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Verschiedene: Die Gartenlaube (1881)

Unter allen den ausgestellter Hörnern verdient jedoch die Collection des Rittergutsbesitzers. H. Lantz aus Lohausen bei Kaiserswerth ganz besonders hervorgehoben zu werden. Es sind dies namentlich abnorme Geweihe, wie sie durch Schußverletzungen entstehen (Nr. 23 bis 26), auf welche der Eigentümer derselben so großer Werth legte, daß er nicht zu bewegen war, die kostbare Sammlung der Gefahr eines Transportes auszusetzen. So wurden dieselben in Modellen ausgestellt, und da unser vorzüglicher Thiermaler L. Beckmann diese Arbeit überwachte, so ist sie so vortrefflich ausgefallen, daß man die Modelle von den Originalen kaum zu unterscheiden vermochte.

Wenden wir uns nun von den Trophäen zu den Waffen des Jägers! In dieser Abtheilung sah man neben den besten Gewehren der Gegenwart das primitivste Jagdzeug der Eingeborenen in Amerika, Asien und Australien, darunter das Sampitan, das gefährliche Blasrohr der Eingeborenen von Borneo, mit dem sie auf dreißig bis vierzig Schritte Entfernung vergiftete Pfeile gegen ihre Feinde abschießen. Ein besonderes Interesse erweckte die Collection der fürstlich Waldeck’schen Hof- und Jagdverwaltung zu Arolsen, in welcher altertümliche Gewehre ausgestellt waren. Da hat wohl mancher mit Staunen zum ersten Mal erfahren, daß der Hinterlader eigentlich keine Erfindung der Neuzeit ist; denn dort sah er mit leiblichen Augen Hinterlader aus dem achtzehnten Jahrhundert und eiserne Patronen dazu (Nr. 8, 10 und 11). Auch Revolver gab es schon, wie das ausgestellte, freilich ein wenig schwerfällige Stück (Nr. 12) beweist, in ferner Zeit. Der Ruhm dieser Erfindungen kommt also unserem Jahrhundert nicht zu; es hat nur den fraglicheren Ruhm zu beanspruchen, diese furchtbaren Waffen vervollkommnet und in der denkbarsten Weise ausgenutzt zu haben.

Neben diesen Feuerschlünden ruhten in reichverzierten Scheiden die blanken Handwaffen, Pulver- und Jagdhörner, von denen unsere Abbildung einige als wirkliche Prachtwerke des Kunstgewerbes dem Leser vorführt (Nr. 14, 15 und 18). Eine wahre Meisterarbeit ist vor allem das große Jagdhorn aus einem einziger großen Elephantenzahn (Nr. 16).

Neben dem breiten Zerwirkmesser aus dem siebenzehnten Jahrhundert hat der Künstler noch kolossale Gewehre (Hauer) eines Wildschweines (Nr. 19) abgebildet und darunter ein vom Gutsbesitzer Schillings in Gürzenich ausgestelltes curioses Stück, ein altes Fangeisen, welches in den Buchensstamm eingewachsen ist, wie man sich gewöhnlich auszudrücken pflegt. Tatsächlich ist jedoch die Buche rund um dasselbe herum gewachsen, indem sie jahraus jahrein einen Holzring an dem Eisen ablagerte.

Einen sehr vortheilhaften Eindruck machten unter allen Jagdgeräthen auf den Beschauer die phantastisch zwischen den Hirschgeweihen ausgespannten Jägernetze, welche den Ausstellungshallen oft zum wirklicher Schmuck gereichten. Da sah man das „dunkle“ und „lichte“ Zeug des Jägers, die Jagdtücher und Netze, untere denen wiederum die gegen hundert Meter langen und ein bis einundeinhalb Meter hoher Prellnetze (Nr. 27 und 28) zum Scheuchen und Einstellen des Wildes hier besonders erwähnt werden mögen.

Unter den ausgestellten Jagd- und Pürschwagen erinnerte uns an die Zeiten sächsischer Verschwendung bei den Hofjagden ein feiner Rococoschlitten (Nr. 22), der auf seinem Vordertheil die Jagdgöttin Diana trägt, wie sie mit gehobenem Pfeile die Pferde anzutreiben scheinst. Das geschmackvolle Fahrzeug wurde um die Mitte des vorigen Jahrhunderts für den Prinzen Moritz gebaut und ist jetzt, nachdem es mehrmals seinen hohen Besitzer gewechselt, Eigenthum des Herrn Edward van Hoboken-Ondelande in Rotterdam.

Die Bastarde von Schnee-, Birk- und Auerhähnen (Nr. 3), deren Schwanz bald leierförmig ausgeschnitten ist, wie beim Birkhahn, bald stumpf abgerundet erscheint und die das Auge durch ihr buntscheckiges Gefieder erfreuen, veranlassen uns noch die norwegische Abtheilung zu erwähnen, die, dank den Bemühungen des Oberjägermeisters Gjerdrum in Christiania, ein recht getreues Bild der nordischen Jagd darbot. Dort war alles Wild vertreten von dem kreideweißen Schneehasen mit schwarzen Löffelspitzen bis zu dem grimmigen Eisbär. Auch die bekannter Skis (Schneeschuhe) waren in reicher Collection von dem norwegischen „Skisclub“ ausgestellt worden.

Belehrende Conferenzen, Probeschießen und Prüfungen der Jagdhunde trugen viel zur Belebung der Ausstellung bei. Am interessantesten war aber ohne Zweifel die gegen den Schluß derselben veranstaltete Jagd mit Falken, in der Jägersprache Falkenbeize genannt. War doch in früheren Jahrhunderten Cleve durch seine Falkenjagden weit und breit berühmt; im nahe gelegenen Herzogenbusch und dem holländischen Valkenswaard gab es die vortrefflichsten Falknerschulen, und noch heute befindet sich in der Nähe von Cleve eine bedeutende Reihercolonie. Schon zur Ehre des Ortes wollte man daher eine Falkenbeize in Scene setzen.

Die Ausstellung wurde aber leider nur mit ausgestopften Edelfalken und den bei der Falkenjagd gebräuchlichen Geräthschaften, wie Hauben, Schellen, Langfesseln, Zügeln etc. beschickt. Erst nach langen Bemühungen gelang es dem Ausstellungscomité, da der letzte Falkner in Holland vor Kurzem gestorben war, einen Falkonier aus Irland zu engagiren, der auch mit drei abgerichteten Vögeln (Nr. 4) in Cleve erschienen war. Leider waren diese Falken zu jung, um es mit den Reihern aufnehmen zu können, und man mußte sich damit begnügen, ihre Fangkünste an Tauben zu erproben.

Man hat indessen ernstlich den Plan gefaßt, die in unserer Zeit vergessene Falkenbeize wieder zu beleben. Natürlich werden die modernen Falkenjagden ein nüchternes Gepräge tragen; denn der romantische Reiz der mittelalterlichen Umgebung wird ihnen fehlen; es müßten denn die alten Ritter, die Edeldamen und Knappen vom Tode auferstehen.

Der Eindruck, welchen man im Großen und Ganzen auf der internationalen Jagd-Ausstellung zu Cleve erhielt, bewies wiederum, daß das heutige Jagdwesen, im Gegensatz zu dem früherer Jahrhunderte, auf einer hohen, unserer Cultur durchaus entsprechenden Stufe steht, und man darf mit Recht erwarten, daß die Thätigkeit der heute bereits bedeutenden Jagdschutzvereine für die Hebung unseres Wildbestandes von den ersprießlichen Folgen begleitet sein wird. So können wir unsere Jägerfreunde zu der Clever Ausstellung nur auf das Wärmste beglückwünschen und trennen uns für heute von ihnen mit einem herzlich gemeinten „Waidmannnsheil!“.






Mutter und Sohn.

Von A. Godin.
(Fortsetzung.)


Als Fügen sein Geschäft beendet hatte und in das Eßzimmer zurückkehrte, fand er Siegmund, den Kopf in beide Hände vergraben, über den Tisch gebeugt, vor dem er saß. Bei dem Geräusch der zugehenden Thür richtete er sich jählings auf. Sein Gesicht war von Thränen überströmt, den ersten, welche ihm seit all diesen Tagen und Nächten vergönnt worden.

„Meister,“ sagte er mit halb gebrochener Stimme, „Sie, fragten mich vorhin etwas, und ich glaube, auch Sie machten mir Vorwürfe. Ich habe Niemand getäuscht – ich war in Paris, und dort fand ich meine Mutter als Theilhaberin einer Spielhölle, von jungen Leuten, meinen Cameraden, als solche gekannt. Ich sah sie dort; sie war keines einzigen armen Wortes mächtig, und ich sagte mich von jeder Gemeinschaft mit ihr los.“

Fügen stand wie erstarrt, und ehe er noch eine Silbe hervorgebracht, fuhr Siegmund fort:

„Sie hat Andere geplündert oder doch plündern helfen, um mich auszustatten, und ich – ich habe von diesem Raube gelebt.“

„Das glaub’ ich Dir nicht,“ brach Fügen los.

Siegmund schob ihm das Briefblatt hin.

„Lesen Sie! sie versucht nicht einmal sich zu rechtfertigen –“

Fügen riß das Blatt an sich; ihm wurde kalt, als er las, was sie von ihrer und des Sohnes Ehre geschrieben.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1881). Leipzig: Ernst Keil, 1881, Seite 746. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1881)_746.jpg&oldid=- (Version vom 14.2.2021)