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Verschiedene: Die Gartenlaube (1881)

hin und her, zuweilen einen lustigen Blick mit Curt austauschend. Es war ein höchst gemächlicher Duellausgang.

Endlich fiel es dem Baron ein, zu fragen, wie es denn eigentlich in Pelchow stehe.

„Erträglich, Onkel. Auf der Windseite sind freilich die Strohdächer meist zerstört, und die Störche werden viel Arbeit dieses Jahr haben. Hinter der Koppel sind die letzten Pappeln gestürzt. Auch im Dorfe ist einiges beschädigt, aber im Ganzen können wir zufrieden sein.“

Das „wir“ schmeichelte dem Alten, und er nickte beifällig.

In Branitz mußten sie noch eine Weile warten, bevor die Damen sichtbar wurden. Der Baron benutzte die Zeit, um die Angelegenheit seiner „Compagnie“ zu ordnen. Von Amerika war nun keine Rede mehr; er wollte den Leuten noch eine Rede halten und sie feierlich an Curt verweisen, der ohne sonderliches Zuthun von seiner Seite von Minute zu Minute in der Gunst des alten Herrn stieg. Den Höhepunkt erreichte dessen gute Laune, als Herr von Pannewitz die Geschichte vom Eistanz auf’s Tapet brachte und weidlich belachte.

Später wurde förmlich Verlobung gehalten. Weder Curt noch Anne-Marie gab sich besonders zärtlich; nur ihre Augen hielten Zwiesprache, und zuweilen die Hände. Die heimlichen Fragen seiner Familie: wie die Versöhnung zu Stande gekommen, konnte Herr von Pannewitz endlich nicht umhin mit ein paar ebenso heimlich hingeworfenen Bemerkungen über das Duell zu beantworten; indeß führte das Munkeln schließlich doch zu einem offenen Bekenntniß gegen die Damen, welche nicht wenig erschraken. Anne-Marie blickte entsetzt vom Onkel auf ihren Verlobten, bis letzterer sie umschlang und ihr in’s Ohr flüsterte:

„Es war eine Komödie, liebes Herz!“

Der Baron indessen sagte überlegen:

„Mit seinem Schießen macht er keinen Staat, liebes Anne-Marieken, wohl weil er so kurzsichtig ist. Was mich anbetrifft, so habe ich denn auch ein paar Fuß höher gezielt, indem daß ich doch meinem Anne-Marieken ihren Schatz nicht wegputzen wollte. Na, es ist ja gut so, und es hat Jeder sein Recht, und ich will nun auch mit Euch zusammen auf Pelchow leben. Aber das sage ich Dir, mein Sohn: wenn ich zu Hause bin, dann spielst Du nicht auf Deinem Pianoforte; denn das ist ’ne höllisch dünne Musik, und ich habe was auf meinen Ohren, daß ich das nicht gut ausstehen kann. Und nun wären wir da durch, sagt Hewelmann, wie der Küster durch den Sonntag, Kinnings!“


Blätter und Blüthen.

Eine Fälschung vorhistorischer Steingeräthe. Die Geschichte der Naturwissenschaften weiß von einem deutschen Professor zu berichten, welcher sich eingehend mit Studien über Petrefacten (Versteinerungen) beschäftigte und dessen gutgemeinter Eifer von seiner lustigen studentischen Zuhörerschaft in witziger Weise zum Schaden seiner Katheder-Autorität ausgenutzt wurde. Die akademischen Bürger hatten Abdrücke verschiedenartiger ungeheuerlicher Thiere in Thon u. dergl. einbrennen lassen, gruben dieselben in die Erde ein und führten alsdann ihren Professor zu diesen „Fundstätten“. Nachdem sie ihn einmal in die Falle gelockt, trieben sie ihr tolles Spiel auf die Spitze und ließen nun Thonstücke mit hebräischen Buchstaben in die Erde eingraben. Nach der damals landesüblichen Anschauung hielt der biedere Herr alle diese Abdrücke thierischer Formen und auch die Buchstaben der Sprache, in welcher das Buch der Bücher ursprünglich geschrieben war, für Ueberreste mißlungener Versuche, welche der Weltschöpfer bei der Erschaffnug der Thierarten angestellt, also für stümperhafte Werke aus „Gottes Lehrjahren“.

Heute verzeichnet wiederum die Geschichte der Wissenschaft, in der, wie in allen irdischen Geschichten, der Ernst des Lebens mit dem Humor abwechselt, eine ähnliche Fälschung in ihren Annalen, aber der Schauplatz derselben ist nicht mehr Deutschland, sondern Frankreich; ihr Gegenstand sind nicht versteinerte Thiere und semitische Buchstaben, sondern vorhistorische Geräthe aus der Steinzeit, und ihr Zweck ist kein schlechter Witz, sondern, dem Geist der Zeit entsprechend, der materielle Nutzen.

Im vorigen Jahre fand man in der Umgegend von Beauvais beim Ausbeuten eines Steinbruchs eine große Anzahl anscheinend vorhistorischer Gräber mit verschiedenartigsten steinernen Waffen und Geräthen. Eine aus Alterthumsforschern des Landes zusammengesetzte Commission wurde sofort beauftragt, diese Grabstätten zu untersuchen, wie auch die in denselben gefundenen Gegenstände zu prüfen und zu bergen. Die Commission erfüllte sorgsamst ihre Aufgabe und legte das Resultat ihrer langwierigen Arbeit der französischen anthropologischen Gesellschaft vor.

Die Zahl der Fundstücke betrug mehr als tausend; ihre Anordnung in den Gräbern war wunderbar symmetrisch, und die Bearbeitung der steinernen Beile, Messer und Pfeilspitzen überstieg alles, was bis jetzt dagewesen. Sorgfältige Zeichnungen, welche die Commission angefertigt hatte, erklärten genau die Lage und Beschaffenheit der seltenen Grabstätte. Die anthropologische Gesellschaft theilte indessen keineswegs den Enthusiasmus der Herren aus der Provinz. Fachleute wendeten diese Prachtstücke aus der Vorzeit in ihren Händen nach allen Seiten um; der Eine behauptete, hier fehle etwas, der Andere dagegen meinte, dort sei es des Guten zu viel, bis schließlich die Erklärung abgegeben wurde, die prähistorischen Funde von Beauvais wären – gefälscht.

Aber die Archäologen von Beauvais dachten nicht im Geringsten daran, so leichten Kaufes den soeben erworbenen Ruhm fahren zu lassen. Sie forderten die Einsetzung einer neuen Sachverständigen-Commission, an welcher jetzt auch die Weisen von Paris theilnehmen sollten, und diese Commission brachte auch bald unter dem Vorsitze des Herrn de Mortillet die Wahrheit zu Tage: sie fand in der Umgebung von Beauvais nicht nur noch andere sehr antik angelegte Gräber mit den oben beschriebenen angeblich vorhistorischen Geräthen, sondern auch, was das Wichtigste war, den Menschen, welcher dieselben fabricirt hatte. Es war nunmehr kein Wunder, daß die Fundstücke im Vergleich mit anderen Geräthen aus der Steinzeit so auffallend künstlerisch gearbeitet waren; denn ihr Erzeuger war kein vorhistorischer Vorfahr der Einwohner von Beauvais, sondern ein Kind des neunzehnten Jahrhunderts, ein gewisser Polydore, ein Zuckerraffineur, welcher seine Muße zur Herstellung der oben erwähnten Steinwaffen benutzte. Den einen Theil seiner Fabrikate vergrub er in künstlich angelegten „alterthümlichen Gräbern“, um ihn dort durch die Gelehrten von Beauvais auffinden zu lassen, den andern und zwar weit größeren behielt er aber bei sich auf Lager in der Hoffnung, mit den berühmten „Beauvaiser Funden“ einst einen ergiebigen Handel betreiben zu können. Doch die Pariser Gelehrten haben sich findiger erwiesen als er und ihm das Handwerk gelegt.


Fürst Bismarck. Von Wilhelm Müller (Krabbe, Stuttgart). Das anerkennenswerthe Werk des bekannten Tübinger Geschichtsschreibers enthält eine eingehende Betrachtung der staatsmännischen Wirksamkeit des Reichskanzlers und stützt sich auf parlamentarische und diplomatische Actenstücke, die zum Theil bisher noch der größeren Publicität entbehrten. Das Bild Bismarck’s als Abgeordneter, als Botschafter in Frankfurt, Petersburg und Paris, als Ministerpräsident, Bundeskanzler und Reichskanzler – kurz ein Gesammtbild der Wirksamkeit des großen Staatsmannes wird dem Leser hier in lichtvoller Darstellung vorgeführt, und wenn dabei die persönlichen Verhältnisse des seltenen Mannes hinter der Würdigung seiner politischen Thätigkeit zurücktreten, so lag dies von vornherein in dem Plane des Buches, welches eben, gegenüber den bisher erschienenen Biographieen des Fürsten, mehr den Staatsmann als den Menschen zu seinem Gegenstand macht. Dieses Lebensbild Bismarck’s stellt sich würdig neben die vor einigen Jahren erschienenen und mit so großem Beifall aufgenommenen Biographieen des Kaisers Wilhelm und des Grafen Moltke aus der Feder desselben Verfassers, ein Lob, das wir ihm freudig ertheilen, wenn wir auch nicht in allen Punkten den Standpunkt des Werkes theilen können, namentlich nicht in Bezug auf die Würdigung der letzten und allerletzten Maßnahmen Bismarck’s in inneren Fragen der Reichsregierung. Am Schlusse des Buches hat der Verfasser einen „Historischen Rückblick“ gegeben, in dem die Zustände des „heiligen römischen Reiches deutscher Nation“ und diejenigen des neuen deutschen Reiches in Parallele gestellt werden, womit dem Gegenstande des Werkes ein passender Hintergrund geschaffen wird.


Aufruf für den „Deutschen Schulverein“. Ueber den Ursprung des „Deutschen Schulvereins“ in Oesterreich haben wir Seite 742 des vorigen Jahrganges der „Gartenlaube“ unseren Lesern alles Wesentliche mitgetheilt und sie schon damals zu werkthätiger Theilnahme an demselben aufgefordert. Um den patriotischen Beistand, den wir unseren von allen nichtdeutschen Nationen des Kaiserstaats an der Donau bedrohten Stammesgenossen schuldig sind, in feste Bahnen zu leiten, gründeten deutsche Männer am 15. August dieses Jahres zu Berlin den „Allgemeinen deutschen Schulverein“. Wenn nun auch die Bemühungen desselben nicht ohne Erfolg blieben, so entsprechen sie doch in keiner Weise Dem, was die deutsche Nation in der Gegenwart bedeutet und was man von den Bürgern des „deutschen Reichs“ verlangen kann. Eben deshalb erläßt der Vorstand des bezeichneten Vereins in Berlin abermals einen Aufruf zur praktischeren Organisation dieser keiner politischen Partei, sondern nur der Vaterlandsliebe dienenden Bestrebungen. Die sieben Berliner Herren, bei welchen der Beitritt angemeldet und durch die das Statutenheft bezogen werden kann, sind: Dr. Falkenstein, Vorsitzender (NW, Louisenstraße 45), Dr. Richard Böckh (Charlottenburg, Hardenbergstraße 11b), Dr. Vormeng (W, Köthenerstraße 31), G. Kolb (W, Mauerstraße 65), Dr. Bernard (C, Kurstraße 34 und 35); Professor Dr. Wattenbach (W, Königin-Augustenstraße 51) und Professor Dr. Zupitza (SW, Kleinbeerenstraße 7).

Es ist ein wahrhaft empörender Vernichtungskrieg, der namentlich in Ungarn und Siebenbürgen gegen das Deutschthum geführt wird. Es ist, als ob einzig von der Entnationalisirung der etwa zwei Millionen Deutscher der Fortbestand des Magyarenthums abhinge, ein Rassenkampf, dessen Ende noch Niemand absehen kann.

Um so mehr aber sollten wir Alle, die wir uns des Segens deutscher Bildung erfreuen und sie mit Stolz unseren Kindern bewahren, auch Alles aufbieten, nur den deutschen Geistesschatz unseren Stammesgenossen außerhalb des Reichs nicht rauben zu lassen. Wir sind leider noch immer nicht gewohnt, unsere nationale Größe zu fühlen und darnach unsere Opferpflicht zu bemessen. Erheben wir uns für den vorliegenden Fall auf den uns gebührenden Standpunkt! Die Statuten werden Jedermann belehren, daß das verlangte Opfer wirklich nicht so groß ist und daß leicht an jedem Ort im Reich ein Zweig des großen allgemeinen Vereins zu pflanzen und zu gedeihlicher Blüthe zu bringen wäre.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1881). Leipzig: Ernst Keil, 1881, Seite 871. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1881)_871.jpg&oldid=- (Version vom 30.7.2023)