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Verschiedene: Die Gartenlaube (1882)

Maschinen, sodaß diese bei einer Zuggeschwindigkeit von fünfzig Kilometern in der Stunde neunhundert Umdrehungen in der Minute machen, wodurch ein Strom entsteht, der nicht nur im Stande ist, sechszehn Lampen zu speisen, sondern auch genügende Elektricität in dem Accumulator für die Zwischenzeiten aufzuspeichern. Die Lampen sind Glühlampen in der Art der Edison’schen und erleuchten die Coupés so hell, daß man noch in den entferntesten Ecken im Stande ist, die feinste Perlschrift und Bleistiftnotizen bequem zu lesen.




Wiener Eissport. Gern komme ich, meinem Versprechen gemäß (vergl. das „Internationale Eislaufen in Wien“, Nr. 7 d. Jahrgangs), auf das diesjährige Costümfest des Wiener Eislaufvereins zurück. In jedem Winter wird nämlich, je nach der Strenge desselben, ein- oder zweimal ein solches Fest in der österreichischen Metropole abgehalten, dem die Erfahrung der berühmten Wiener Maskenbälle zu Statten zu kommen pflegt. Sowohl diese Erfahrung, wie diese centrale Lage des Eisplatzes, die andauernde Eisdecke[1] und die trotzdem im Vergleiche zu den nordischen Städten verhältnißmäßig milde Witterung, sowie endlich die großartige elektrische Beleuchtung wirken zusammen, um diese Nachtfeste zu ganz eigenartigen zu machen, gegen welche auch die berühmten Eisfeste in Petersburg, New-York und Montreal zurückstehen müssen. Um denselben stets neuen Reiz zu verleihen, pflegt eine gewisse Abwechselung in den Darstellungen eingehalten zu werden, indem in dem einen Jahre die Costüme nach den historischen Trachten eines gewissen Zeitalters gewählt werden, in dem andern die Trachten der verschiedenen Volksstämme Oesterreich-Ungarns zur Geltung kommen, im dritten ein niederländisches Eisfest in vervollständigtem Maße nachgeahmt und im vierten oder fünften ein venetianisches Nachtfest oder eine Nordpolfahrt zur Darstellung gebracht wird.

In diesem Winter war, theils wegen der Unsicherheit der Witterung, theils weil sich die Aufmerksamkeit auf das internationale Wettlaufen concentrirte, den Mitgliedern des Eislaufvereins die Wahl der Costüme anheim gestellt worden, sodaß unter den rauschenden Klängen der Militärmusik, unter dem Blitzen und Leuchten des elektrischen Lichtes und der bengalischen Feuer eine überaus bunte Menge „auf Flügeln des Stahls“ in der spiegelglatten Bahn sich herumtummelte, welche amphitheatralisch von Tausenden von Zuschauern umgeben war. Da sah man die mannigfachsten Verkleidungen, von der Rococodame bis zum Fichtenkleid des Waldfräuleins, vom Gorilla bis zum stahlgepanzerten Ritter. Den Brennpunkt des Schauspieles bildete diesmal eine Gesammtdarstellung der vier preisgekrönten Figurenläufer. Der fünfte Preisträger, Axel Paulson aus Christiania, war bereits in seine nordische Heimath zurückgekehrt.

Der Abend begann mit einem Festzuge, welcher sich auf dem benachbarten kleinen Eisplatze aufgestellt und, mit den ersten Klängen der Musik durch einen Canal in den großen Platz einlenkend, denselben mehrmals umkreiste, vorauf einen von einem Dutzend Pagen mit bengalischen Fackeln geleiteten Triumphschlitten, dessen leuchtende Pracht einen imposanten Eindruck machte. Der Zug stellte sich dann im Halbkreis auf, um den vier preisgekrönten Eiskünstlern Platz zu machen, während die jüngern und lebhaftern Mitglieder jede Pause benützten, um im Hintergrunde die Freuden des Eislaufes bis zur Neige auszukosten, und traute Liebespaare Arm in Arm ungestört in Bogen dahin schwebten. Waren ja Aller Augen auf die vier Preisträger gerichtet, welche mit vollendeter Eleganz wie spielend die schwierigsten und graziösesten Evolutionen und Gesammtfiguren ausführten; sie wirbelten, vorwärts und rückwärts springend, in mannigfaltigen Schlangen- und Schlingenwindungen durch einander und entlockten den Tausenden von Zuschauern einen Beifall, der weit stürmischer erbrauste, als er je im Ballet sich kundgab. Und doch wird dieses Bild noch von einem hinreißenderen Schauspiele übertroffen, von der Eisyacht nämlich, wenn sie, auf weiter Seefläche bei einer guten Brise lavirend, mit den Flügeln der „Windsbraut“ dahinfährt und den Courierzug hinter sich läßt. Doch davon ein anderes Mal! M. W.     



Ein Armenbegräbniß. Wie uns aus Neustadt bei Magdeburg berichtet wird, wurde dort im November vorigen Jahres die Leiche eines elfjährigen Knaben in folgender Weise beerdigt. Der Vater, ein beschäftigungsloser Arbeiter, nahm ein Brett, versah dieses mit zwei Leisten, legte sein todtes Kind darauf und ging mit dieser Last vor Tagesanbruch auf den Friedhof. Hier klopfte er den Todtengräber heraus, welcher ihm die Grabstelle mit dem Hinzufügen bezeichnete, er möge den Leichnam dort niederlegen. Der Vater that wie ihm geheißen und verließ den Friedhof. Das „Uebrige“ haben im Laufe des Tages die Todtengräber besorgt.

Gegen eine derartige Behandlung der Todten empört sich das Herz mit Recht, und wir halten es für angezeigt, hier öffentlich die Frage aufzuwerfen: wer trägt die Schuld an diesem Vergehen gegen die Humanität?

Nach den von uns angestellten Recherchen war die Leidensgeschichte des Knaben folgende:

Der Erdarbeiter Meffert, ein sonst fleißiger und ordentlicher Mann, wurde in Folge des Aufhörens der Arbeit beschäftigungs- und brodlos. Die geringe Habe der Meffert’schen Familie wanderte bald in’s Leihhaus, und da die Frau erkrankte und der älteste elfjährige Sohn an Auszehrung litt, sah sich der Vater genöthigt, die Hülfe der Armenbehörde anzurufen. Unter schweren Umständen wurde dem Kinde die Verabreichung der Armenmedicamente bewilligt, aber schon beim dritten Besuche erklärte der Armenarzt, es sei ihm verboten worden, ferner dem Kinde Medicamente zu verabreichen, weil der Vater den Herrn Armensecretär beleidigt habe. Das Kind blieb in Folge dessen ohne ärztliche Hülfe und siechte langsam dahin.

Nach dem Tode des Knaben wandte sich der Vater, da es ihm unmöglich war, einen Sarg zu beschaffen, an die betreffenden Communalbeamten mit der Bitte um die Bewilligung eines Armensarges, aber auch dieses Gesuch blieb ohne Erfolg. Der Begräbnißact wurde hierauf in der oben geschilderten Weise vollzogen.

Wir stehen heute mitten in einer Bewegung, welche die Armenpflege nach humanitären Principien neu gestalten will und den bedeutendsten Theil derselben öffentlichen Beamten zu übertragen beabsichtigt. Wenn aber aus dieser Neugestaltung ein wahrer Nutzen für die Armen erwachsen soll, so muß vor Allem darauf geachtet werden, daß die Grundsätze der Humanität in den Armenverwaltungen gebührend beachtet werden, was in der Sache Meffert’s in offenkundiger Weise unterlassen wurde.

Wir erachten es daher für unsere Pflicht, diesen traurigen Fall zur allgemeinen Kenntniß zu bringen, um durch die Macht der öffentlichen Meinung die Wiederholung ähnlicher Strafmaßregeln, welche, selbst wenn sie berechtigt wären, nur den Unschuldigen treffen würden, zu verhüten. D. Red.     




Gesang- und Musikliebhaberei der Eidechsen. Man hat die Eidechsen, diese niedlichen Thiere, welche so leicht zutraulich werden, im wärmeren Europa den Menschen in seinen Wohnungen besuchen und hinter jedem Steine und aus jeder Mauerritze der Ruinen ihr lauschendes Köpfchen hervorstrecken, bisher, und wie es scheint mit Unrecht, für gänzlich stumm gehalten. Die gewöhnlichen Eidechsen besitzen so gut wie die Geckos des Südens, welche ihr Geck-Geck in allen Tonarten erschallen lassen und bisher (abgesehen von den Krokodilen) als die einzigen stimmbegabten Eidechsen galten, eine feine Stimmritze, und wir halten sie also wahrscheinlich nur deshalb für stumm, weil sie ihr Stimmchen vielleicht nur in der Paarungszeit vernehmen lassen. Ein englischer Naturforscher, F. P. Pascoe, berichtete nun vor Kurzem, daß er auf den Triften und unter dem Gebüsch zu Ajaccio öfters eigenthümliche Lockrufe, ein zwei- bis dreimal in kurzen Pausen wiederholtes „Wied-Twied“ vernommen habe, welches er anfänglich einer Grille zuschrieb, bis er sich überzeugen konnte, daß es von einer kleinen Eidechse herrührte. Ein anderer Beobachter, P. S. Oliver, bestätigte dasselbe von einer kleinen Eidechse auf Sanct Helena. Mit diesen einem kurzen, schwachen Pfiff ähnlichen Locktönen steht es nun vielleicht im Zusammenhange, daß unsere gewöhnliche Mauereidechse, die im südlichen und westlichen Europa besonders häufig ist, verschiedenen Beobachtern zufolge, aufmerksam lauscht, wenn man ihr etwas vorpfeift. Der belgische Naturforscher De Selys-Longchamps, welcher sich seiner Zeit in der Umgebung von Turin mit dem Einfangen von Mauereidechsen beschäftigte, fand, daß sie ihn ohne zu fliehen näher kommen ließen, wenn er eine Melodie pfiff. War das bloße Neugierde oder eine Variation des Gedankens: wo man singt, da laß dich ruhig nieder etc., oder hörten sie das Pfeifen wirklich gerne? Die belgische Mauereidechse zeigte ihm diese Musikliebhaberei nicht, aber dies liegt vielleicht daran, daß sie dem Pfeifen nur in gewissen Jahreszeiten mit Hingabe lauscht. Damit stimmt sehr wohl eine neue Mittheilung von Professor Leydig in Bonn überein, dem ein im Ahrthal wohnender aufmerksamer Thierbeobachter versicherte, daß er die auf den Weinbergsmauern häufigen Eidechsen durch Vorpfeifen auf einem Schlüssel allezeit zu sich heranlocken könnte. Man wird dadurch an die orientalischen Schlangenzauberer erinnert, welche angeblich, gleich dem Rattenfänger von Hameln, durch Blasen auf einer eigenthümlichen Pfeife alle Schlangen eines Gehöftes zu sich lockten, um sie zu fangen. Es wäre interessant, über diese Musikliebhaberei verschiedener Reptilien weitere Beobachtungen anzustellen.


Kleiner Briefkasten.

Ein besorgter Vater in Hamburg. Wenden Sie sich an Herrn Director W. Schröder in Dresden, Oppelstraße 22 b.

Langjähriger Abonnent im Schwarzwald. Die landwirthschaftliche Centralschule in Weihenstephan.

Paula Fr. in Berlin. „Gartenlaube“ Jahrgang 1863, Seite 769!



Die Verlagshandlung von Ernst Keil in Leipzig wendet sich an die Leser und Leserinnen der „Gartenlaube“ mit der herzlichen Bitte, im Interesse der guten Sache das in Nr. 6 der „Gartenlaube“ empfohlene

Portrait Friedrich Fröbel’s
auf feinem Kupferdruckpapier à 75 Pfennig

recht zahlreich bestellen zu wollen, und macht wiederholt darauf aufmerksam, daß der aus dem Verkauf dieses Portraits sich ergebende

Reingewinn
für die hochbejahrte Wittwe Friedrich Fröbel’s

bestimmt ist.

Bestellungen auf das Portrait können von jeder Buchhandlung ausgeführt werden.



Redacteur: Dr. Ernst Ziel in Leipzig. – Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.
  1. Sogar in diesem milden Winter hatten wir 42 Schleiftage.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1882). Leipzig: Ernst Keil, 1882, Seite 168. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1882)_168.jpg&oldid=- (Version vom 10.3.2023)