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Verschiedene: Die Gartenlaube (1882)


weiter Spielraum gegeben, daß er oft des Guten zu viel vor sich hat. Die zahlreichen Weidenarten stufen sich nämlich in viele Spielarten und diese wiederum in verschiedene Formen ab. Dazu kommen die aus Bastardirung hervorgegangenen Formen, wie diejenigen Verschiedenheiten, welche durch das Geschlecht der als zweihäusig bekannten Weiden bedingt sind. In Folge dessen befinden sich 200 bis 300 verschiedene Korbweidenformen von mehr oder weniger guter Beschaffenheit im Handel. In einer Hinsicht ist diese Vielgestaltigkeit der Weiden von Vortheil, in der anderen nicht. Denn es lassen sich zwar für verschiedene Bodenarten, sowie auch für verschiedene Anforderungen der Korbindustrie leicht passende Weidensorten auswählen; es läßt sich weiter unschwer eine Verbesserung von Sorten herbeiführen, die bei den Weiden in Folge ihrer Fähigkeit, sich durch Stecklinge zu vermehren, leicht verallgemeinert und auf die Zukunft vererbt werden kann. Aber die Vielgestaltigkeit hat auch einen sehr erheblichen Mangel an Sicherheit und Ordnung der Benennung der Weiden in den Weidenanlagen zur Folge gehabt, welcher zu vielen Mißverständnissen und Mißgriffen in der Weidencultur geführt hat.

Das Schneiden der Weiden kann im Herbste, Winter oder Frühjahr erfolgen. Die abgeschnittenen Ruthen werden behufs leichteren Transportes in Bündel gebunden, um entweder mit der Rinde oder, was weit häufiger der Fall ist, geschält verarbeitet zu werden. Die Entrindung kann nur nach Eintritt des Saftes im Frühjahr geschehen, und daher pflegt man die im Herbst oder Winter abgeschnittenen Weiden bis dahin in Wasser zu stellen.

Das Schälen geschieht mit einem klammerartigen Instrument. Man zieht eine Ruthe zwischen den beiden Schenkeln desselben hindurch, spaltet auf diese Weise deren Rinde und kann dieselbe, falls sie nicht selbst abfällt, dann leicht in zwei langen Bändern von der Ruthe abstreifen. Mit dieser Arbeit betraut man häufig Frauen und Kinder, welche dann an sonnigen Frühlingstagen singend, plaudernd und scherzend überall vor den Häusern sitzen und der Ortschaft ein eigenthümlich belebtes, den Fremden überraschendes Gepräge geben. In Gegenden, wo die Weidenbestände zerstreut oder entlegen sind, ziehen mitunter Korbmacher zur Zeit der Weidenernte, mit der nöthigsten Habe versehen, von Ort zu Ort, um eine ausreichende Menge von Flechtmaterial zusammenzubringen. Zuweilen führen sie ihre eigenen Hütten mit sich, dieselben an dem Orte ihrer Thätigkeit nach Bedürfniß aufschlagend und während der Zeit ihres Einsammelns als Wohn-, Speise-, Toiletten-, Vorraths- und Schlafraum benutzend.

Als ich vor einigen Jahren von Bamberg im Regnitzthale abwärts ging, tauchte plötzlich hinter dem Schutzdamme dieses Flusses ein derartiges Zigeunerlager vor mir auf, in welchem sich mehrere Korbflechterfamilien vereinigt hatten. Es war zur Zeit der Mittagspause, und die bunte, muntere, etwa zwölf bis fünfzehn Köpfe zählende Gesellschaft, vor den barackenähnlichen Wohnungen inmitten der aufgespeicherten Materialvorräthe gruppirt, bot in der That ein anmuthend patriarchalisches Bild dar.

Nachdem der Züchter seine Aufgabe beendet, kommt die Weide in die Hände der Industrie. Rinde und Holz sind die brauchbaren Bestandtheile. Die erstere ist besonders werthvoll durch ihren Gehalt an Farbestoff, Gerbstoff und Weidenbitter oder Salicin. Man pflegt deshalb die Weidenrinden zum Gelb- und Braunfärben feiner Ledersorten, z. B. des Leders der Glacéhandschuhe, zu verwenden. Der Reichthum an Gerbstoff, dem zweiten der obengenannten verwerthbaren Bestandtheile der Rinde, ist bei verschiedenen Weidenarten ungleich. Denn während er bei den sogenannten Purpurweiden so unbedeutend ist, daß dieselben zum Gerben untauglich erscheinen, so beträgt er in den betreffenden Rindenzellen der Sahlweiden, der Bruchweiden, der Hanfweiden etc. bis dreizehn Procent des Inhaltes. Das russische Juchtenleder wird größtentheils mit Weidenrinde gegerbt, die demselben jedoch nicht auch den eigenthümlichen Geruch verleiht; dieser wird vielmehr durch Anwendung von Birkenöl erzeugt. In Deutschland sind Weidenrinden besonders zur Herstellung feiner Ledersorten, z. B. des Saffianleders, beliebt.

Das Salicin oder Weidenbitter, ein Alkaloïd, das in weißen Blättchen krystallisirt und der Weidenrinde ihren bitteren Geschmack verleiht, tritt am reichlichsten in der Rinde gerbstoffarmer Weidenarten, also der Purpurweiden auf, während es sich bei den gerbstoffreichen Weiden nur in geringer Menge vorfindet. Salicin- und Gerbstoffgehalt pflegen also in umgekehrtem Verhältniß zu stehen. Das Salicin, dessen Gehalt in der Rinde bis zu drei Procent betragen kann, dient als Surrogat für theure Bitterstoffe und wird z. B. in der Medicin zuweilen an Stelle des bei Fieberkrankheiten gebrauchten Chinins verordnet.

Trotz dieser mannigfachen Verwendung bildet die Rinde indessen nur ein Nebenproduct der Weidencultur; den Hauptertrag derselben liefert das Holz, welches nach dem Trocknen und Schwefeln sofort zur Verarbeitung tauglich ist und um so höher geschätzt wird, je weißer seine Farbe, je zarter seine Structur, je dünner sein Markcylinder und je gleichmäßiger und reiner von Seitenästen es gewachsen ist.

Die Mannigfaltigkeit der Verarbeitung, zu welcher die Weiden in der Hand geschickter Arbeiter fähig sind, geht fast in’s Unglaubliche, und manche in stiller Dorfeinsamkeit aufgewachsene Weide gelangt später, zu einem geschmackvollen Flechtwerk herausgearbeitet, in ein vornehmes Haus. Nun ist allerdings die Weide nur eins von den verschiedenen Materialen, welche unsere Korbindustrie verarbeitet, dürfte aber als solches um so beachtenswerther und werthvoller sein, weil sie im eigenen, an industriellen pflanzlichen Rohproducten nicht eben überreichen Lande mit großem Nutzen und in vorzüglicher Qualität gewonnen werden kann. Man ist daher auch bestrebt, die Kunstfertigkeit in der Weidenflechterei immer mehr zu heben, und wendet ihr da, wo man die Korbindustrie in geeigneten Districten einzubürgern strebt, eine entsprechende Berücksichtigung zu, wie z. B. in den königlichen Lehrwerkstätten für feine und mittelfeine Korbflechterei, welche die sächsische Staatsregierung im Mülsengrunde bei Zwickau eingerichtet hat und unterhält. Daß das Holz der Weide auch noch zu andern Zwecken, z. B. zur Herstellung einer geschätzten Holzkohle dient, braucht nur angedeutet zu werden.

Schauen wir nun zurück auf die vielfache Verwendung, welche die Weidenrinde und das Weidenholz in der Industrie finden, und mustern wir nur flüchtig die große Zahl der Hände, welche durch die Verarbeitung dieser Pflanzen zu den verschiedenartigsten nützlichen Gegenständen ihr tägliches Brod verdienen, so werden wir ohne Bedenken zugeben müssen, daß die Weiden, wie einst nach Cato’s Ausspruch bei den Römern, so auch in Deutschland zu den nützlichsten Pflanzen zählen.




Blätter und Blüthen.


Der Maler des „Hochzeitszuges“. (Mit Abbildung S. 245.) Der Familienname des trefflichen Malers, dessen neuestes Werk wir heute in Holzschnittreproduction unseren Lesern vorführen, ist schon seit vielen Jahren den Freunden der Kunst wohlbekannt. Wer mit Aufmerksamkeit die öffentlichen Bildergallerien und großen Privatsammlungen Deutschlands durchwandert hat, der wird sich erinnern, dort überall Gemälde von Robert Eberle angetroffen zu haben, welche verschiedenartige Scenen aus dem Thierleben darstellen und unter denen sich die Schafheerden-Bilder durch ihre lebenstreue Auffassung und Wiedergabe besonders auszeichnen. Kurz nach dem Tode dieses Malers (1860) trat im Jahre 1861 sein Sohn Adolf Eberle mit einem größeren Gemälde vor das Publicum. Das Bild, welches in ergreifender Wahrheit die Pfändung der letzten Kuh darstellte, fand eine sehr günstige Aufnahme, und der damals kaum achtzehnjährige Künstler wurde bald einer der beliebtesten Genremaler der Gegenwart. Adolf Eberle bezog ziemlich früh die berühmte Akademie seiner Vaterstadt München und bildete sich hier unter Karl von Piloty’s Leitung zu einem trefflichen Coloristen aus, der sich außerdem in seinen jüngsten Werken durch die Tiefe der Auffassung und scharfe Charakteristik auszeichnet.




Kleiner Briefkasten.


Zum bevorstehenden Fröbel-Feste! Die Vorstände vieler Kindergärten haben zur Fröbel-Feier, die bekanntlich am 21. dieses Monats überall begangen wird, die demnächst in der „Gartenlaube“ erscheinende Abbildung des Grabdenkmals von Friedrich Fröbel bestellt, um dieselbe beim Feste unter die Kinder zu vertheilen. Da jedoch nur bei sehr wenigen der aus den Kindergärten eingesandten Beiträge die Zahl der beitragenden Kinder angegeben war, so werden die Vorstände ersucht, dies unverzüglich unter Einsendung der empfangenen Quittung nachholen zu wollen. Alle Zuschriften, die auf diese Angelegenheit Bezug nehmen, sind ausschließlich an den Schriftführer des „National-Fröbel-Comités“, Herrn Professor E. Wiebe in Hamburg, Grindelberg 45, zu richten.


Redacteur: Dr. Ernst Ziel in Leipzig. – Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1882). Leipzig: Ernst Keil, 1882, Seite 256. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1882)_256.jpg&oldid=- (Version vom 24.1.2023)