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Verschiedene: Die Gartenlaube (1882)

den Gfalln und die christliche Liab erweisen und thuats es an ihrn Ehrntag in die Kirch zum Gottsdienst begleiten. ’s Frühstück is beim ....-Wirth, Kirchngehn ma (in die Kirche gehen wir) um a neuni (neun); die Kubalazion (Copulation) wird um alfi (elf) und aft (dann) ha’ma a kloans (ein kleines) christlichs Mahl beim .... ’s Essn wird ganz kloan ausfalln. A Suppn, a Stückel Fleisch, an Krapfen – sist nix (sonst nichts). Es wird a schiani Hoazat werdn; denn es kemmen (kommen) daheifti (viele) Freund zsamm.“

So lautet einer der kürzesten Sprüche. Sehr bemerkenswerth ist es, daß keineswegs, wie zumeist in Obersteiermark, die Gäste immer unentgeltlich bewirthet werden; denn es giebt „Schenkhochzeiten“, wobei die Brautleute das Mahl bestreiten, und „Zahlhochzeiten“, wo dies die Gäste aus eigenem Sacke thun. Es ist ebenso komisch wie begreiflich, daß zu letzteren Hochzeiten viel mehr Gäste geladen werden, als zu ersteren.

Wichtige Personen unter den Geladenen sind die „Beistände“ (Zeugen), die „Brautführer“ und die „Kranzeljungfrauen“, welche letztere besonders gute Tänzerinnen sein müssen.

Inzwischen ist der eigentliche Hochzeitstag hereingebrochen. Bräutigam und Braut sind festlich gekleidet. Ersterer trägt Sträuße künstlicher Blumen an Hut und Rock, welche lange Seidenschleifen haben, während die Braut ein Myrthenkranz schmückt; ihr Rock ist dunkel, meist schwarz, da ein lichtes Hochzeitsgewand nicht für anständig gilt; rothe Seidentücher, als Halstuch beim Bräutigam und als Busentuch bei der Braut, sind sehr beliebt.

Das Hochzeitsfest beginnt nun mit einem lustigen Frühstück. Strudel, Knödel (Klöse) mit Schweinefleisch, Rindfleisch, Suppe, Kraut und dergleichen werden schon hier verabreicht, und die Vorliebe des Steiermärkers, viel zu essen, tritt dabei ergötzlich hervor; fehlen dürfen hier nicht die „Krapfen“, in Fett gebackene Teigballen, welche die unter dem Namen Krapfen in Süddeutschland bekannte Mehlspeise an Größe wohl um das Vierfache überragen. Nach dem Frühstück erfolgt unter Vortritt der Musikanten der Zug zur Kirche, an dem alle Geladenen, die Männer mit Sträußchen am Hute geschmückt, theilnehmen; in der Kirche selbst schreiten die Brautleute mit den Beiständen und Kranzeljungfern voran; die Männer schließen sich ihnen an, und den Schluß bilden die Frauen und Mädchen.

Vor allem wird in der Kirche nun großer Gottesdienst, ein „Hochamt“, abgehalten, und interessant ist es, daß beim Offertorium ein von altersher überkommenes Lied eingeschoben wird, das auch die Kirchengeher mitsingen. Diese Lieder kann man den wirklichen Volksliedern der deutschen Steiermärker beizählen. Hier die erste Strophe eines solchen Hochzeitsliedes:

„Zur Hochzeit, zur Hochzeit, kommt alle frommen Gäst’,
Ach eilet, nicht weilet, nur keiner sei der Letzt’,
Weil Jesus sich selbst ladet ein, der wahre Gast,
Maria auch, die Jungfrau rein,
Ladet sie auch zur Hochzeit ein;
Zur Hochzeit, zur Hochzeit, kommt alle frommen Gäst’.“[1]

Die Brautleute communiciren während des Gottesdienstes, und nach demselben erfolgt die eigentliche Trauung, wobei selbst dem armen Manne der „Johannissegen“ nicht fehlen darf; es ist dies jener Trunk Weines, den nach vollzogener Copulation der Priester und jeder Gast auf das Wohlsein des Brautpaares noch in der Kirche zu sich nimmt, und die Flasche mit Wein, welche Jeder schon im Voraus hierzu erhielt, ist von sehr bedeutender Größe. Sie muß ausgetrunken werden. Der Priester trinkt zuerst mit den Worten: „Aüf das Wohl des Bräutigams!“ sodann auf das Wohl der Braut.

Dieser „Johannissegen“ ist zweifellos eine Erinnerung an den alten germanischen Minnetrunk, der in’s christliche Zeitalter mit herüber gebracht wurde und dessen Name durch jene Erzählung vom vergifteten Weine erklärt wird, den, der Legende nach, der Evangelist St. Johannes segnete und, ohne daß ihm das Gift etwas geschadet hätte, austrank.

Unmittelbar nach der Trauung begiebt sich die „echte“ Kranzeljungfer – als solche gilt nur eine, die auch ihren Myrthenkranz bis zu Ende der Hochzeit auf dem Kopfe behalten muß – mit einem Teller, auf dem sich drei Krapfen befinden, zwischen welchen ein Thaler oder zwei Guldenstücke liegen, in die Sacristei und bietet diese Gabe dem Geistlichen dar; ähnlich, natürlich mit geringerer Gabe, wird der Meßner bedacht.

Der nun aus der Kirche kommende Zug, an dessen Spitze der junge Mann mit den Kranzeljungfern einherschreitet, begiebt sich in’s Hochzeitshaus, gewöhnlich in ein Gasthaus. Auf dem Wege begleiten die jungen Bursche den Zug, wie schon auf dem Gange in die Kirche, mit Jauchzen und Pistolenschüssen, ja mitunter werden auch Böller abgefeuert.

Im Hochzeitshause mit dem Zuge angekommen, muß die Braut, zum Zeichen ihrer Würde als Hausfrau, zuerst das Kraut salzen, eine Ceremonie, die mit einem guten Trinkgelde für die dabei mitfungirende Köchin verbunden ist. Vorher findet jedoch noch das „Brautstehlen“ statt; lustige Bursche suchen nämlich die junge Frau gewaltsam zu entführen, und gelingt es ihrem Manne nicht, die Entführte rechtzeitig zu erhaschen, so muß er sie durch Bezahlung einer Weinzeche an die Burschen auslösen. Uebrigens kommt auch ein „Bräutigamsstehlen“ vor – dann haben die Kranzeljungfern jene Zeche zu zahlen.

Nach diesem spaßhaften Intermezzo begiebt sich die Gesellschaft – es ist gewöhnlich schon späterer Nachmittag geworden – zum eigentlichen „Hochzeitsmahle“. Da pflegt es eine stattliche Tafel zu geben; am Tische sitzen obenan Bräutigam und Braut, Hochzeitsvater und Beistände, und während das Mahl eröffnet wird, ertönen draußen Böllerschüsse, die sich, sobald der Braten aufgesetzt wird, wiederholen; da das Essen und Trinken, begleitet von der fröhlichsten Stimmung, nun stundenlang dauert, so wird vom jungen Volke dazwischen tüchtig getanzt.

Dies ist der Zeitpunkt zur Aufführung eines Tanzes, der ein ganz besonderes Interesse in Anspruch nimmt, nämlich des sogenannten „Gugelhupftanzes“. Gugelhupf heißt in den deutsch-österreichischen Ländern bekanntlich jene Gattung von Gebäck, das der Norddeutsche Napfkuchen nennt. Es liegen bei den Hochzeiten „Gugelhupfe“ bereit, welche so geformt sind, daß man sie wie eine Mütze auf den Kopf setzen kann – und nun kommt der Spaß: solche Gugelhupfe werden rings mit brennenden Kerzen besetzt; die Kranzeljungfern befestigen dieselben auf dem Kopfe, und tanzen damit so lange herum – gewöhnlich wird zum Tanze der Steirische gewählt – bis die Kerzen niedergebrannt sind.

Es ist vielleicht in diesem Tanze der Rest eines jener uralten Gebräuche zu suchen, deren ja so viele in den Sitten des Landvolkes verborgen sind. Die brennenden Kerzen dürften auf einen altgermanischen Cultus der Freja (Freyja), der Liebes- und Erdgöttin hinweisen, wie denn mehrfach gelehrte Alterthumsforscher die üblichen Johannis-, Oster- und Maifeuer mit dem Cultus dieser Göttin in Verbindung gebracht oder aus demselben hergeleitet haben. Die brennenden Lichter auf den Kuchen der erwähnten Tänzerinnen bei Hochzeiten scheinen somit im Zusammenhang mit einem Feueropfer zu stehen, das dieser Göttin in der Vorzeit gebracht wurde. Auch das Gebäck selbst, welches aus den Früchten der Erde erzeugt wurde, dürfte auf die Erdgöttin Freja hindeuten. Nachdem der Tanz vorüber ist, wird der Gugelhupf wieder abgesetzt, der Wirth zerkleinert denselben, und die Stücke werden nun den Hochzeitsgästen vorgesetzt.

Was das Tanzen bei der Hochzeit anbelangt, so harrt noch eine besondere, nicht eben leichte Aufgabe des Brautführers und der Kranzeljungfer; der erstere hat nämlich dafür zu sorgen, daß er mit jeder der eingeladenen älteren Frauenspersonen ein Tänzchen mache – so erfordert es die gute alte Sitte; die „echte“ Kranzeljungfer aber hat ihrerseits alle älteren Männer hervorzusuchen, die sich unter den Eingeladenen befinden, und mit diesen zu tanzen. Noch war in früherer Zeit der „Ehrentanz“ üblich, wobei der Brautführer gegen Ende des Mahles, den geschmückten Hut auf dem Kopfe, vor den Hausvater trat und in einer langen wohlgesetzten, gereimten Rede um die Gestattung eines Ehrentanzes mit der Braut bat. Aus dieser Rede hier einige Zeilen als Probe:

„Wir hörten die Musik erklingen
Und sahen die Jungfrau Braut zur Thüre hereinspringen –
Auf dieselbe thät ich mich spitzen;
Sie wird gewiß nicht weit vom Herrn Hausvater sitzen.
So thu ich denn jetzt gar studiren;
Ich möcht sie gern auf den Ehrentanz führen,
Wenn der Herr Hausvater sie möcht erlauben, möcht ich ihm spendirn
Ein Paar Ochsen und auch einen Baum voll Birn etc.“

  1. Man findet das Lied vollständig in des Verfassers Sammlung: „Deutsche Volkslieder aus Steiermark“ (Innsbruck 1881.) Es ist in vielen Theilen Steiermarks gebräuchlich.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1882). Leipzig: Ernst Keil, 1882, Seite 158. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1882)_158.jpg&oldid=- (Version vom 7.9.2022)