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Verschiedene: Die Gartenlaube (1882)

Fichtenhain vor uns sehen, nicht mit einem Naturspiele zu thun haben. Da ist nichts von den bizarren, ausgenagten und zu den abenteuerlichsten Figuren umgestalteten Felspyramiden oder den wüsten Trümmerhaufen, wie sie der Dolomit auf den benachbarten Höhen bietet, Formen, welche auf dem sogenannten Quackenschloß oberhalb der Baumfurter Mühle oder aus dem aussichtsreichen Adlerstein so mächtigen Eindruck hervorrufen – im Gegentheil: hier finden wir in strenger Ordnung und regelmäßig wie die Bänke in einer Kirche eine Menge großer, oblonger Felsblöcke in zwei Abtheilungen mit breitem Mittelgang und engen Zwischengängen aufgestellt, und alle, soweit es die Verwitterung zugelassen hat, von gleichmäßiger Gestalt und bankartigem Aussehen. Vor ihnen aber und etwas seitlich stehen zwei oder drei gewaltige viereckige Steine wie mächtige Altäre, ebenso mit Moos und Flechten überwuchert, wie die Bänke. Und wenn wir das Moos von den Steinen mit der Hand entfernen, so finden wir auf ihrer Oberfläche eine Anzahl größerer und kleinerer, sorgfältig in Stein ausgearbeiteter Näpfe, von denen die meisten einen schmalen Canal nach außen haben – uralte Opferschalen zum Auffangen des Blutes mit ihren Blutrinnen. Ueber dem Ganzen aber schließen sich, vergoldet vom letzten Sonnenstrahl, die Wipfel der hohen Föhren zu einem dichten Dome, während um die alten Steine mächtiger Epheu wuchert und in dichten Büscheln die Wedel des Farnkrautes zwischen den Felsen hervorsprossen.

Vor unserm inneren Auge aber belebt sich mit den ersten Schatten der Dämmerung die schweigende Steinmasse rings umher; im Flüstern des Abendwindes, der durch die Bäume fährt, hören wir murmelnde Stimmen, wie Götterbeschwörung, und die alten Priester sehen wir über die Altäre gebeugt, in dem Blute der eben geschlachteten Kriegsopfer den Willen der Unsterblichen zu lesen. Auf den Bänken aber sitzen die Männer des Stammes in schweigender Andacht, den funkelnden, kampffreudigen Blick auf das Antlitz der Priester geheftet, das Haar langhängend oder zum Knoten geschürzt, wie die eigenthümlichen Kopfringe der dortigen Gegend vermuthen lassen, bekleidet mit grobfelliger Gewandung, die Handgelenke geschmückt mit bronzenen Spangen, die Faust bewehrt mit der steinernen Streitaxt. Und lauter und lauter wird das Murmeln und Beschwören der Priester; sie sehen gute Zeichen im rinnenden Blute, und ihre Erregung theilt sich den Zuschauern mit, daß es lebendig wird auf allen Sitzen und heller Kampfruf ertönt, während über den rauschenden Gipfeln die schwarzen Vögel Wuotan’s ihre Kreise ziehen.

Der Führer mahnt uns zum Aufbruch und weckt uns aus den Träumen, die in der seltsamen Umgebung so nahe liegen; er erzählt uns nur noch, daß in dem großen Acker, über den mit mächtigem Absatz der Druidenhain sich erhebt, mächtige Lagen von Asche und mancherlei Scherben aufgefunden wurden. Wimmelt es doch ringsum von den Resten der vorgeschichtlichen Bewohner, die nach den Höhlenmenschen unten in den Thälern da oben ihre Grabhügel geschichtet haben und den Göttern ihre Opfer brachten.

Muggendorf ist vermöge seiner günstigen Lage zum Hauptquartier der vielen Fremden geworden, welche von ihm aus das schöne Gebirgsländchen vom Frühjahr bis in den Herbst hinein nach allen Richtungen durchstreifen. Wir folgen, die Wiesent aufwärts, welche mittelst zahlreicher großer Schöpf-(„Schlupf“-)räder das immer mehr sich verengende Thal bewässert, zwischen den gegen 120 Meter hohen, vielfach bewaldeten Bergwänden der bequemen Fahrstraße, um Gößweinstein aufzusuchen, können uns aber nicht versagen, auf nahezu halbem Wege rechts abzubiegen nach Burg-Gailenreuth mit seinem noch leidlich erhaltenen Schlosse und dem dabei liegenden Windisch-Gailenreuth, um der weltberühmten Gailenreuther- oder Zoolithenhöhle unsern Besuch abzustatten.

Dieselbe ist in Betreff ihrer terrassenförmigen Bildung, besonders aber durch ihre außerordentliche Reichhaltigkeit an fossilen Resten eine der merkwürdigsten, ja in letzter Hinsicht vielleicht die bedeutendste Höhle der ganzen Welt. Noch heute lange nicht erschöpft, barg sie in ungezählten Massen die Skelettheile jener längst ausgestorbenen Thiere, welche das Volk gemeinhin als vorsündfluthlich zu bezeichnen pflegt, und hat fast alle Museen der Erde mit ihren Funden bereichert.

Gegenwärtig ist hier, wie in der Sophienhöhle, mit dankenswerther Aufmerksamkeit dafür Sorge getragen worden, daß keine weiteren Verschleppungen stattfinden und die noch vorhandenen Reste erhalten bleiben. Die Gailenreuther Höhle hat nicht weniger als sechs Abtheilungen, von denen die zweite vierzig Meter lang und zehn Meter breit ist; zur vierten muß man mittelst einer Leiter sechs Meter tief hinabsteigen, und ragen in ihr die fossilen Knochen aus den Wänden hervor. In der nächsten Abtheilung fand man nicht weniger als 180 ganze Köpfe, zumeist vom furchtbaren Höhlenbären, dessen Unterkiefer mit abgebrochenen Winkeln eine hauptsächliche Waffe für den damaligen Menschen bildete, und hat man zur sechsten und letzten gleich ausgestatteten Abtheilung wieder sechs Meter hinabzusteigen. In der Nähe befindet sich ferner eine ganze Folge von Höhlen, welche zum Theil noch der Erforschung bedürfen, wie denn überhaupt jedes Jahr neue Höhlen, wenn auch meistens kleineren Umfanges, aber fast ausnahmslos mit Thierresten oder den Spuren menschlicher Thätigkeit entdeckt werden.

Das Schloß Gößweinstein, auf steilem Felsen liegend und weithin leuchtend – beherrscht es doch vier Thäler – wird schon in einer Urkunde des Kaisers Friedrich des Ersten von 1160 als Besitzung des Hochstiftes Bamberg erwähnt. 1526 zerstört, wurde es 1767 zum Amtssitz erhoben und ist jetzt, in Privatbesitz übergegangen, durch einen guten Fahrweg leicht zugänglich, abgesehen von den schönen königlichen Anlagen im Staatswalde, welche im Zickzack heraufführen. Die Aussicht von demselben gehört zu den schönsten und umfassendsten der fränkischen Schweiz. Der Markt Gößweinstein, unterhalb des Schlosses gelegen und hübsch und sauber wie Muggendorf, ist bekannt durch seine weither besuchte, geschmackvoll gebaute, wenn auch im Innern etwas überladene Wallfahrtskirche zur Heiligen Dreieinigkeit und ist weiter interessant durch sein Wasserwerk, welches am Fuße des schroffen Felsens, auf welchem Markt und Schloß liegen, bei der Stämpfer- oder Dreiquellenmühle in ausgedehnter Röhrleitung das Quellwasser auf die Höhe hinauftreibt.

Dicht oberhalb des Gößweinsteiner Berges, im Centrum jener sich vereinigenden Thäler, liegt Behringermühle, ein kleines Dorf, von dem man am besten zu der bekannten Riesenburg gelangt. Sie zeigt die größten Felsbogen mit mächtigen Säulen und Thoren, welche letztere in eine geräumige Höhle mit weit vorspringendem Dache führen und durch ihre großartige Anlage wirklich von überwältigender Wirkung sind.

(Schluß folgt.)




Das dritte deutsche Sängerbundesfest in Hamburg.

Zur Stunde herrscht in der für gewöhnlich so ernsten und gemessenen Metropole des deutschen Welthandels, in Hamburg, der zweitgrößten Stadt des Reiches, ein bunt bewegtes, fröhliches Festtreiben. In ihren Mauern wird das dritte deutsche Sängerbundesfest gefeiert. Dame Hammonia hat sich für einige Tage die Geschäftsfalten von der Stirn gestrichen und schwingt den Tausenden von deutschen Sangesbrüdern und Festgenossen, die aus allen Gauen des deutschen Vaterlandes, von weither aus der Fremde, ja von jenseits des Atlantischen Oceans, wo überall das deutsche Lied gleichsam ein harmonisches Band um die deutschen Stammesgenossen schlingt, gezogen kamen, zum frohen Gruße den grünen Eichenkranz entgegen. Sie will sich einige Tage gänzlich das Soll und Haben aus dem Sinn schlagen, eine Weile die vielfachen Sorgen und Verdrießlichkeiten vergessen, die ihr commercieller Beruf nothwendig mit sich bringt und die durch den jüngst erfolgten Zollanschluß, der ihre Tasche um diverse Millionen leichter machen wird, wesentlich vermehrt wurden; sie will mit den sangeskundigen Söhnen ihrer Heimath gemeinsam sich erheben über die Alltäglichkeit des Lebens hinaus in die heiteren Regionen der Kunst und sich laben an den Schätzen des Liedes und des Chorgesanges. Das werden genußreiche und anregende Tage werden, die Sängerfesttage des Monats August, genußreich und anregend sowohl für die Gastgeberin wie für die Gäste.

Man hat Hamburg häufig das deutsche Venedig genannt,

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1882). Leipzig: Ernst Keil, 1882, Seite 531. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1882)_531.jpg&oldid=- (Version vom 14.8.2023)