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Verschiedene: Die Gartenlaube (1881)

„Ja, wenn ich Dir denn das offen sagen soll: ich will und will das nicht überleben. Ich bin ein alter Kerl –“

„Aber, alter Freund, damit thust Du ja den Teterowern den größten Gefallen! Nachher sitzen sie in Pelchow als Herren.“

„Das ist wahr – da hast Du Recht,“ knurrte der Baron, aber dann fiel er wieder in seine elegische Stimmung zurück. „Ja das hilft doch nichts, Franz; wenn der Kerl sich nicht mit mir duelliren will, ist meine Ehre abgeschnitten, und das darf ich als rechtschaffener Edelmann nicht überleben.“

„Dann ist Anne-Marie zeitlebens unglücklich. Das arme Ding hat Dich so lieb –“

„Aber die verfluchte Pogge ist dann auch unglücklich!“

„Ja, das ist bei jungen Leuten nicht anders. So ’n alter Junggeselle, wie Du versteht das nicht –“

„Das sage nicht, Fritz!“ fiel der alte Heer eifrig ein; „als ich noch jung war, da war ich ein Schwernothskerl mit den Mädchen, und da bin ich auch verliebt gewesen, zum Beispiel in die jüngste Maltzan, von den Prebitzer Maltzan’s, die nachher fortgezogen sind in’s Mecklenburgische: das war ’n lütter Teufel, und ich hätt’ sie auf ein Haar zu meiner Braut gemacht; ich glaube aber, sie hat mich nur zum Besten gehabt; denn nachher hat sie sich mit ’nen Lieutenant verlobt.“

„Nu, wenn nun aber Dein Vater nicht gewollt hätte, daß Du sie heiratetest?“

„Nein, Fritz, so was hätte bei mir gar nicht aufkommen können; ich hatte ’nen harten Kopf schon dazumal und war höllisch scharf auf das Mädchen.“

„Das sind eben Anne-Marie und Deine Pogge auch auf einander.“

Der Baron starrte vor sich hin.

„Er langt aber nichts, und er hat mir meine Ehre abgeschnitten und ist ’n Duellflüchter.“

„Geh’ mal hinein, Franz,“ sagte Herr von Pannewitz kurz entschlossen, „und halt Dich mal ’ne Weile drinnen! Ich komme gleich wieder.“

Er nickte dem Baron zu und stieg in den Garten hinab, wo er Curt auf einer Bank zwischen Tarushecken fand, wie er eben mit besserem Verbinden der zerschrammten Rechten fertig geworden. Sein Auge hob sich gespannt und fragend; er sagte aber nur:

„Ich möchte Sie nachher um Leinzeug und Schwamm bitten; ich kann mich so vor Ihren Damen nicht sehen lassen.“

„Alles sollen Sie haben, aber zuerst hören Sie etwas Anderes! Der Alte ist also von der Verlobung unterrichtet, gerieth erst völlig aus dem Häuschen, wurde dann gänzlich lebensüberdrüssig, bis ich ihn besänftigt habe, und nun steht die Sache so: wenn Sie sich entschließen können, sich mit ihm zu duelliren, haben wir meiner Ansicht nach gewonnenes Spiel.“

„Aber wie kann ich das, Herr von Pannewitz!“

„Thun Sie’s, auf meine Verantwortung! Es hilft, und daß er es ernstlich auf Sie absehen wird, glaube ich nicht. Er meint es seiner Ehre schuldig zu sein, ein paar Kugeln mit Ihnen zu wechseln, und ist augenblicklich nur darüber wüthend, daß Sie ihm Satisfaction verweigern.“

„Nun meinethalben!“ lachte Curt. „Ich habe mich nie vor einem Duell gefürchtet. – Aber,“ setzte er ernster hinzu, „bedenken Sie, daß ich Bräutigam bin!“

„Schon gut!“ rief Herr von Pannewitz im Abgehen. „Das ist Ihr sicherster Schutz.“

Oben berichtete er sehr ernsthaft dem Baron, Curt bedauere die Duellverweigerung und wolle Genugtuung geben. Der alte Herr, welcher die ganze Zeit über in schwerer Herzensnoth vor sich hingebrütet hatte, athmete auf.

„Nun, siehst Du, Fritz, das freut mich von dem Menschen; er ist denn doch nicht so schlecht, wie ich gedacht habe. Nun wollen wir das aber bald anstellen – morgen früh, damit daß die Frauensleute nichts gewahr werden; denn die Art ist mit ihren Nerven auf so was nicht eingerichtet. Wenn unser Herrgott will, daß einer von uns Beiden todt bleibt, dann werden sie ja das auch noch immer zeitig genug merken. Mein Testament hab’ ich gemacht. Nun wollte ich blos noch eins sagen, Fritz. Bleibe ich todt, dann will ich nicht ausgezogen werden; das habe ich mir nie von ’nem anderen Menschen thun lassen, ausgenommen, als ich noch in den unvernünftigen Jahren war. Die Blumen und das grüne Zeug will ich auch nicht haben; ich mag nicht als ’n ausgeputzter Schweinskopf auf der Schüssel liegen; das ist mir zuwider. Jochen soll mich bei Nacht nach Langsdorf zum Herrn Pastor fahren und da können mich drei oder vier Menschen einpuddeln, daß nicht so ’ne Affaire mit Weinen und Geschrei gemacht wird, indem daß mir das schon bei Lebzeiten ein Gräuel gewesen ist. Und was aus meiner Verlassenschaft übrig bleibst das kriegt das Anne-Marieken.“

„Na, nun laß nur gut sein, Franz! Es wird schon so abgehen. Wenn Einer den Anderen todt schösse, dann wäre der einzige Mensch, der unglücklich würde, das Anne-Mariechen; das wißt Ihr ja wohl alle Beide. Willst Du Deinen Neffen heute sehen? Er ist unten im Gärten und getraut sich nicht herauf.“

„Sieh, er hat doch ’n bischen Respect vor mir,“ meine der Baron geschmeichelt, und in seine Leichenbitter-Miene stahl sich ein Schmunzeln. „Ein verfluchter Kerl ist er doch, Fritz; er hat den Boddin’schen Kopf, und das Gut hat er höllisch im Zuge. Aber ich mag noch nichts von ihm wissen, indem daß er mir die Ehre abgeschnitten hat, was noch nicht reparirt ist.“

„Vielleicht geht er selber lieber erst noch mal nach Pelchow und sieht zu, wie’s da mit dem Winde abgegangen ist.“

„Das wär’ wohl das Beste; Du kannst ihn ja auf den Gedanken bringen.“

Als Herr von Pannewitz das Zimmer verlassen hatte, schritt der Baron auf seinen kurzen Beinchen sporenklirrend auf und nieder. Die Aussicht, daß er sich am nächsten Morgen duelliren solle, gab ihm eine höchst gewichtige Haltung; er runzelte die Stirn, war aber offenbar in zufriedener Stimmung. Einmal blieb er stehen, bohrte die Blicke in den Teppich und sagte plötzlich:

„Nein, mein liebes Anne-Marieken, ich will da nicht schuld d’ran sein, daß Du unglücklich wirst. Ich für mein Theil nicht.“ Und nach langer Pause setzte er hinzu: „Und er ist ja wohl auch ’n ganz guter Kerl sonst. – Aber daß er mich hat aus meinem Hause mit zwei solchen – das werde ich Pannewitzen sagen, das muß er mir erst abbitten.“

Alsdann bückte er sich energisch, hob den Teppich auf und drückte ihn unter den Tisch, worauf er über die blanke Diele hin seinen Marsch fortsetzte. – –

Am nächsten Morgen stunden sich die beiden Gegner in der That ganz früh gegenüber. Niemand außer Herrn von Pannewitz war noch zugegen. Der Ort war einer der Windbrüche von gestern.

Bevor Herr von Pannewitz das Zeichen gab, senkte der Baron plötzlich die Pistole und rief hinüber:

„Sag mal erst, mein Sohn: willst Du mir auch das abbitten, daß Du Deinen leiblichen Onkel mit zwei Kerlen vom Gericht aus seiner Wohnung gesperrt hast?“

In Curt’s Gesicht zuckte es, aber der Ernst behielt den Sieg, und das war gut; denn der Alte beobachtete ihn scharf.

„Das will ich, Onkel, aber erst nach dem Schießen vorausgesetzt, daß ich am Leben bleibe.“

„Das ist Dein Glück. Nun los, Fritz!“ Die Schüsse knallten. Sie waren beide in die Luft gezielt worden. Mit gravitätischem Gesicht lud Herr von Pannewitz noch einmal; endlich zum dritten Male. Die vier Schüsse hatten dieselbe Richtung, wie die ersten.

„Bist Du zufrieden Franz?“ fragte Herr von Pannewitz.

„Jawohl, Nun komm mal her, mein Sohn, und gieb Deinem alten Onkel die Hand. So! Du bittest mir also ab?“

„Seien Sie vernünftig, Herr von Boddin!“ mahnte der Zeuge drüben zu Curt hin.

„Ich will meinetwegen abbitten, aber nur unter der Bedingung, daß Sie ruhig bei uns in Pelchow bleiben und mich wirthschaften lassen, wie ich muß, damit Sie die Demminer Juden vom Halse bekommen.“

„Will ich, mein Sohn – will ich,“ nickte der alte Baron. „Aber das sage ich Dir: bei meinem Anne-Marieken bedankst Du Dich; denn wenn das Kind nicht wäre, dann wäre das ganz anders gekommen. Daß Du nicht besonders schießen kannst, habe ich nun gemerkt, und es ist ja gut wegen des Kindes, daß Du mich nicht getroffen hast. Ich aber, ich habe ’n Bischen daneben gezielt, indem daß ich Dich schonen wollte. Und nun reden wir nicht mehr davon.“

Sie gingen durch die Gräuel der Verwüstung zurück; der alte Herr wurde ganz vergnügt unterwegs und begann Schnurren zu erzählen. Heer von Pannewitz hatte Pistolenkästchen und Munition in seine Jagdtasche geborgen und schlenkerte diese nicht minder vergnügt

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1881). Leipzig: Ernst Keil, 1881, Seite 870. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1881)_870.jpg&oldid=- (Version vom 14.2.2021)