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Verschiedene: Die Gartenlaube (1882)

No. 31.   1882.
Die Gartenlaube.

Illustrirtes Familienblatt. – Begründet von Ernst Keil 1853.


Wöchentlich bis 2 Bogen.    Vierteljährlich 1 Mark 60 Pfennig. – In Heften à 50 Pfennig.



Der Krieg um die Haube.

Von Stefanie Keyser.
(Fortsetzung.)


Athemlos drängten sich die Fronen heran.

„So schön habe ich mir die Haube nicht gedacht,“ flüsterte es ringsumher.

„Gelt?“ lachte die Rotmundin. „Wohlan, wir setzen auch solche Hauben aus.“

„Das wird nimmer erlaubt vom Rath,“ seufzte Felicitas Holzschuherin.

„Das wollen wir wohl sehen,“ dräute die Rotmundin. „Hört erst, was meine Frau Bas, die Langmantelin in Augsburg, schreibt!“

Sie zog ein Papier aus der Gürteltasche und las:

„Gelobt sei Gott und die heilige Jungfrau Maria, seine Mutter, daß sie mich von der Sorge erlösten, die ich für Dich getragen habe! Bin schier bös aus Dich gewesen, liebe Rotmundin, daß Du mich durch den geheimen Boten und den ungebärdigen Brief so erschreckt hast, bis ich herausbuchstabiert habe, daß Dir nichts fehlt als eine hübsche Haube. Gleichwohl kann ich den Nürnberger Frauensbildern nicht verübeln, daß sie der unholdseligen Stürze entledigt sein möchten; denn auch wir Augsburgerinnen haben uns vordem durch dieselben hochbeschwert gefühlt, bis Kaiser Maximilian, dem Gott eine gnädige Urständ verleih, uns davon befreit hat. Nicht umsonst hat er sich den Bürgermeister von Augsburg genannt. Er ist wie ein wahrhafter Vater der Stadt seinen Töchtern zu Hülfe gekommen und hat vorgegeben beim Rath, daß wir die Scheuchen ablegen durften. Vielleicht senden Euch die Heiligen auch einen Fürsprech, wenn Ihr sie fein darum bittet. Stellet Euren Herren einmal mit Sanftmuth vor, daß es zu ihrem eignen Besten ist, wenn die Weiber und Jungfrauen anmuthig anzuschauen sind! Die Heiligen mögen nach davor behüten, daß ich die Schlangin werde, welche die Evastöchter des hochberühmten Nürnberg mit einer verbotenen Frucht versucht; jedennoch schicke ich Dir die neueste Augsburger Haube. Gehab dich wohl und schreibe mir, wenn auch die anderen Frauen aus den Geschlechtern Begehren tragen sollten nach dem anmuthigen Hauptschmuck. Meine freundlichen Dienste sind Euch allezeit zuvor!“

„Eure Frau Bas ist eine gelehrte Frau, daß sie so schreiben kann,“ meinte die alte Imhofin kopfschüttelnd. „Wenn i nur wüßt, ob es gut ist, daß die Weiber itzo statt der Spindel die Feder führen. Hätte mich auch von Euch eines Andern versehen, Frau Rotmundin.“

Aber die Rotmundin entgegnete scharf:

„Wer in der neuen Welt leben will, muß sich in die neuen Menschen schicken. Gedenkt Ihr Eure Tochter mit Spindel und Sturz auszustatten, so wählt den alten Kriegsschreiber zum Schwiegersohn, der noch immer Schuhe trägt, deren Spitzen bis an die Kniee herauf reichen! Oder sie wird sitzen bleiben wie die herbe Ursel.“

Die alte Imhoffen verstummte über den Kriegsschreiber, dem sie selbst ihrer Zeit einen Korb gegeben hatte.

Die anderen Frauen blickten unverwandt auf die neue Haube und riefen:

„Was sollen wir thun, Frau Rotmundin? Wir gehen für das wunderfeine Häublein durch’s Feuer.“

„Da wir keinen Kaiser Maxel zum Bürgermeister haben,“ erklärte die Rotmundin, „so müssen wir selbst Sturm laufen gegen einen ehrbaren Rath. Bitten müssen unsre Sturmleitern sein, Keifen unsre Feldschlangen; der heiße Wasserschwall unsrer Thränen muß sie begießen oder ein kaltes Sturzbad ihnen klar machen, daß auch wir ein Herz haben, welches sich nicht jede Freude abschneiden läßt; denn so in Lieb und Güt, wie meine Augsburger Bas denkt, wird’s nimmer abgehen. Sie kennt die harten Nürnberger Köpfe nit, meint halt, alle Männer seien wie die ihrigen, die in Welschland feine Sitte gelernt haben. Dann müssen wir eine Bittschrift an den Rath schicken, dieweil sonst die Herren die Ausflucht machen, das gemeine Wesen wisse nichts von der Sache.“

„Wer soll uns die abfassen? Die Schreiber werden sich hüten, in dieses Wespennest zu stören. Mein Herr hält sie in scharfer Zucht,“ meinte nachdenklich die Schultheißin.

„Wir sind das Wespennest, und der Rath mag sich hüten, uns zu verstören,“ verkündete, trotzig mit dem Fuße aufklappend, die Rotmundin, „und wir brauchen keine furchtsamen Schreiberlein. Hier habe ich die Bittschrift aufgesetzt; ich fürchte mich weder vor meinem Herrn noch vor dem Euren. Ihr braucht sie nur zu unterschreiben.“

Sie breitete einen Bogen, der mit kräftigen Buchstaben bemalt war, aus, und Eine nach der Andern trat heran und setzte ihren Namen darunter. Einzelne malten auch nur drei Kreuze hin, zu denen die Rotmundin die Erklärung fügte.

Elsbeth machte große erstaunte Augen zu alledem. Jetzt reichte die Rotmundin auch ihr den Gänsekiel. Aber sie barg die Hand in den Falten ihres rosinfarbenen Rockes und sprach:

„Warum soll ich mir selbst die Schmach anthun, daß ich

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1882). Leipzig: Ernst Keil, 1882, Seite 505. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1882)_505.jpg&oldid=- (Version vom 30.3.2023)