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Verschiedene: Die Gartenlaube (1881)


Ueber die Resultate desselben sprach sich der Kaiser mit höchster Anerkennung aus, ernannte noch an Bord der „Hohenzollern“ den Chef des Geschwaders, Capitain zur See von Wickede, zum Admiral und verlieh dem Marineminister von Stosch den schwarzen Adlerorden. Die Panzerschiffe dampften hinter einander in Kiellinie majestätisch an der „Hohenzollern“ vorüber und machten sich an den Bojen fest. Dann fuhr die „Hohenzollern“ die Linie der armirten Schiffe, unter den Hecks der Panzerschiffe, an den Schiffsjungenbriggs „Rover“ und „Undine“, an dem Cadettenschulschiffe „Niobe“, an der „Nymphe“ und dem „Nautilus“ vorbei in den Kieler Hafen zurück, wo sie wieder am Bollwerke des Schuhmacherthores festgelegt wurde. Der Kaiser begab sich mit seinem Gefolge zum Diner auf dem Schlosse, und im Momente, als er das Schiff verließ, wurde die Kaiserstandarte auf dem Maste gestrichen, um im nächsten Momente auf dem Schlosse aufgezogen zu werden.

Das Kieler Flottenmanöver hat dem deutschen Volke gezeigt, daß seine junge Flotte, die ihm jährlich so viele Millionen kostet, ihre kriegerische Aufgabe nachdrücklich zu erfüllen im Stande ist; dem Auslande hat es warnend bewiesen, daß die deutschen Waffen auch zur See wohl erprobt sind.

Es hat ferner das diesjährige Flottenmanöver speciell noch dargethan, welche furchtbare Vertheidigungs- und Angriffswaffen wir in den Seeminen und Torpedos besitzen. Das Material zu denselben ist deutschen Ursprungs, wie auch die Schiffe selbst immer mehr und mehr auf deutschen Werften entstehen. Die Torpedos liefert eine Berliner Maschinenfabrik, die in Kiel ein eigenes Torpedo-Etablissement hat, und die Schießwolle wird in der „Schießwollfabrik für die kaiserliche Marine“ zu Kruppa-Mühle in Oberschlesien gefertigt. Früher waren alle Seemächte für ihren Bedarf in dieser Richtung fast ausschließlich auf England angewiesen; jetzt produciren beide genannte Fabriken über den eigenen Bedarf hinaus und liefern ihre Fabrikate auch auswärtigen Regierungen.

Das alte Lied von Deutschlands Zerrissenheit und Ohnmacht ist ausgesungen. Als unter der Regierung Friedrich’s des Großen Seeleute aus der auch damals preußischen Stadt Emden in Ostfriesland in die Hände tunesischer Piraten geriethen und in Tunis als Sclaven verkauft werden sollten, schenkte ihnen der Bey die Freiheit, um dem großen Preußenkönige, als dessen Unterthanen die Gefangenen sich bezeichneten, seine Achtung auszudrücken. Friedrich ließ die betreffenden Seeleute nach Berlin kommen, befragte sie über das Vorkommniß und drückte seine Befriedigung über dasselbe aus, aber dem großen Hohenzoller kam keinen Augenblick der Gedanke, daß es für einen mächtigen König angemessener sei, seine Unterthanen selbst zu schützen, als sie von der gnädigen Laune eines halbwilden Raubfürsten abhängen zu lassen.

Jetzt ist das anders geworden. Zahlreiche Beispiele aus unseren Tagen sind Belege dafür, daß der Deutsche im Auslande des kräftigen Schutzes seitens seines Mutterlandes sicher ist, und im Hinblick auf unsere Marine können wir bei etwaigen neuen Kriegsgefahren, die übrigens der Himmel von uns abwenden möge, ebenso getrost wie im Hinblick auf die „Wacht am Rhein“ den Vers des Liedes citiren.

Lieb’ Vaterland, magst ruhig sein!
Harbert Harberts.     




Chester A. Arthur, Präsident der Vereinigten Staaten.


Der durch ruchlose Mörderhand veranlaßte Tod des Präsidenten James A. Garfield hat den bisherigen Vicepräsidenten Chester A. Arthur, den Bestimmungen der Verfassung der Vereinigten Staaten gemäß, zum Oberhaupt der nordamerikanischen Union berufen. Das große Vertrauen und die innige Liebe, welche Garfield verdientermaßen bei der übergroßen Mehrzahl seines Volkes genoß, erschweren es seinem Amtsnachfolger doppelt, das Steuerruder der großen transatlantischen Republik zu führen.

Wenige Stunden nach dem Hinscheiden Garfield’s erhielt Arthur eine von den Ministern William Windom, W. H. Hunt, Thomas L. James, Wayne Mac Veagh und S. J. Kirkwood unterzeichnete Depesche aus Long Branch, welche ihn aufforderte, möglichst bald den Amtseid als Präsident zu leisten und nach Long Branch zu kommen, wo sich die Leiche Garfield’s befand. Arthur erfüllte dieses Verlangen, indem er am Morgen des 20. September dieses Jahres den von der Constitution vorgeschriebenen Eid in die Hände des Oberrichters Brady leistete und unmittelbar darauf in Begleitung der beiden anderen Minister Blaine und Lincoln von New-York nach Long Branch eilte, wo er der tiefgebeugten Wittwe Garfield’s sofort einen Beileidsbesuch abstattete und dann eine kurze Cabitnetssitzung abhielt, deren Gegenstand vornehmlich die in der Nähe von Cleveland in würdigster Weise stattgehabte Beerdigungsfeier des todten Präsidenten bildete.

Der Eindruck, den die Antrittsrede des Präsidenten Arthur, in welcher er sich in so vertrauenerweckender Weise einführte, in den Vereinigten Staaten hervorrief, scheint kein ungünstiger gewesen zu sein; alle Parteien, sowie die Presse der Union kommen ihm freundlich entgegen, und es wird wesentlich von Herrn Arthur selbst abhängen, ob er seine Regierung im Einklang mit der Volksvertretung und dem besseren Theile seiner Nation in segensreicher Weise zu Ende führen wird. Ein bestimmtes und sicheres Urtheil in dieser Beziehung jetzt schon abzugeben, ist kaum möglich, doch dürfte ein kurzer Rückblick auf den bisherigen Lebenslauf des Präsidenten Arthur einen gewissen Anhalt zu seiner Charakteristik bieten.

Nach den uns vorliegenden Quellen wurde Chester A. Arthur am 5. October 1830 in Franklin County im Staate Vermont geboren; er war der älteste von seinen Geschwistern, einem Bruder und fünf Schwestern. Sein Vater, Dr. William Arthur, Prediger einer Baptistensecte, kam in seinem achtzehnten Lebensjahre aus Irland nach den Vereinigten Staaten und starb in hohem Alter im Jahre 1875 zu Newtonville in der Nähe von Albany, der Hauptstadt des Staates New-York. Der junge Arthur besuchte das Union-College in Schenectady und bekleidete, nachdem er sein Examen bestanden hatte, die Stelle eines Lehrers an einer Landschule in Vermont. Nach Verlauf von zwei Jahren gab er diese Stellung auf und ging mit einem Vermögen von 500 Dollars nach der Stadt New-York, wo er sich unter der Leitung des früheren Richters E. D. Culver der Rechtswissenschaft widmete. Durch emsigen Fleiß und nicht gewöhnliche Naturanlagen war er im Stande, in nicht zu langer Zeit sein Advocatenexamen zu machen, worauf er mit seinem Freunde und Studiengenossen Henry D. Gardiner eine Reise nach den westlichen Staaten der Union antrat, um sich dort einen dauernden Wohnsitz zu suchen. Da dies aber den beiden Freunden nicht gelang, so kehrten sie nach einigen Monaten nach New-York zurück und ließen sich daselbst als Rechtsanwälte nieder. Das Glück wollte ihnen wohl; sie bekamen bald eine lohnende Praxis, sodaß Arthur die Tochter des verdienstvollen Marine-Officiers Herndon als Gattin heimführen konnte. Die Ehe war eine glückliche, doch verlor Arthur kurz vor der letzten Präsidentenwahl seine Frau durch den Tod, nachdem sie ihm zwei Kinder geboren hatte.

Ein glücklicher Rechtsfall, der auch in weiteren Kreisen Aufsehen erregte, verschaffte Arthur schon früh den Ruf eines geschickten und talentvollen Vertheidigers. Es handelte sich dabei um einen Sclavenhändler aus Virginien, einen gewissen Jonathan Lemmon, welcher im Jahre 1852, wo noch die Sclaverei in den Vereinigten Staaten zu Recht bestand, acht Negersclaven nach New-York gebracht hatte, um sie als Handelswaare nach Texas zu verschiffen. Wenn nun auch die Verfassung der Nordamerikanischen Union damals das Institut der Negersclaverei in den Südstaaten der Union als gesetzlich anerkannte und selbst die Auslieferung flüchtiger Sclaven auf Grund des schmachvollen „Sclavenjagdgesetzes“ forderte, so war doch in den Nordstaaten jenes fluchwürdige Institut längst abgeschafft. Als man daher in dem freien New-York die Absicht des genannten Sclavenhändlers entdeckte, wurden die acht Neger desselben auf Veranlassung von Freiheitsfreunden vor Gericht geführt und daselbst freigesprochen. Jonathan Lemmon klagte nun auf Grund des Sclavenjagdgesetzes und verlangte die Herausgabe seiner früheren Sclaven.

Als Vertheidiger der acht Schwarzen traten William M. Evarts und Chester A. Arthur auf, und da von „flüchtigen Sclaven“ in dem vorliegenden Fall nicht die Rede sein konnte, so verlor Lemmon vor dem höchsten Gerichtshofe der Vereinigten Staaten seinen Proceß. Vier Jahre später zeichnete sich Arthur in einem ähnlichen Proceß aus, wo er als Anwalt einer achtbaren Negerfrau, der Lizzie Jennings, sich als gewandter Redner, tüchtiger Jurist und freiheitsliebender Mann bewährte. Als die republikanische Partei, welche bekanntlich den Kampf gegen das Institut der Sclaverei auf ihre Fahne schrieb, in’s Leben trat, war Arthur einer der ersten, die sich dieser Partei anschlossen; ebenso zögerte er beim Ausbruche des Bürgerkrieges 1861 nicht, in die Unionsarmee einzutreten und die Aufhebung der Negersclaverei auf dem Schlachtfelde erkämpfen zu helfen.

Nach Beendigung des Krieges erhielt Arthur durch die Vermittelung des vielgenannten Bundessenators Roscoe Conkling von dem Präsidenten U. S. Grant die einträgliche Stelle eines Hafencollectors von New-York. Von dieser Zeit an zählte er zu den entschiedensten Anhängern Conkling’s und Grant’s, weshalb er auch in der Nationalconvention zu Chicago, wo im Jahre 1880 James A. Garfield als Präsidentschaftscandidat der republikanischen Partei auf den Schild gehoben wurde, die Ernennung für das Amt des Vicepräsidenten erhielt. Als nun im März dieses Jahres der unseren Lesern bekannte, verhängnißvolle Streit wegen der Besetzung des Hafencollectorpostens von New-York zwischen dem Senator Roscoe Conkling und dem Präsidenten Garfield ausbrach, jener Streit, der Guiteau’s Mörderhand gegen Garfield bewaffnete, da mochte es wohl Dankbarkeit und persönliche Freundschaft sein, die Arthur bewogen, für Conkling Partei zu ergreifen.

Daß der besagte Streit so erschütternde Folgen nach sich ziehen sollte, daran dachte weder Arthur, noch ein anderer vernünftiger Mensch in den Vereinigten Staaten. Von dem Momente an, wo Guiteau die tödtliche Kugel auf Garfield abfeuerte, hat Arthur, so viel bekannt geworden, keinerlei politische Verbindung mit Conkling oder Grant angeknüpft oder aufrecht erhalten. Sein Benehmen war während der langen Krankheitszeit Garfield’s

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1881). Leipzig: Ernst Keil, 1881, Seite 755. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1881)_755.jpg&oldid=- (Version vom 12.11.2022)