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Verschiedene: Die Gartenlaube (1882)


Meer, in den Himmel – da sind auch Wolken wie Untiefen, und doch sind sie groß – Himmel wie Meer. So bedeutete auch das Wölkchen auf Ihrer Ehre nichts.“

„Bleibt es dennoch ein Zwang –“ rief Hollfeld, „so ist es ein Zwang, wie vielleicht noch nie einer geübt wurde. Und, Zellina, gegen Sie bin ich doch der Kleinere.“

Bob verneinte heftig.

„Sicherlich!“ fuhr Hollfeld in tiefster Bewegung fort. „Muß ich also von einem Menschen nehmen, so meint es mein Geschick wohl noch gütig, daß Sie es sind.“

Mit einem erstickten Ausruf schlossen sich die Männer fest in die Arme; dann schritt Hollfeld dem Wäldchen zu, das bereits vor ihnen lag. Bob sah ihm still nach, bis er verschwunden war. Als er sich dann dem Meer zuwandte, rollte es ihm in leisem Schluchzen eine goldene Welle vor die Füße.

(Schluß folgt.)




Zum Verständniß der Ereignisse in Aegypten.

Von Adolf Ebeling.

Die eisernen Würfel sind gefallen, und die Macht der Mächtigen hat sich wieder einmal schreckliche Geltung verschafft: Alexandria liegt zum großen Theil in Schutt und Trümmern, und über den verschont gebliebenen Theil, soweit derselbe der Plünderung und Zerstörung entgangen ist, lagern die düstern Wolken einer bangen Zukunft. Ganz Aegypten ist mehr oder weniger der Anarchie anheimgefallen; denn die Militärherrschaft Arabi’s, die überdies auf äußerst schwachen Füßen steht, verdient kaum einen anderen Namen, und Niemand weiß, wer zur Zeit der eigentliche Herr im Lande ist, ob der Khedive oder der Sultan oder gar jetzt der Engländer, der verhaßte „Inglesi“, der gar nicht gesonnen zu sein scheint, die über Nacht errungenen Vortheile so leichten Kaufs wieder aus der Hand zu geben.

Preisgekrönter Entwurf zum Reichstagsgebäude von Professor Thiersch in München.

Man fragt sich wohl, wie es überhaupt möglich gewesen, daß es dahin gekommen ist, und steht in mehr als einer Beziehung einem Räthsel gegenüber, welches die Zeitungen sehr unvollkommen lösen – trotz ihrer Unzahl von Artikeln, die sich fast durchweg nur mit den Ereignissen der Gegenwart, nicht aber mit der Entwickelung dessen beschäftigen, was heute im Nillande geschieht. Etwas zur Lösung dieses Räthsels beizutragen, ist der Zweck dieser Artikel.

I.

Die ganze ägyptische Frage ist im Grunde nur eine Geldfrage; aber in höchster Potenz; denn es handelt sich um viele tausend Millionen Franken, und der eigentliche Schuldige (richtiger wäre wohl der Schuldner) sitzt auf seinem Lustschlosse Favorita bei Neapel mit seinen glücklich auf die Seite gebrachten Millionen, seinen Diamanten und seinem Harem, wobei ihm, wie man behauptet, der letztere die meisten Sorgen machen soll – nämlich der Ex-Khedive Ismaïl Pascha. Dieser trägt völlig und ganz die Verantwortlichkeit für die augenblickliche verzweifelte Lage Aegyptens, und an seinem armen gutwilligen, aber schwachherzigen Sohne Tewfik, dem jetzigen Khedive (wenn er es überhaupt noch ist), erfüllt sich wieder einmal das ernste Wort von den Sünden der Väter, die heimgesucht werden an den Kindern.

Die ägyptische Finanzmisere, die später so kolossale Dimensionen annahm, datirt schon vom Jahre 1869, dem „großen Jahr“ der Regierung Ismaïl’s, wie die bezahlten Federn damals in alle Welt hinausschrieben; es war das Jahr der Eröffnung des Suezcanals. Ein solches Schauspiel hatte die Menschheit noch nicht gesehen, und der Vicekönig genoß den Triumph, der generöseste und geldmächtigste Fürst der Welt genannt zu werden. Die moderne Kleopatra, die Kaiserin Eugenie, spielte dabei die Hauptfigur; man hatte eine große eiserne Brücke schlagen lassen, und gegen 20,000 Fellachen hatten in dreimonatlichem Frohndienst einen mehrere Kilometer langen Erdwall aufwerfen müssen, blos damit die hohe Dame directen Weges nach den Pyramiden fahren konnte. Dieser Triumph, der überdies nur eine kurze Woche dauerte, kostete dem Khedive Alles in Allem hundert Millionen Franken, und auch das war schon fremdes, gegen Wucherzinsen geliehenes Geld, wobei die vermittelnden jüdischen Banquiers von Kairo und Alexandria etwa 20 Procent und mehr in die Tasche steckten. In jene Summe ist freilich eine halbe oder gar eine ganze Million Pfund Sterling mit einbegriffen, die der stets geldbedürftige Sultan erhielt, um über das prätentiöse und allzu eigenmächtige Gebahren seines „Vasallen“, der völlig als Souverain auftrat, ein Auge zuzudrücken.

Von da an ging es lawinenartig immer mehr bergab, dem Abgrunde zu. Der damalige Finanzminister, der berüchtigte Muffetisch, das andere Ich des Khedive und der eigentliche Machthaber im Lande, sann Tag und Nacht auf neue Hülfsquellen,

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1882). Leipzig: Ernst Keil, 1882, Seite 516. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1882)_516.jpg&oldid=- (Version vom 6.8.2023)