Seite:Die Gartenlaube (1882) 511.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1882)

„Ihr habt mit unsern Feinden conspirirt;
Und Renegaten hält man kein Versprechen.“

Die Fürsten und Generale stimmen eifrig zu. Desgleichen der Dominicaner. Jene wollen das Reich, dieser will den Glauben retten, und deshalb stimmen sie für Plündern, Brennen, Hängen und Köpfen.

Da erscheint der alte Senator Nusch im Vordergrund, mit einem Kissen, worauf die Stadtschlüssel liegen – die wirklichen echten alten Schlüssel zu den jetzt noch vorhandenen echten alten Thoren der Stadt. Er überreicht sie dem Sieger und bittet um Gnade, bedient sich aber dabei der unvorsichtigen Wendung:

„Wer weiß, ob Magdeburg –“

Der erzürnte Tilly unterbricht ihn sofort, indem er ihn anherrscht:

„Schweig, Unglücksmensch!
Ihr geht den gleichen Weg, und Euer Loos
Wird wohl das gleiche sein. Es bleibt dabei“,

nämlich bei dem Blutgericht gegen Bürgermeister und Rath, das dem Aldringer aufgetragen wurde.

Resignirt sagt Bezold:

„Laßt nun denn sterben, aber laßt die Stadt
Nicht büßen das, was wir allein verschuldet!“

die Stadt habe nicht rebellirt wider Kaiser und Reich, sie habe aber bei ihrem Glauben verbleiben wollen, worauf sie ein verbrieftes Recht habe, nur deshalb sei sie dem Leipziger Convent beigetreten.

Dazwischen schreit der junge Hetz-Dominicaner:

„Wo Unterthanen-Afterweisheit sich
Mit dummem Bürgerstolze so vereint,
Da giebt es Christen, schlimmer als die Heiden!“

Tilly dictirt endlich als Sieger: Vierstündige Plünderung; 30,000 Thaler Contribution; Lieferung von 6000 Ellen Tuch und 3000 Paar Schuhe. Oberst Ossa wird beauftragt, das alles zu executiren. Und nun wendet sich der Eroberer Magdeburgs wieder an den Bürgermeister und Rath mit den Worten:

 „— Und nun zu Euch,
Die Ihr hier Recht spracht über Gut und Blut!
Heut fordre ich Euch Richter vor Gericht.
Wer Aufruhr stiftet, ist dem Tod verfallen.
Wählt oder loost! Vier Häupter müssen fallen
Durch’s Henkerbeil. Dies ist mein letztes Wort.“

Die vom Rath aber weisen diese Art Gnade zurück und antworten wie aus einem Munde:

„Wir loosen nicht. Wie Einer stand für Alle,
So gehn auch All’ für Einen in den Tod.
Für Alle Gnade — oder Tod für Alle!“,

und Tilly antwortet:

„Dann sollt Ihr All’ in Eurem Hochmuth sterben.“

Der Dominicaner freut sich dessen.

Dann dringt Frau Magdalene Hirsching ein, die Nichte des Bürgermeisters, mit ihren Kindern, halb gegen den Willen Tilly’s, des Weiberfeindes, der sie abwehrt mit den Worten:

 „– Wißt Ihr nicht,
Daß ihr Gewinsel mir bis in den Tod
Zuwider ist und mir die Galle weckt?“

Allein die muthige Frau läßt sich nicht zurückweisen. Als die Landsknechte sie hinauswerfen wollen, beschwört sie Tilly bei dem Andenken seiner Mutter, bei seinem Glauben, welcher doch auch nicht wolle, daß Eigenthum, Ehre und Ehe verletzt werde, wie dies im Augenblicke in dieser freien Reichsstadt geschehe.

Tilly ruft zwar einmal dazwischen:

„Schafft mir dies Weib hinaus! Sie ist wie toll!“

Aber er kann sich doch nicht ganz dem Eindruck entziehen, welchen ihre beredten Worte auf ihn machen.

Der Dominicaner ruft ihm zu:

„Laß Dich von Weiberthränen nicht bethören.“

Auch ihren Glauben vertheidigt die stolze und starke Frau. Da poltert der Dominicaner:

„Was faselt auch vom Glauben noch das Weib?“

Auch Tilly wird wieder grimmig. Der Bürgermeister schlägt sich in’s Mittel mit den Worten:

„Geht, Kinder, geht! Des Mannes Herz ist Stein.“

Und Magdalene geht. Jetzt treten zwei andere Personen in den Vordergrund. Während alle übrigen Gestalten des Stückes historisch verbürgt sind, scheinen diese ein Product der Phantasie des Dichters zu sein.

Es ist der rothbärtige Rathhausdiener und Kellermeister Balthasar Reimer und Anna, sein kluges und holdseliges Töchterlein, auf das die Dichterworte paßten: „Sie ist so sitt- und tugendreich und etwas schnippisch doch zugleich.“

Zuvor befiehlt der Graf Aldringer, den Tilly mit Hegung des Blutgerichtes betraut hat, dem Bürgermeister, selbst den städtischen Meister Hämmerlein, den Henker, zur Stelle zu schaffen. Er giebt ihm eine Wache bei mit den Worten:

„Mit Eurem Leben stehet Ihr für Beide,
Den Freiknecht und den Bürgermeister, ein.“

Magdalene flucht Tilly und den Seinen.

Das kluge Kellermeisters-Töchterlein begleitet ihren stolzen Abgang mit den bewundernden Worten:

„Da geht sie hin, wie eine Königin.“

Dann aber spricht sie für sich:

„Versuchen wir’s mit einer andern Macht,
Die andre Helden ebenfalls bezwungen!“

Sie versucht es, dem alten Tilly nach dem heißen Tag einen kühlen Trunk anzubieten. Aber Tilly nimmt nichts aus Weiberhänden.

Da kommt denn der Papa Kellermeister selber.

„Wer bist Du?“

Und Reimer, der oben Rathsdiener und unten Kellermeister ist, antwortet:

„Hier oben bin ich Diener,
Doch drunten bin ich Herr.
Ich heiße Balzer Reimer,
Bin Castellan – nicht mehr.

Doch drunten in dem Keller,
Da bin auch ich Tyrann
Und sperre edle Geister
Wohl Jahre lang in Bann.

Je wilder die Gesellen
In ihrer Jugendzeit,
Je länger ich sie banne,
Je größer meine Freud’.

Herr Graf, ich hüte Einen
Nun viele Jahre schon,
Aus unsrer besten Lage,
’Nen wahren Sonnen-Sohn.

Erlaubt, daß ich ihm heute
An unserm Todestag,
Ein würdig Todten-Opfer,
Die Freiheit geben mag!

Daß es sich in die Herzen
Wie Himmelstrost ergießt,
Und Jeder ohne Schmerzen
Des Lebens Traum beschließt!“

Dieser poetische Hauch beginnt das Eis Tilly’s etwas zu schmelzen. Er wird sogar ein ganz klein wenig gnädig, soviel es seine grimmig-ernste Natur erlaubt. „Ei, ei,“ spricht er,

„Ei, ei, mir scheint, daß Du Dein zweites Amt
Als Kellerwart verständnißreich verwaltest.
Der Wunsch sei Euch gewährt! Drum trinket nur
Von Euerm Besten! Ihr braucht Muth zum Sterben.“

Reimer erlaubt sich die Bemerkung, daß es doch sehr schön wäre, wenn Tilly und die andern hohen Herrschaften mittrinken wollten. Dann tritt der stattliche Senator Winterbach auf mit dem historisch echten Pokal, gefüllt mit sechs Liter (oder dreizehn baierische „Halbi“) Tauberwein. „Verzeih!“ sagt er zu Tilly,

„Wir haben in der Seelenangst vergessen,
Den Willkommtrunk zu reichen unserm Gast.“

Tilly antwortet:

„Ich trinke keinen Wein. Trinkt Ihr nur selbst!“

Senator Rückert bittet:

O, thut Bescheid, erweist uns diese Gnade!
Hier trinkt der Herr zuerst und dann die Andern.“

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1882). Leipzig: Ernst Keil, 1882, Seite 511. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1882)_511.jpg&oldid=- (Version vom 7.8.2023)