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Verschiedene: Die Gartenlaube (1882)

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weitem nicht, und wir deuteten schon früher an, wer für den Ausfall einsteht. Im Cadettenhause selbst sind große Schlafsäle eingerichtet worden mit je sechszehn bis achtzehn Betten, und die Frau Hausmeisterin sorgt für einfache, aber kräftige und dabei billige Mittagskost.

Die „dreiundsechszig Herren Lehrjungen“, wie sie sich scherzweise selber nannten, sind sechs Werkmeistern (Abtheilungslehrern) unterstellt, und der Stundenplan ist so eingerichtet, daß Jeder einen vollen Arbeitstag zu acht Stunden auf jede der eingeführten Branchen verwenden kann. Somit ist der Theilnehmer während des Cursus sechs Tage lang Tischler, sechs Tage lang Bildschnitzer; gleich lange wird gebuchbindert; die Metallarbeiten und die Laubsäge nehmen dieselbe Zeit in Anspruch, während die Korbmacherei sich mit drei Lehrtagen begnügen muß. Die gefertigten Arbeiten werden Eigenthum ihrer Urheber, doch müssen dieselben dem Comité zu einer Ausstellung am Schlusse des Cursus überlassen werden.

Jede Woche hält Clauson von Kaas vor den theilnehmenden Herren Vorträge über Handfertigkeit und Hausfleiß, um den Lehrern auch theoretisches Material für ihre Schulen mit zu übergeben; eine Conferenz der Lehrer unter sich findet auch statt, um gegenseitige Anschauungen und Erfahrungen auszutauschen, und die Sonntage sind gemeinsamen Ausflügen in die herrliche Dresdener Umgebung vorbehalten. In einem Nebensaale findet sich eine Fachbibliothek für Handfertigkeitsunterricht aufgestellt, über deren Umfang man erstaunen muß, wenn man an die Jugend der ganzen Bestrebung denkt. Ein warmer Freund des Unternehmens sandte ein gutes Pianino zur musikalischen Erquickung nach gethaner Arbeit.

Mir will die Kürze des Cursus ein wenig bedenklich erscheinen. Die Herren sollen ja das Erlernte weiter lehren, müssen also bis zu einem gewissen Grade der Sache Meister sein. Doch ist die Umsicht anzuerkennen, mit der man die elementaren Verrichtungen der betriebenen Handwerke auswählte. Es wird dadurch jedem Theilnehmer möglich werden, sich selbst weiter fortzuhelfen, und das geschieht ja auch bekanntlich in anderen Lehrfächern, indem man Andere belehrt; auch hofft Clauson von Kaas, daß die Herren bei den Handwerkern weitere Lehre suchen. Indessen, längere Curse bleiben auf jeden Fall wünschenswerth, und sie werden auch vom Meister selbst angestrebt.

Die Tischlerei beginnt mit der Trennsäge. Nachdem eine Latte abgetrennt, wird sie quadratisch gehobelt (auch auf dem Hirnholz). Dem „Schenkel“ folgt die Herstellung eines runden Stabes, und dann beginnt man mit der schwereren, mit der Flächenhobelei. Ist das Hobeln geübt, dann werden Gebrauchsgegenstände gebaut, zuerst gewöhnlich ein Messerkästchen. Im Anfang nagelt man die Ecken; beim nächsten Kästchen werden sie schon verzinkt. Hierauf erweitert der Lernende seine Kenntniß der Holzverbindungen durch eine Fenster- und zum Schluß durch eine Stuhlbeinverzapfung, und damit hat man allerdings das ABC der Tischlerei hinter sich.

In der Buchbinderei wird mit einer einfachen Mappe begonnen, und das Endziel findet man in dem Einband eines Buches mit Lederrücken. Mannigfaltiger sind die Papparbeiten, die sich dem Buchbinden anschließen, und sind hier besonders die geometrischen Pappfiguren zu erwähnen, die als doppeltes Lehrmittel für die Jugend gelten können.

Eine allerliebste Technik, höchst unterhaltend und dankbar für den Hausfleiß, ist die Bildschnitzerei. Sie fordert verhältnißmäßig wenig Werkzeug, und die Handfertigkeit kann sich hier am weitesten

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1882). Leipzig: Ernst Keil, 1882, Seite 549. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1882)_549.jpg&oldid=- (Version vom 5.4.2023)