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Verschiedene: Die Gartenlaube (1882)


keine Feigheit; mit tollkühnem Muthe greift das Wiesel selbst wehrhafte und ihm an Kraft bedeutend überlegene Thiere an; es kämpft mit Wasserratten und mit Hamstern, und oft hat es Pferde, ja sogar Menschen angefallen.

Ebenso geschickt wie im Angriffe, ist es in der Vertheidigung seines Lebens gegen seine nicht sehr zahlreichen Feinde. Hauskatzen, die sich an ihm manchmal vergreifen, müssen fast immer mit blutender Schnauze abziehen, Raubvögel, welche auf das Wiesel stoßen, um es fortzutragen, haben oft noch hoch in den Lüften mit ihm einen harten Strauß zu bestehen. So erzählen Naturforscher und Jäger von Fällen, wo Eulen und Habichte, die ein Wiesel forttrugen, todt mit ihm zur Erde stürzten, da der Angegriffene dem Angreifer die Halsader durchbissen hatte, und die Thiermaler haben ähnliche Scenen mehrmals dargestellt. Schwieriger hält dagegen das Wiesel gegen die Natter Stand; denn hier unterliegt der Muth nur allzu oft der tödtlichen Wirkung der Giftzähne.

Das kleine Pelzwerk unseres Thieres hat keinen besonderen Werth, und um seines Balges willen würde dem Thiere kein Jäger nachstellen. Da haben ja die Pelze der allernächsten Verwandten des kleinen Raubgeschöpfes, der Hermeline, eine ganz andere Bedeutung. Doch die Ehre, zum Pelzlieferanten für Fürstenmäntel erkoren zu sein, blieb unserem kleinen Wiesel glücklich erspart.

In den Waldrevieren des Jägers und in der Nähe des Bauernhofes ist es kein gern gesehener Gast, und schon seit undenklichen Zeiten lebt es daher mit dem Menschen auf dem entschiedensten Kriegsfuße. Uebrigens ist es nicht so thöricht, sich vor die Mündung des Schießrohres zu stellen; um dem Schützen zu entschlüpfen, dazu ist es ja eben so „flink wie ein Wiesel“. Dagegen geht das muthige Geschöpf um so leichter in die Falle, und man hat zahlreiche mehr oder weniger zierliche Kästchen oder Eisen construirt, mit welcher es in großer Anzahl gefangen wird.

So ohne Weiteres erledigt ist die Ausrottungsfrage in Betreff des Wiesels indeß noch nicht. Unter den Naturforschern und Landwirthen hat es namhafte Freunde, welche die Art als eine den Menschen nützliche erhalten möchten. Der Nutzen des Wiesels soll ihrer Meinung nach in der massenhaften Vertilgung von Feldmäusen bestehen, und sie dringen darauf, daß der Raub einiger Hühner und Tauben dem Wiesel ein- für allemal verziehen werde und daß man sogar auf Feldern Steinhaufen liegen lasse, damit das Wiesel in denselben bequem wohnen könne.

Ob die Ankläger oder die Anwälte des „Heermännchens“ Recht haben, darüber wollen wir an dieser Stelle nicht entscheiden. Besonders warmer Sympathien des Menschengeschlechtes wird es sich aber schwerlich jemals zu erfreuen haben.




Recht und Liebe.
Novelle von Levin Schücking.
(Fortsetzung.)


„Und nun willst Du also gehen?“ hub der alte Herr nach einer Pause wieder an. „Du willst gehen? Weshalb? Weshalb denn jetzt gehen?“

„Sehen Sie denn nicht ein, daß meines Bleibens hier nicht länger ist? Ich hätte ja gar nicht hierher kommen dürfen – ich handelte damit gegen den Willen, den ausgesprochenen Willen meiner entschlafenen Eltern. Wie sollte ich mich nun noch länger Denen gegenüber hier behaupten, welche Sie umgeben und Ihr Haus füllen?“

„Aber sie werden ja sicherlich sofort gehen, sobald Du da bist, Du, meiner Schwester Kind, Du, mein nächstes Blut, Du, die einzige Erbin von Allem, was ich besitze.“

„Ich Ihre Erbin? Nein, das eben will ich ja nun und nimmer sein. Das eben will ich nicht.“

„Du willst es nicht? Auch das gut! Alles wie Du willst! Mir ist es recht. Was geht’s mich an, was nach meinem Tode wird! Wenn nur Alles geschieht, was Du willst! Alles, was Dich bewegen kann, zu bleiben!“

Regine sah stumm auf ihren Oheim nieder. Ihr Herz wallte von einem Mitgefühl mit dem kranken Manne über, das es ihr nun doch schwer machte, bei ihrem Willen zu verharren.

„Wenn,“ sagte sie endlich zögernd, „wenn Sie so völlig einverstanden mit meinem Entschlusse sind …“

„Dann, dann … wirst Du bleiben?“ fiel ihr Oheim eifrig ein.

Sie erschrak nun schon über ihr Zugeständniß. Sie wollte ja Leonhard nie, nie wiedersehen. Er hatte ihr das Bleiben ja unmöglich gemacht.

„Lassen Sie mir Zeit, mich zu fassen!“ antwortete sie rasch. „Sie dürfen sich auch nicht länger durch ein Gespräch wie dieses aufregen. Versprechen Sie mir, daß Sie den Kutscher heraufkommen lassen und ihm selbst einschärfen wollen, er habe unbedingt und augenblicklich zu gehorchen, wenn ich einen Wagen verlange – wollen Sie das?“

„Gewiß, gewiß, wie Du willst! Zieh die Klingel, damit Andreas den Kutscher herauf holt! Du magst selbst hören, wie ich’s ihm befehle, Kind. Was Du nur willst, soll geschehen.“

Regine ging, die Klingel zu ziehen. Aber noch bevor sie die Schnur erreicht hatte, ward die Thür aufgerissen und angst- und schreckensbleich stürzte Dora herein.

„O Fräulein, Fräulein – ich weiß mir nicht zu helfen – mein Bruder Damian stirbt, wenn Sie uns nicht beispringen – mein Bruder ist wie todt, ganz wie todt, und Niemand von uns weiß, was wir beginnen sollen.“

„Damian – Ihr Bruder? Was ist denn geschehen?“

„Er ist schwer verwundet; sie haben sich geschlagen, und nun ist er wie todt, und die Mutter hat den Kopf verloren und steht da und wehklagt und jammert, und ich weiß nicht, was ich anfangen soll … und so bin ich zu Ihnen gestürzt – o, bitte, bitte, kommen Sie! Sie wissen uns gewiß einen Rath zu geben.“

Regine besann sich nicht einen Augenblick. Sie war freilich kein Arzt, nicht einmal das, was sie hier vorgestellt hatte, eine Krankenpflegerin – aber sie war die Tochter eines Arztes und war sicher eher im Stande, etwas Hülfreiches zu thun, als diese kopflosen Frauenzimmer. So folgte sie augenblicklich Dora, die vor ihr her eilte, in die Wohnung der Frau von Ramsfeld; im Wohnzimmer seiner Mutter lag Damian auf den Sopha, regungslos, die auf der Brust aufgerissenen Kleider mit Blut überströmt, das Haupt über der Lehne des Sophas zurückgesunken. Hinter ihm saß Frau von Ramsfeld mit thränenüberströmtem Gesicht, während Andreas daneben stand und dem Verwundeten die Stirn mit Kölnischem Wasser rieb – Frau von Ramsfeld schien wie gelähmt und nichts thun zu können, als zu jammern und zu schluchzen.

„O wie gut, daß Sie kommen – wie gut Sie sind!“ rief Frau von Ramsfeld beim Anblick Reginens. „Sagen Sie mir, ob er todt ist, sagen Sie es mir!“

Andreas sah mit einem mitleidigen Blick zu Reginen auf.

„Es ist nicht so arg,“ sagte er mit merkwürdiger Ruhe, „aber die gnädige Frau will mir nicht glauben. Es ist nur eine Ohnmacht, gewißlich nur eine tiefe Ohnmacht; er wird schon wieder zu sich kommen – der Athem wird schon stärker, merklich stärker –“

Regine nahm rasch Andreas das Kölnische Wasser und das Tuch ab, mit dem er dem Ohnmächtigen die Stirn wusch, und übernahm diese Hülfleistung selbst, um Andreas nach kaltem Wasser auszusenden; die Wunde, welche sich an der Schulter befand, blutete noch – das Blut mußte gestillt werden. Regine nahm sich eifrig des Verwundeten an, und als Andreas zurückkam, war Damian bereits wieder zur Besinnung gekommen und starrte mit irren Blicken um sich her.

„Es scheint, die jungen Herren haben sich geschlagen,“ nahm nun Andreas das Wort, „im Walde auf Pistolen geschlagen – wenigstens sagt Herr Edwin Klingholt so, der dabei wohl den Secundanten gemacht hat. Herr Edwin Klingholt hat ihn denn auch mit Mühe hergeschleppt; ich traute meinen Augen nicht, als ich, eben unten durch den Flur gehend, die Beiden herangeschlichen und herangewankt kommen sehe. Wie wir ihn dann erst hier oben hatten, und wie er nun erst hier im Zimmer auf das Sopha sank, überkam ihn die Ohnmacht; Herr Klingholt ist dann fortgestürzt, um seinen Bruder zu holen – der Herr Doctor

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1882). Leipzig: Ernst Keil, 1882, Seite 370. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1882)_370.jpg&oldid=- (Version vom 4.8.2020)