Seite:Die Gartenlaube (1882) 148.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1882)

Für die Südhemisphäre wurde Süd-Georgien und für die Nordhemisphäre die Pendulum-Insel auf der Ostküste von Grönland in’s Auge gefaßt. Der letztgenannte Punkt ist indessen wieder in Frage gekommen, da er wegen der furchtbaren Vereisung des ostgrönländischen Meeres ohne ein besonderes Expeditionsschiff schwer zu erreichen sein dürfte und zur Erbauung eines solchen Zeit und Geld fehlt. An Stelle von Ostgrönland ist neuerdings einer der Punkte links oder rechts von der Davis-Straße respective Baffins-Bay vorgeschlagen worden.

Betrachten wir nunmehr das wissenschaftliche Programm für die internationalen Polarexpeditionen, wie dasselbe endgültig in St. Petersburg festgestellt worden ist! Der Zweck des Unternehmens ist die Erforschung der physikalischen Verhältnisse überhaupt, speciell aber der meteorologischen und erdmagnetischen Erscheinungen der Polargebiete und der unmittelbar an dieselben angrenzenden Zonen der Erde nach einem gemeinsamen durch internationale Uebereinkunft festzusetzenden Plane. Die Beobachtungen erfolgen, um ihre Sicherheit zu erhöhen, in besonders erbauten festen Observatorien; sie werden mindestens alle Stunden ausgeführt und umfassen ein volles Jahr vom August 1882 bis 1. September 1883; sie geschehen auf allen Stationen nach demselben Plane und theilweise auch zu absolut gleichen Zeitmomenten, damit man den Eintritt und die Fortpflanzung der magnetischen Störungen verfolgen kann. Die Beobachtungen werden eingetheilt in obligatorische, welche als das Minimum des von allen Expeditionen zu Fordernden anzusehen sind, und in facultative, also freiwillige. Zu den obligatorischen gehören stündliche magnetische und meteorologische Beobachtungen, also Bestimmungen der Temperatur der Luft, des Meereswassers, des Luftdrucks, der Feuchtigkeit der Atmosphäre, des Windes, der Wolken, des Niederschlags, wie überhaupt des Wetters; ferner Bestimmungen des Erdmagnetismus und der Polarlichter.

Die am Nordpol projectirten Stationen der internationale
Polarexpeditionen in den Jahren 1882–1883.

A und C Stationen der Vereinigten Staaten von Nord-Amerika, B englische, D dänische, E deutsche, F österreichische, G schwedische, H norwegische, J holländische Station, K und L russische Stationen.

Am ersten und fünfzehnten jeden Monats ist sogenannter „Termintag“, an welchem auf allen Stationen „von Mitternacht zu Mitternacht Göttinger Zeit“ verschärfte Beobachtungen stattfinden werden. Die Lesungen der magnetischen Elemente geschehen während dieser vierundzwanzig Stunden von fünf zu fünf Minuten, außerdem während einer vollen Stunde nach je zwanzig Secunden. Aber die Beobachtungen an den Termintagen werden sich nicht ausschließlich auf die Polarstationen selbst erstrecken, sondern es sind nach einem Petersburger Beschluß Schritte gethan, daß während der Dauer der Polarexpeditionen und ihrer Beobachtungen auch die sämmtlichen meteorologischen und magnetischen Observatorien der Welt und ebenso die Handels- und Kriegsmarine der verschiedenen Nationen durch sorgfältigere Beobachtungen atmosphärischer und magnetischer Erscheinungen die Thätigkeit der Polarexpeditionen vorzugsweise während der Termintage vervollständigen und daß an den Termintagen und zur Zeit magnetischer Störungen die elektrischen Ströme in den Telegraphenleitungen überall speciellerer und sorgfältigerer Untersuchung unterworfen werden.

Das großartig vereinbarte Unternehmen hat bereits einen glücklichen Anfang zu verzeichnen, indem die beiden amerikanischen Stationen bereits im Sommer 1881 besetzt worden sind. Hochinteressant ist die äußerst glückliche Fahrt, welche die zur Besetzung der Lady Franklin-Bay bestimmte Expedition gemacht hat. Die Errichtung der Station geschah sofort nach der Landung. Die unter Lieutenant A. W. Greeley stehende „Colonie“ gedenkt, wenn der erste lange Winter glücklich überstanden sein wird, ein oder zwei Grad weiter nordwärts eine Tochtercolonie anzulegen, hierselbst den zweiten Winter zuzubringen und im darauffolgenden Sommer möglichst den Nordpol zu erreichen; jedenfalls die vom Capitain Nares in den Jahren 1875 und 1876 erreichte nördliche Breite von 83° 201/2’, die nördlichste Grenze, zu welcher bis jetzt die Polarforscher vorgedrungen waren, zu überschreiten.

Was nun unser deutsches Reich betrifft, so hat die deutsche Polarcommission, deren Präsident Director Neumayer ist, eine Executivcommission ernannt, welche Anfang Februar 1881 eine mehrtägige Sitzung in Hamburg abgehalten hat. Den Berathungen zufolge sollen die Baulichkeiten jeder der beiden deutschen Stationen aus einem Wohnhaus und zwei Observatorien bestehen. Das Personal jeder Station setzt sich zusammen aus einem Gelehrten mit praktischer Erfahrung im Beobachten als Vorsteher der Station, aus einem Stellvertreter des Vorstehers und Leiter der magnetischen Arbeiten von gleicher Befähigung, aus drei Assistenten für den magnetischen Theil des Beobachtungsprogramms, aus zwei Assistenten für den meteorologischen Theil des Beobachtungsprogramms, aus einem Mechaniker, welcher sich auch an den Beobachtungen zu betheiligen hat, und aus drei Seemännern für Küche, Haushalt, Tischlerei, Zimmermannsarbeit und Bedienung. Die Ausstattung an Instrumenten ist eine ausgezeichnete. Aber mit dieser rein meteorologischen und magnetischen Forschung ist das umfassende Gebiet der wissenschaftlichen Eroberung der Polarländer durchaus nicht abgeschlossen. Deshalb hat Director Neumayer durch ein Circulair vom 10. Januar 1882 den bei der Polarforschung noch außerdem interessirten wissenschaftlichen Instituten und Gelehrten Deutschlands Mittheilung über den Stand der Frage gemacht und sie zu Aeußerungen darüber veranlaßt, welche weiteren Zwecke, außer den bereits als obligatorisch festgesetzten, sie zu vertreten wünschten, welche Geldmittel, respective Apparate von ihrer Seite hierzu zur Verfügung gestellt werden könnten, eventuell welche Personen sie für die Theilnahme an den Expeditionen zur Ausführung ihrer speciellen Wünsche in Vorschlag bringen würden. Dieser Theil der Polarforschung befindet sich noch im Stadium der Vorbereitung, und gedenken wir darauf noch zurückzukommen.




Um die Erde.

Von Rudolf Cronau.
Siebenter Brief:0 Indianische Dichtung und Wahrheit in Minnesota.

Fort Snelling, von dessen Gründungsgeschichte ich in meinem letzten Briefe gesprochen, ist keine romantische, sagenumwobene Burg im europäischen Sinne. Ueber den Schöpfungen des jungen amerikanischen Volkes ruht eben keine mittelalterliche Dämmerung, erfüllt von den märchenhaften Gestalten verzauberter Prinzessinnen und abenteuerlicher Ritter; nein, was aus den Bauten der Neuen Welt zu uns redet, das ist greifbare Wirklichkeit, das sind wohlverbürgte geschichtliche Thatsachen oder nackte Ziffernreihen, welche Fortschritte der Industrie und des Handels bekunden. Aber man glaube ja nicht, daß das Stöhnen des Dampfrosses und das Klingen der Aexte alle Poesie aus den amerikanischen Wäldern und Felsschluchten verscheucht haben!

O nein! Ich durchwandere die Umgebung von Fort Snelling, und beim Anblicke der rauschenden Wasserfälle, ja schon bei dem

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1882). Leipzig: Ernst Keil, 1882, Seite 148. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1882)_148.jpg&oldid=- (Version vom 2.7.2023)