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Verschiedene: Die Gartenlaube (1881)

No. 53.   1881.
Die Gartenlaube.

Illustrirtes Familienblatt. – Begründet von Ernst Keil 1853.


Wöchentlich  bis 2 Bogen. Vierteljährlich 1 Mark 60 Pfennig. – In Heften à 50 Pfennig.



An unsere Leser.

Wie wir schon an der Spitze unserer vorigen Nummer mittheilten, lassen wir, um die Nummern-Bezeichnung unserer Zeitschrift in genauen Einklang mit der Wochenzahl des Jahres zu bringen, statt der üblichen 13, in diesem Quartal ausnahmsweise 14 Nummern erscheinen, und ist daher die gegenwärtige als eine Extra- und Gratis-Nummer zu betrachten. – Nr. 1 des neuen Jahrganges wird am 5. Januar 1882 ausgegeben werden.




Mit dieser Nummer schließt der neunundzwanzigste Jahrgang unserer Zeitschrift. Wir ersuchen die geehrten Abonnenten ihre Bestellungen auf das erste Quartal 1882 schleunigst aufgeben zu wollen und bringen denselben zugleich zur Kenntniß, daß wir den neuen Jahrgang mit der fesselnden Erzählung:

„Der heimliche Gast“ von Robert Byr

eröffnen werden. Derselben wird sich eine Reihe von novellistischen Beiträgen aus der Geisteswerkstatt unserer bedeutendsten Autoren anschließen, und zwar in erster Linie:

„Recht und Liebe“ von Levin Schücking,0 „Bob Zellina“ von Karl Theodor Schultz,

sowie die hervorragenden kleineren Erzähstulgen „Zwischen Vater und Sohn“ von C. del Negro, „Erkannt“ von A. Burchard u. a. m.

Auch auf den übrigen Gebieten der Unterhaltung und Belehrung werden wir im neuen Jahrgange unsere alten Ziele treu im Auge behalten und stets bestrebt sein, den Lesern in geschmackvoller Form einen gediegenen Inhalt zu bieten, vor Allem aber für den deutschen Vaterlandsgedanken und die Kräftigung gesunder Freiheitsbestrebungen, sowie für die gemeinnützige Verbreitung wissenschaftlicher Kenntnisse und die vernunftgemäße Pflege des öffentlichen Wohlfahrtssinnes energisch eintreten. Auch werden wir dem illustrativen Theil unseres Blattes, wie immer, unsere besondere Sorgfalt widmen.

Unter der Zahl demnächst erscheinender, besonders interessanter Artikel heben wir hier nur hervor: „Mohammed und sein Werk“ von Johannes Scherr, „Zum hundertjährigen Geburtstage Friedrich Fröbel’s“ von Wichard Lange, „Das Neue Wien“ von Balduin Groller, „Die Herrschaft des französischen Geistes“ von Rudolf Elcho und „Die moderne höhere Bildungskrankheit“ von einem bewährten Schulmanne. Zur Länder- und Völkerkunde liegen uns in den „Bildern aus dem Stillen Ocean“ von O. Finsch sowie in zahlreichen zeichnerischen und schriftstellerischen Erzeugnissen Rudolf Cronau’s eine Reihe fesselnder Beiträge vor, und werden namentlich die Berichte unseres letzterwähnten Specialartisten, je mehr er in bisher wenig bekannte Regionen der Neuen Welt vordringt, in Wort und Bild des Eigenartigen und Interessanten eine große Fülle bieten, sodaß die Rubrik „Um die Erde“ von jetzt ab eine der beachtenswerthesten unseres Blattes bilden wird.

Redaction und Verlagshandlung der „Gartenlaube“. 


Meister Jeremias.
Eine Sylvestergeschichte.
Von Josef Schrattenholz.

Der Schneidermeister Jeremias Lump saß am Sylvesterabend in seiner engen Dachstube auf dem gelb gestrichenen, tannenen Werktisch und bemühte sich eifrig, beim trüben Scheine der alten, mit einem zerbrochenen Cylinder geschmückten Petroleumlampe das letzte Knopfloch eines dicken, braunen Winterüberziehers einzufassen. Es war noch ziemlich früh; in der Schneiderwohnung aber würde es, wenn die Lampe nicht gebrannt hätte, stockfinstere Nacht gewesen sein. Das machten die hohen Giebel der engen Gasse, auf welche die kleine Lebensbühne des Meisters Jeremias hinausschaute. Er hatte sie oft verwünscht, diese blauschindeligen Dächer, diese qualmenden, rußbedeckten Schornsteine, die ihm das liebe, goldene Sonnenlicht so unerbittlich einkerkerten und nur zuweilen einen dünnen, flüchtigen Strahl auf seinen Werktisch springen ließen. Ja, er hatte diese dunkelnden Dächer oft verwünscht, zumal im Winter, wo er durch den großartigen Petroleumconsum zu einer Mehrausgabe gezwungen wurde, die seinem Verdienst eine empfindliche Wunde schlug. Manchmal aber hatte er sich auch über sie gefreut: wenn er im Frühling oder Sommer durch das enge, von den Händen seiner Tochter Lieschen mit duftenden Geranium- und Epheugardinen behangene Fenster auf die alten Dächer schaute, wie

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1881). Leipzig: Ernst Keil, 1881, Seite 873. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1881)_873.jpg&oldid=- (Version vom 14.2.2021)