Seite:Die Gartenlaube (1882) 339.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1882)


der Heinze, Herrn Karl Bouillon, Fleischwaarenhandlung und Wurstfabrik in Kiew im Hause Nitscheff auf Kritschatik, in Dienst gingen. Seit Ende des Jahres 1880 sind beide Mädchen aus diesem Dienste ausgetreten. Nach den letzten, Ende vorigen Jahres eingegangenen Nachrichten befanden sich beide Mädchen noch in Kiew, und zwar die Anna Bartholomaeus im Dienste bei Petschärski und Esplonatna, Straße Nukolska, Haus Urbanski, obere Etage. Seitdem sind keinerlei Nachrichten von den beiden Mädchen an ihre Angehörigen gelangt. Ein am 25. April vorigen Jahres an die Anna Bartholomaeus abgesandter Brief kam als unbestellbar zurück. Jede Auskunft über die Vermißten würde die Angehörigen derselben zum größten Danke verpflichten.

19) Die etwa 20 Jahre alte Constanze Auerswald aus Leipzig, welche 1878 ihre Heimath verließ, als Erzieherin bei einer englischen (?) Familie 1879 in Palermo verweilte und dann nach Paris gegangen sein soll, wird von ihrer Mutter um Nachricht und Heimkehr gebeten.

20) In einer Maurerfamilie in einem Dorfe bei Leipzig ist ein Kind in Pflege gegeben, das am 23. August 1878 zu Buttelstädt im Weimarischen das Licht der Welt erblickte. Der Pfleger desselben bittet die Mutter, Hedwig Marie Hertzer aus Heidelberg (deren es 7 giebt), und ebenso deren ehemaligen Dienstherrn, Herrn Dr. von Breda, der von Buttelstädt nach London gezogen sein soll, um freundliche Mittheilung ihrer dermaligen Adressen.

21) Seit October 1879 befindet sich der jetzt 26 Jahre alte Glasergeselle Johann Heinrich Karl Dommrich aus Nordhausen auf der Wanderschaft, ohne daß seine in schwerer Angst und Sorge um ihn lebenden Eltern bis jetzt eine Kunde von ihm oder über ihn erlangt haben. Er hatte damals die Richtung über Hannover nach Hamburg eingeschlagen.

22) Albin Feodor Engelmann, aus Nebra an der Unstrut, geboren den 8. Februar 1848, ging im Juni 1864 von Blankenese auf dem Schooner „Doranna“, Capitain Bener, nach Rio Grande, soll aber auf dem Rio Plata im Staate Corrientes vom Schiffe desertirt sein. Erst 1869 kam von ihm die Nachricht, daß Briefe ihn unter der Adresse: „Signor Don Guillamo Jolé, Bucco, s. Montevideo“ treffen würden. Seitdem ist auf keinen Brief eine Antwort und trotz aller Bemühungen unserer Consuln keine Kunde mehr über ihn zu den Seinen gekommen.

23) Ein alter Vater ruft hiermit seinen nunmehr neunundzwanzigjährigen Sohn, der ihm die Freuden der Wanderschaft zu lange genießt, während er ihm eine Stütze in Haus und Werkstatt sein könnte, an den heimischen Herd zurück. Dieser Sohn ist der Schmiedegeselle Johann Gottfried Greubel aus Kissingen, der am 15. August 1876 seine Wanderschaft antrat, sich nach alter guter Handwerksburschensitte im In- und Auslande, in Baiern, in der Schweiz und in Italien umsah und arbeitete und zuletzt im September 1878 aus Saarbrücken heimschrieb. Vielleicht treffen ihn diese Zeilen und mahnen ihn als ein Gruß aus dem alten Kissinger Vaterhause.

24) Eine 74 Jahre alte Mutter in Ungarn, die Wittwe Katharina Gutter zu Szegszard im Tolnaer Comitat, sucht ihre letzte Stütze im Alter, ihren einzigen Sohn, August Gutter. Derselbe weilt seit 1865 in Südamerika, wurde 1875 vom k. k. Consulat im Staate Buenos Ayres, auf einer Farm bei der Stadt Carmen de las Flores, aufgefunden und stand nun mit seiner Mutter in Briefwechsel bis 1878, wo er ihr einen längeren Brief versprach. Seitdem wartet die arme Frau vergeblich auf eine Nachricht.

25) Der jetzt 30 Jahre alte Seemann Georg Ludwig Hermann ging am 20. Januar 1872 von Glückstadt auf einem amerikanischen Vollschiff nach Valparaiso in Chile und schrieb gleich nach seiner Ankunft; ein zweiter Brief, datirt Coronel den 13. März 1874, kam am 24. Juni in die Hände der Seinen, und seitdem hörte man nichts mehr von ihm. Die Eltern wohnen in Salzwedel.

26) Der Zimmergeselle Ernst Eckarius aus Ernstroda bei Friedrichroda in Thüringen hat vor drei Jahren das elterliche Haus verlassen, im (wir dürfen gestehen: gerechten) Zorn über seinen Vater. Von Naumburg an der Saale aus schrieb er damals den Seinen, sie möchten seine Kleider und Habseligkeiten verkaufen, da er nicht wieder nach Hause kommen werde. Ein Arbeiter aus Brotterode sah ihn später in Leipzig und vermuthete, daß er nach Hamburg und von da vielleicht nach Amerika gegangen sei. Ihn, ihren einzigen Sohn, bittet seine arme Mutter nun, wo sein Vater gestorben und ihm selbst ein kleines Erbtheil zugefallen, dringend, zu ihr zurückzukehren und die Freude und der Schutz ihres Alters zu sein.

27) Der Uhrmacher Karl Ludwig Krauth, geboren am 12. März 1825 in Dresden, in der französischen Schweiz in seinem Beruf ausgebildet, hat acht Tage vor Weihnachten 1880 auf der Polizei zu Dresden nach der Adresse seiner Mutter geforscht, ohne diese selbst zu finden. Die 81jährige Greisin möchte so nahe vor ihrem Ende den so lange Vermißten noch einmal wiedersehen. Ihre Adresse ist: Fr. Johanna Sophie Praßer, Dresden, Webergasse 28, II, im Hintergebäude A.

28) Eine Erbschaft von etwa 800 Mark steht für zwei Geschwister bereit, die bisher obrigkeitlich vergebens gesucht wurden. Es sind die ledige Pauline Lamm, geboren zu Grottkau am 15. Juni 1850, und der Gärtnergehülfe Adolf Lamm, geboren ebendaselbst am 27. Mai 1952, Beide Kinder eines Kutschers. Der nach ihnen sucht, ist der zum Erbschaftspfleger bestellte Seilermeister F. Berger in Neusalz a. d. Oder.

29) Wieder eine alte, achtzigjährige Mutter, eine arme Wittwe in Trebur (Provinz Starkenburg im Großherzogthum Hessen), welche ihren einzigen Sohn sucht: Peter Lösch, der sich in seiner englischen Adresse Losh schreibt. In seinem letzten Briefe vom 11. Februar 1865 nennt er seinen Wohnsitz „Kyamba bei Jareutta“ in Neu-Süd-Wales. Die unrichtigen Adressen spielen eine starke Rolle in unserem Vermißtenwesen; so sind auch die Briefe unter dieser Adresse ohne Antwort geblieben. Da aber Peter Lösch ein braver, gutherziger Sohn war, der seine Mutter stets nach Kräften unterstützt und ihr auch mit dem letzten Brief wieder zehn Pfund Sterling geschickt und dazu versprochen, nun bald, gleich seinem Freund Fz. Kinz aus Mainz, nach Deutschland zurückzukehren, so ist hier böswilliges und trotziges Schweigen nicht vorauszusetzen. Lösch ist 1835 geboren, lernte als Schneider in Darmstadt und ging 1857 nach Australien, wo er zuerst Schäfer, dann Koch bei einem Mr. John Smith wurde, in welcher Stellung er sich 1865 noch befand.

30) Noch einmal derselbe Fall! Die Wittwe Meyer in Minden hat einen Sohn, Gustav Meyer, der, jetzt neunundzwanzig Jahre alt, seit November 1875 bei Adelaide in Süd-Australien lebt. Sie nennt seinen Aufenthaltsort: „Gentia“. Seit zwei Jahren sind drei Briefe mit dieser Adresse ohne Antwort geblieben. Es müßte ein Wunder von Zufall sein, der uns diesen Verschollenen finden ließe. Dennoch erfüllen wir den Wunsch der alten Mutter; es ist ja ihr letzter Trost.

31) Karl Meyer, geboren am 12. Juli 1848 zu Eppinghafen bei Mülheim an der Ruhr, jüdischer Confession, gelernter Kaufmann, Statur: groß, schlank; Haare: schwarz, kraus; Augen: groß, braun; er trug eine Brille. Am 1. September 1866 reiste er nach Amerika und am 21. December 1867 von New-York nach Brasilien. An diesem Tage gingen von New-York zwei Schiffe ab mit Namen: „the Red Republican“ und „the Guiding Star“; es war nicht zu ermitteln, mit welchem er abgereist; beide Schiffe sind glücklich in Brasilien angekommen, aber seit dieser Zeit ist kein Lebenszeichen von K. Meyer zu den Seinen gedrungen.



Zur Goethe-Literatur. Wenn Goethe’s Werke zugleich die Offenbarung seines ganzen innern Wesens und äußern Wirkens in so hohem Maße sind, wie dies bei keinem zweiten Dichter der Welt der Fall gewesen, indem der „Olympier“ nichts geschaffen, was nicht als ein „Erlebtes“ durch seine Seele gegangen, nicht aus seinem „eigenen Innern hervorbrach“, so gewinnen wir umgekehrt aus dem tiefern Einblick in sein Leben ein volleres Verständniß für seine Werke, und jeder neue Beitrag zur Kenntniß des Menschen Goethe wirft nothwendig auch ein neues rückstrahlendes Licht auf den Dichter. Bei der unermeßlichen Goethe-Literatur und den vielfach damit verzweigten Correspondenzen zwischen dem Altmeister und seinen Zeitgenossen sollte es nun fast scheinen, als ob gewissermaßen die Quellen zu den Studien über sein Leben erschöpft sein müßten.

Um so mehr überraschte uns vor Kurzem die Veröffentlichung eines zwar wenig umfangreichen, aber bedeutsamen Buches, das den Titel führt: „Goethe, Weimar und Jena im Jahre 1806. Nach Goethe’s Privatacten. Am fünfzigjährigen Todestage Goethe’s herausgegeben von Richard und Robert Keil.“ Ohne noch einen Blick in das Buch gethan zu haben, muß der Leser durch die Worte: „Nach Goethe’s Privatacten“ um so lebhafter angeregt werden, den Inhalt kennen zu lernen, als dieselben nach dem vollständigen Buchtitel die furchtbaren Ereignisse des 14. Octobers im Jahre 1806 betreffen. Diese verhängnißvolle Unglückszeit hat bekanntlich der Klatsch- und Parteisucht kleiner und scheinbar großer Geister einen willkommenen Anlaß zu schweren Verdächtigungen des Dichters geboten; die moralische und politische Kleinmeisterei, die ihm gegenüber noch immer nicht verstummt ist, gipfelte schon seiner Zeit in dem Vorwurf, daß er für sein Volk kein Herz gehabt und nicht im patriotischen Sinne gewirkt und gedichtet habe. Auf diesen Vorwurf hat Niemand treffender geantwortet als Goethe selbst, der noch kurz vor seinem Tode die in seinen Gesprächen mit Eckermann enthaltenen, leider zu wenig beachteten goldenen Worte sprach:

„Was heißt denn: sein Vaterland lieben? und was heißt denn: patriotisch wirken? Wenn ein Dichter lebenslänglich bemüht war, schädliche Vorurtheile zu bekämpfen, engherzige Ansichten zu beseitigen, den Geist seines Volkes aufzuklären, dessen Geschmack zu reinigen und dessen Gesinnungs- und Denkweise zu veredeln, was soll er denn da noch Besseres thun? Und wie soll er denn da patriotischer wirken?“

Den rechten Maßstab zur Beurtheilung eines Unsterblichen trägt selbstverständlich nicht Jedermann in der Tasche, und von diesem Standpunkt aus erklärte Goethe die Heftigkeit seiner Ankläger in den freundlich-ironischen Versen:

„Hätten sie mich beurtheilen können,
So wär’ ich nicht, was ich bin.“

In den jetzt veröffentlichten Mittheilungen aus den Privatacten des Dichters kommt vor Allem seine aufrichtige, herzliche Menschenliebe zum vollsten Ausdruck. Eben deshalb bilden diese Acten eine Bereicherung der Goethe-Literatur; denn fast jedes Blatt legt davon Zeugniß ab, daß der Dichter in den Tagen der Schmach, auch wenn er keine Kriegslieder geschrieben, die nicht sein Element waren, darum doch auf das Eifrigste für das gemeine Wohl gewirkt und auf diese Weise seinen patriotischen Sinn lebendig bethätigt hat. Mit Recht sagte Herder von ihm, er habe sich bei jedem Schritte seines Lebens als ein ganzer Mann gezeigt. Was war es denn auch sonst als die Macht des Persönlichen, die Napoleon bei dem ersten Anblicke von Goethe zu dem Ausrufe brachte: „Voilà un homme!“ Reichen Stoff zu moralischen Beschwerden lieferte der Dichter den schönen Seelen durch seine unter dem Donner der Kanonen erfolgte Vermählung mit Christiane Vulpius. Diese eigenthümliche, in ihren Detailzügen mit großer Lebendigkeit wiedergegebene Vermählungsfeier erregt nicht nur ein historisches, sondern auch ein echt dramatisches Interesse, indem das einfache, durch seine gesunde herzliche Naivetät so anziehende Mädchen in dem Augenblicke zur Heldin emporwächst, als Goethe von ernster Lebensgefahr bedroht wird. Der Dichter hätte in der That ein Anderer sein müssen, als er war, wenn ihn diese rasche Entschlossenheit, diese völlige Nichtachtung des eigenen Lebens, mit welcher Christiane seine theure Person vertheidigte, nicht im Innersten ergriffen haben würde. Das ganze hier vor uns aufgerollte Gemälde enthält für den berufenen Dramatiker einen Geschichtsstoff, wie er zur Gestaltung wirksamer Theaterscenen nicht besser zu wünschen ist. Hoffentlich findet sich einmal der richtige Mann, um den hier verborgenen Bühnenschatz zu heben. Wem der Sinn für das Dramatische innewohnt, der wird überhaupt die erste Hälfte dieses Goethe-Buches mit erhöhtem Interesse lesen. Auf dem dunkeln Hintergrunde der grauenvollen Tage von Weimar – welch’ eine

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1882). Leipzig: Ernst Keil, 1882, Seite 339. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1882)_339.jpg&oldid=- (Version vom 3.3.2023)