jagdschlitten sowie diverse andere Gegenstände. Unsere Aufgabe ist vielmehr genau vorgezeichnet durch den Stift des genialen Malers L. Beckmann, welcher zur Erinnerung an die Clever Ausstellung das vortreffliche, dieser Besprechung beigegebene Bild für die „Gartenlaube“ entworfen und aus dem reicher Material von Sehenswürdigem das Sehenswürdigste mit Kennerblick herausgegriffen hat.

Da finden wir zunächst in der Mitte unseres heutigen Tableaus einen Repräsentanten der jüngst (vergl. Nr. 43 dieses Jahrgangs) unseren Lesern vorgestellten, aus Deutschland so gut wie verjagten Hirschart, den Kopf eines Elchs aus dem ostpreußischen Forste zu Ibenhorst (Nr. 13), ein prachtvolles Cabinetsstück aus der Sammlung des Prinzen Friedrich Karl von Preußen.

Dicht über diesem ehrwürdigen Haupte hat der Maler ein merkwürdiges Bild angebracht, einen Hirschkopf mit monströs verwuchertem Geweih (Nr. 5). Die fettere Mißbildung besteht nicht etwa aus den ziemlich häufig vorkommenden fleischigen oder porösen Neubildungen, sondern aus fester, knochiger Masse, welche sturmhaubenähnlich aus dem Schädel des Thieres gewachsten war. Neben diesem sonderbaren Hirschexemplare befindet sich ein Kopf des gutmütigen Lampe (Nr. 8), dem zwei Schneidezähne sichelförmig aus dem Schnäuzchen gewachsen sind, wiederum eine krankhafte Erscheinung, die jedoch ziemlich häufig vorkommt und auf der Clever Ausstellung wohl durch ein Dutzend Exemplare vertreten war.

Von diesen und anderen heimischen Wildarten war in den für Deutschland bestimmten Hallen eine ganze ausgestopfte Legion vorhanden, Vierfüßler und Vögel, welche man hier und dort zu ergötzlichen Genrebildern aus dem Thierleben zusammengestellt hatte. Hier stand eine Gruppe Schnepfen mit Jungen, unter welches Tableau man getrost die Unterschrift „Mutterfreuden“ hätte setzen dürfen, dort ein Uhuhorst, von Wildkatzen überfallen, ein gar wildes Bild, hier wiederum Isegrimm, im Eisen sitzend, und dort Reinecke zum Fußschemel verarbeitet. Wer da Lust und Geld hatte, konnte viel Derartiges für einen civilen Preis kaufen.

Aber auch das Ausland diesseits und jenseits des Aequators, von dem Nord- bis zum Südpol war auf dieser internationalen Ausstellung vertreten, und da standen sie in langen Reihen, die nackten aber dickhäutigen Kinder des Südens neben den pelzhaarigen Söhnen des Nordens, die Rhinoceros, Nilpferde und Elephanten neben den Vielfraßen, Polarfüchsen und Eisbären. Ganz oben auf unserer Illustration ist ein solches ausländisches Prachtexemplar abgebildet, der gewaltige Kopf eines amerikanischen Riesenbüffels (Nr. 1), der zwischen dem mächtigen Geweih eines ungarischen Zwanzigenders (Nr. 2) hervorschaut.

Der Edelhirsch, welcher einst diese stolze Krone trug, war im Jahre 1879 in den Jagdrevieren der Herrschaft Munkacs erlegt worden und wog nach dem Ausbruch 490 Pfund. Außer diesem Prachtgeweih hat Graf Hoyos aus Ungarn noch ein Halbdutzend ähnlicher Trophäen gesandt.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1881). Leipzig: Ernst Keil, 1881, Seite 744. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1881)_744.jpg&oldid=- (Version vom 14.2.2021)