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Verschiedene: Die Gartenlaube (1882)

Ausblick auf Gebirge und Aue thun kann. Zur Zeit aber, wo die Vorstellung beginnt, in der Nachmittagsstunde nach drei Uhr, bewegt sich die Straße dort hinaus ein wahrer Heereszug zu Wagen und zu Fuß. Alle Welt, Fremde und Einheimische, ergehen sich gerne auf dem Hügel vor dem Theater, wo man die interessante Gesellschaft, welche sich zu den Festspielen zusammengefunden hat, am bequemsten Revue passiren lassen kann. Extravagante Toiletten, schöne Figuren und charaktervolle Köpfe, Sehenswürdigkeiten aller Art bieten da dem Auge Stoff zu Betrachtungen. Die Festspiele von 1876 waren in dieser Hinsicht noch ergiebiger als die diesmaligen, bei denen sich die Fremdenmasse mehr zu vertheilen scheint. Damals wohnte auch Kaiser Wilhelm einem Cyclus von Vorstellungen bei. Einen außergewöhnlichen Fall bot damals auch die Fremdenliste unter dem Buchstaben P. Da stand unter Pietschen und Pauers ein Dom Pedro, Heimath: Brasilien, Stand: Kaiser. Der hohe Herr saß auch wirklich mit im Parquet, mitten in der Menge. Für gewöhnlich haben natürlich die fürstlichen Herrschaften ihre eigenen Plätze, wie im Uebrigen, so auch in der Fremdenliste. Unter den anwesenden Fremden ragt das musikalische Element, wie zu erwarten, hervor, ohne jedoch zu überwiegen. Innerhalb desselben bilden die unbedingt ergebenen Anhänger Wagner’s die Majorität. Sie nennen den Dichtercomponisten nur „Meister“. Der Antipathie gegen diese Bezeichnung hatten am Vorabend des diesmaligen Festspiels einige Berliner Schriftsteller, welche an der Bankettafel bei einander saßen, dadurch Ausdruck gegeben, daß sie unter sich eine Strafcasse errichteten, in welche Jeder eine Mark zu zahlen hatte, der einmal vom „Meister“ sprach. Sehr stark vertreten ist der Stand der Juristen.

(Schluß folgt.)     

Tüchersfeld.

Wichsenstein.


Bilder aus der fränkischen Schweiz:
Originalzeichnungen von Richard Püttner.



Blätter und Blüthen.

Die Giraffenfamilie im Dresdener Zoologischen Garten. (Mit Abbildung S. 541.) Die Geburt eines Thieres ist in einem Zoologischen Garten immer ein freudiges Ereigniß; denn da so ein Neugeborenes eine ganz besondere Anziehungskraft auf das Publicum auszuüben pflegt, so macht sich der größere Besuch des Gartens sofort bemerkbar, wenn in den betreffenden Tagesblättern zu lesen ist: es sind in dem und dem Zoologischen Garten Löwen, Tiger, Bären, Wölfe etc. geboren.

Dresden hatte am 22. Juni die große und seltene Ueberraschung, daß in seinem Zoologischen Garten eine Giraffe geboren wurde.

Die sächsische Hauptstadt besitzt seit 1876 eine weibliche und seit 1877 eine männliche Giraffe, und diese Thiere sind bis jetzt zu einer solchen Höhe (beinahe 17 Fuß) und Schönheit gediehen, daß man sie mit Recht als die hervorragendsten unter den jetzt in der Gefangenschaft gehaltenen bezeichnet.

Man hoffte schon seit mehreren Jahren von diesem hohen Paare Nachkommenschaft zu erzielen, gab aber endlich, da alle äußeren Anzeichen fehlten, die Hoffnung auf, als am obenerwähnten Tage Frau Giraffin eines Kindleins genas.

Nur in London, Wien und Hamburg ist der Fall einer Giraffengeburt in der Gefangenschaft bisjetzt vorgekommen, und es ist daher um so mehr zu bedauern, daß unser junges Thier nur drei Tage am Leben blieb. Nach gemachten Erfahrungen der obenerwähnten Gärten stehen die Neugeborenen dieser Thiergattung nach acht bis zehn Stunden auf, um sich ihre Nahrung bei der Mutter zu suchen. Leider war die junge Giraffe des Dresdener Gartens von so großer Körperschwäche, daß es ihr unmöglich war, sich aufzurichten, obgleich die Mutter alles aufwandte, um sie durch Lecken zum Aufstehen zu ermuntern. Verschlimmert wurde die Situation noch dadurch, daß alle Versuche, die Giraffin zu melken, mißriethen; denn wenn man ihr zu nahe kam, wurde sie so scheu und durch Ausschlagen so gefährlich, daß man von der Verabreichung von Giraffenmilch absehen mußte; es war glücklicher Weise eine[WS 1] frischmelkende Kuh in der Nähe, und so gab man dem Thiere am Tage der Geburt noch Abends Kuhmilch, welche es auch gern nahm; es sog davon zwei Flaschen aus; den zweiten Tag wurde, um noch kräftiger zu wirken, ein Versuch mit einer kleinen Dosis Tokayer Wein mit und ohne Ei gemacht, das Thier war aber durch massenhaften Schleim, welchen es von sich gab, am kräftigen Saugen verhindert, und obgleich ihm am nächsten Tage, wo ein Dromedar ein todtes Junges zur Welt brachte, noch Dromedarmilch verabreicht wurde, starb es am 25. Juni früh.

Es ist sehr die Frage, ob die Giraffin wieder werfen wird, und wenn dies der Fall sein sollte, so würde es immerhin circa zwei Jahre dauern, da die Tragzeit dieser Thiere vierzehneinhalb Monat währt. A. S.     


Redacteur: Dr. Ernst Ziel in Leipzig. – Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: ein
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1882). Leipzig: Ernst Keil, 1882, Seite 552. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1882)_552.jpg&oldid=- (Version vom 12.6.2023)