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Verschiedene: Die Gartenlaube (1882)

Die Redensarten und Wendungen, in denen der Kukuk einfach verhüllender Ausdruck des Teufels ist, haben eben durch solche bildliche Ausdrucksweise eine bedeutende Abschwächung erlitten; die Schärfe und Rohheit, welche in der Mehrzahl derselben liegen würde, wenn sie den Bösen ungeschminkt mit seinem wirklichen Namen einführten, wird so gut wie nicht gefühlt, wenn der Kukuk an seiner Stelle auftritt.

So scheut sich sogar der fromme Claudius nicht, einmal zu sagen: „Die hole der Kukuk!“ ein Wunsch, zu dessen Ausführung er gewiß nicht den Teufel selbst citirt haben würde. Die Flüche „zum Teufel“ etc. sind zu bloßen Ausrufen der Ungeduld abgeschwächt in: „zum, beim, potz Kukuk!“ (verdorben aus Gotts-Kukuk). Tieck sagt einmal: „Potz Kukuk ist so ein hergebrachter Ausruf, wenn wir nicht gerade fluchen wollen.“ Noch abschwächender ist hier eine abermalige Verhüllung in dem elsässischen „potz güxel“, „hol di der Guxel!“ etc.

Der Kukuk.
Originalzeichnung von F. Specht.

Dieser fast harmlose Gebrauch der sonst stärksten Redensarten und Flüche mag neben Anderem dazu beigetragen haben, den Teufel seines bösartigen Charakters zu berauben. Mehr und mehr sank er aus seiner Machtstellung herab bis zum „dummen Teufel“, der als solcher Gegenstand des Mitleids, aber auch des Spottes und Hohnes wurde. Und so konnte es wohl geschehen, daß der zu seiner Umschreibung dienende Kukuk seinen Namen gleichfalls hergeben mußte zur Bezeichnung des Allergeringsten. Uebertrug sich doch der Spott, welcher auf den erwähnten „dummen Teufel“ gehäuft wurde und wird, auch auf den Kukuk.

Er, der „fromme Kukuk“, als welcher er „sonst“ gefeiert wurde, für dessen Schreien man sich sogar den Aufwand des Wortes „Gesang“ gestattet hatte, wird nach seiner Glanzperiode fast nur erwähnt, um wegen seiner häßlichen, eintönigen Stimme gescholten und verspottet zu werden.

Im siebenzehnten Jahrhundert stellt ihm ein gewisser Lehmann abfällig genug das Zeugniß aus: „Wann der Guckkug tausent Jahr alt würde, so lernt er doch nichts anders denn Guckkug.“[WS 1]

Wollte man aber den Gegensatz, in welchem sein Geschrei zum musikalischen Wohlklang steht, noch besonders scharf ausdrücken, so wurde der Kukuk der Nachtigall gegenüber gestellt – beide galten als die äußersten sich entgegengesetzten Enden der Kunst des Gesanges. Und ehemals war nur die Nachtigall im Stande, den Ruf des Kukuks zu ersetzen! So ändern sich die Ansichten. Auch hier geschah also der Schritt vom Erhaltenen zum Lächerlichen.

Doch der Kukuk hatte es sich wohl selbst zuzuschreiben, wenn sich das Blatt in dieser Weise wendete. Das Bewußtsein von seiner Göttlichkeit, die seinem Gesange gezollte Anerkennung war ihm wahrscheinlich in den Kopf gestiegen – er glaubte, es könne ihm gar nicht fehlen, und hatte sich sogar zu einem Wettgesange mit der Nachtigall verstiegen. Aber was früher als so herrlich gepriesen[WS 2] worden war, erntete nunmehr nur Spott bei dem wankelmüthigen Volke. Das Lied des sechszehnten Jahrhunderts, welches diesen Wettgesang feiert, charakterisirt die musikalische Befähigung des Kukuks noch durch den niederträchtigen Zug, daß es ihn den Esel zum Kampfrichter bestellen läßt, weil dieser sich mit seinen großen Ohren am besten zu einem solchen eigne. So behandelt auch noch Gellert in einer kunstsatirischen Fabel[WS 3] diesen Vorgang; bei ihm heißt es grob genug: „Der Kukuk schrie sein Lied.“

So wurde denn der Name Kukuk sehr bald gleichbedeutend mit: Narr; er wurde die Bezeichnung eines Menschen, der ebenso wenig werth ist, wie der Gesang des Kukuks. Die Pflanzennamen Gauchhafer und Gauchwermuth erklären sich ebenfalls dadurch, daß der erstere durch Unfruchtbarkeit und der letztere durch Geruchlosigkeit sich auszeichnet, wie der Kukuk durch seine geringe musikalische Begabung. Und wenn beim Kegelschieben „von Neunen nicht Einer fiel“, dann ruft der Kegeljunge höhnisch: „Kukuk!“ Es ist dieselbe geringe Meinung vom Kukuk, welcher wir in dem oben berührten adverbialen Gebrauch von „den Kukuk“ begegneten; sie spricht sich auch in Folgendem aus. Eine von Händel componirte Operette enthält die Verse:

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Christoph Lehman(n) (ADB:Lehmann, Christoph): Florilegium politicum
  2. Vorlage: gepiesen
  3. Die Nachtigall und der Kukuk, Zeile 14

Anmerkungen (Wikisource)

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1882). Leipzig: Ernst Keil, 1882, Seite 297. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1882)_297.jpg&oldid=- (Version vom 15.2.2023)