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Verschiedene: Die Gartenlaube (1882)


die Größe unserer völlig entwickelten Wildschweine. Die Beine sind verhältnißmäßig dünner und höher; der Körper ist gleichmäßig bogenartig abgerundet, sodaß die größte Höhe sich in der Mitte des Rückens befindet; er hat eine schmutzig aschgraue Färbung, ist mit zahlreichen Querfalten versehen und mit kurzen, dünnstehenden, kaum sichtbaren Borsten besetzt. Dieselben stehen längs des Rückens und zwischen den Falten dichter und bilden am Ende des ziemlich langen, dünnen, geringelten, gerade herunterhängenden Schwanzes eine förmliche Quaste, welche jedoch mit der Zeit gänzlich oder theilweise verschwindet.

Die Innenseite der Beine sowie die Bauchseiten sind rostroth. Bei dem Weibchen, welches stets etwas kleiner ist als das Männchen, sind die oberen Hauer bedeutend kürzer als bei dem Eber, ja zuweilen kaum sichtbar, oder sie fehlen auch gänzlich.

In ihrer tropischen Heimath wandern die Babirusa in steter Unruhe durch die feuchten, sumpfigen Waldungen, fressen gerne Laub, Gras und zarte Wasserpflanzen und schwimmen sehr geschickt, wie sie denn nach Brehm im Stande sein sollen, große Strecken über die See von einer Insel zur anderen zurückzulegen. Ihr Fleisch wird als geschmackvoll bezeichnet, obgleich sie einen starken, widrigen Geruch von sich geben. Berichte von solchen Beobachtern, welche den Hirscheber in seiner Heimath zu studiren Gelegenheit hatten, sind äußerst selten; um so weniger darf ich mir versagen, die Mittheilungen eines Augenzeugen über die Babirusa hier wiederzugeben.

„Als ich einst die niedrigen, feuchten Waldungen einer der Molukkeninseln — Buru — durchwanderte,“ erzählte mir derselbe, „wurde meine Aufmerksamkeit durch ein sonderbares Geräusch, dem Grunzen der Schweine nicht unähnlich, welches aus geringer Entfernung ertönte, in hohem Grade gespannt. Dazwischen ließen sich eigenthümlich pfeifende Töne vernehmen, die dem Angstgeschrei unserer Hausschweine fast gleichkamen. Nachdem ich ungefähr eine halbe Stunde durch das Dickicht des Waldes diesen Lauten gefolgt war, stob eine Heerde mir unbekannter Wesen mit auffallend gehörnten Köpfen pfeilschnell an mir vorbei, einem nahe gelegenen Gewässer zu, in welches sie sich in wilder Hast, Kopf über, hineinstürzte, um bald nachher auf der andern Seite wieder zum Vorschein zu kommen. Ich benutzte diese Zwischenzeit, um meiner Flinte, die nur mit Schrot geladen war, eine Kugel beizufügen, und feuerte los, als die Heerde eben an der entgegengesetzten Seite wieder auftauchte. Der Zufall wollte, daß gerade eines der größten Thiere der Heerde getroffen wurde und niederfiel. Das geschossene Wild ward sofort von seinen Kameraden umringt. Sie berochen es und machten Anstalten, es zu vertheidigen, als ich an das Ufer gelangte, allein ein zweiter Schuß veranlaßte sie, die Flucht zu ergreifen. Ich hatte ein völlig ausgewachsenes Männchen, das nicht weniger als 150 Pfund Gewicht zählte, erlegt. Sein dicker, runder walzenförmiger Körper maß drei Fuß in der Länge und über zwei Fuß in der Höhe.“

Zur Zeit Buffon’s, der dem Hirscheber einen äußerst feinen Geruch beimißt, hatte man noch kein lebendes Exemplar dieser Thiere in Europa gesehen; denn die ersten lebenden Babirusa, welche nach Europa kamen, verdankte man den französischen Naturforschern Ouoy und Gaimard, die während ihrer Weltumsegelung mit der Dumont d’Urville’schen Expedition ein Hirscheber-Pärchen von einem holländischen Gouverneur der Molukken-Inseln als Geschenk erhielten. Dieselben wurden sehr zahm und lebten mehrere Jahre im Pariser „Jardin des Plantes“. Besonders merkwürdig ist es, daß sie sich dort fortpflanzten, leider aber starb die junge Brut sehr bald.

Das erste Exemplar des Hirschebers, welches ich sah, traf ich im Jahre 1860 im zoologischen Garten zu Rotterdam, an dessen Spitze damals der berühmte alte Menageriebesitzer Martin stand. Ich gestehe, daß außer dem Nilpferd nie irgend ein Thier einen ähnlich überraschenden Eindruck auf mich gemacht hat, wie jener Hirscheber zu Rotterdam. Es war mir daher höchst erfreulich, als vor etwa vier Jahren ein Paar dieser Thiere von Amsterdam aus angeboten wurde. Ich reiste sofort dorthin, um die Eber in Augenschein zu nehmen, und erwarb das Pärchen für den Kölner zoologischen Garten. Leider gingen die beiden Thiere schon nach zwei Jahren zu Grunde.

Die oben erwähnten Beschreibungen stimmen vollständig mit unseren Exemplaren überein. Vom Capitain des Schiffes, der uns die Thiere verkaufte und der sie auch in ihrem Vaterlande beobachtet hatte, erfuhr ich manches über ihre Lebensweise, was im Allgemeinen das bereits Erwähnte bestätigt. Unter Anderem theilte er mir mit, daß die Hirscheber auf gewissen Inseln etwas größer werden, als auf anderen, und daß sie nur in Trupps von sechs bis acht Stück, worunter außer den jungen gewöhnlich nur ein völlig entwickelter alter Eber sich befindet, zusammen leben. Das Weibchen wirft ein bis zwei Junge, die von der ganzen Schaar liebevoll und zärtlich behandelt werden.

Meines Wissens sind unsere Hirscheber bis jetzt die letzten lebenden in Europa gewesen.

Köln, im December 1881.

N. Funck[WS 1].




Blätter und Blüthen.


Das Gift des Speichels. In der Auffassung vieler Naturvölker hat das Gift der Schlangen bekanntlich die ganze Thierclasse, in welcher es doch auch harmlose und mit ehrlichen Waffen kämpfende Glieder giebt, in Verruf gebracht und sie so gewissermaßen zur Personification des bösen Princips gemacht. Bis auf unsere Tage war es seither ein geheimnisvoller Saft geblieben, dessen Mysterium die Wissenschaft nicht zu entschleiern vermochte. Durch die Bemühungen einiger französischen Aerzte und Naturforscher ist jedoch bezüglich dieses Giftes in den letzten Monaten einige und zum Theil sehr überraschende Aufklärung erzielt worden. Das Gift der Schlangen ist bekanntlich die Absonderung mehrerer Drüsen des Oberkiefers dieser Thiere, und jene Drüsen entsprechen nach Lage und Bau den Speicheldrüsen. Neuere Untersuchungen von Pasteur, A. Gautier und Anderen haben nun ergeben, das keineswegs nur der Speichel der Schlangen, wenn er in eine Wunde geräth, giftig wirkt, sondern daß der Speichel der meisten anderen Thiere, z. B. des Hundes, des Kaninchens, ja sogar der des Menschen ganz ähnlich wirkt.

Ein aus dem menschlichen Speichel bereitetes wässeriges Extract tödtete einen kleinen Vogel, wenn es in den Blutumlauf gebracht wurde, beinahe ebenso schnell, wie Schlangengift. Die von aller Welt in die Acht erklärten Giftschlangen bilden also in dieser Beziehung nur insofern eine Ausnahme, als sie vor den Mündungen der betreffenden Drüsen mit offenen oder geschlossenen Rinnen versehene Zähne besitzen, durch welche eine ungewöhnlich große Quantität des Speichelgiftes in die Wunde befördert werden kann. Und wie das Gift einer und derselben Schlangenart unter verschiedenen Himmelsstrichen verschieden stark wirkt, so wird der menschliche Speichel ebenfalls den Umständen nach von sehr verschiedener Giftigkeit befunden, und zwar am stärksten der Morgens bei nüchternen Personen, wo er noch nicht durch Ausgaben verdünnt worden ist.

Was nun die eigentliche Ursache der Giftigkeit dieser sonst die Verdauung befördernden Absonderung betrifft, so besteht sie nach A. Gautier wahrscheinlich nicht, wie man wohl früher glaubte, in einer Art von organisirtem Ferment, welches das Blut in Gährung versetzt, sondern vielmehr in einem starkgiftigen Alkaloide; denn man kann z. B. das Gift, welches man einer Brillenschlange entlockt hat, indem man sie wiederholt in einen Bausch Baumwolle beißen ließ, mit Wasser verdünnen, bis zum Sieden erhitzen, filtriren, mit Alkohol behandeln, vollständig eintrocknen lassen etc., ohne daß es seine Wirksamkeit einbüßt, während man durch ähnliche Behandlung jede Art Hefe lösen und unwirksam machen würde.

Wenn aber der Speichel anderer Thiere dem Schlangengifte ähnlich wirkt, so steht andererseits das Schlangengift nach den Untersuchungen von De Lacerda dem gewöhnlichen thierischen Speichel und besonders dem Safte der sogenannten Bauchspeicheldrüse in seiner[WS 2] verdauenden Eigenschaft nahe; es löst unlösliche Nährstoffe und verwandelt Fettstoffe in Emulsion. Als wichtigstes Ergebniß der Untersuchungen des letztgenannten Naturforschers dürfte die Entdeckung eines Gegengiftes von der wunderbarsten Wirkung zu bezeichnen sein. Zwei bis drei Centimeter einer filtrirten einprocentigen Auflösung von übermangansaurem Kali in Wasser mittelst einer Pravaz’schen Spritze in die Bißwunde eingeführt, verhinderten in der Mehrzahl der Fälle nicht nur jede Entzündung der Wunde, sondern retteten selbst solche Thiere, bei denen das Gift bereits unter den bedenklichsten Symptomen in den Blutumlauf eingetreten war.

Die Versuche wurden in Gegenwart des Kaisers von Brasilien mit einer sehr giftigen Schlangenart (Bothrops) angestellt, der gegenüber sich alle sonst empfohlenen Gegengifte (Eisenchlorid, Borax, Tannin etc.) völlig unwirksam erwiesen. Fast alle Thiere, bei denen das Gegengift nicht in Anwendung gebracht wurde, gingen zu Grunde, dagegen starben von dreißig Stück, denen es eingespritzt wurde, nur zwei schwächliche Versuchsthiere.




Kleiner Briefkasten.



Frl. G. in Hannover. Vielleicht wird Ihnen durch folgende Mittheilung geholfen: Der deutsche Generalconsul Bojanowski in London theilte vor Kurzem dem Berliner Polizeipräsidenten mit, daß in London ein Heim für deutsche Mädchen eröffnet wurde, welcher den Namen „Gordon House“ trägt und in 8 Engsleigh Gardens, NW, sich befindet. Dasselbe ist gegründet worden um deutsche Mädchen, welche in England Dienste suchen, vor den ihnen drohenden mannigfachen Gefahren zu schützen; es gewährt ihnen anständige Wohnung und kostenfreie Stellenvermittelung.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: B. Funck
  2. Vorlage: seinen

Anmerkungen (Wikisource)

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1882). Leipzig: Ernst Keil, 1882, Seite 20. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1882)_020.jpg&oldid=- (Version vom 10.9.2022)